Donnerstag, 27. Februar 2014

FlimmerCASTen # 17 - Wie war's auf der Berlinale, Jan?

Während ihr hier nach und nach die Texte zu den einzelenen Filmen lesen könnt, die ich in Berlin gesehen habe, geht es im Podcast um das ganze Drumherum. Antonia und ich erklären zum Beispiel auch, warum hier solch merkwürdige Filme besprochen werden, die im diesjährigen Festival-Programm gar nicht aufgetaucht sind...



Wart Ihr schon auf der Berlinale? Sollten Papiertüten auf dem Kopf im nächsten Jahr der neue Modetrend auf dem Festival werden? Teilt's uns mit!

Dienstag, 25. Februar 2014

Berlin: Nyphomaniac 1

Kaum ein anderer Film wurde in den letzten Monaten mehr diskutiert und nicht wenige haben nach all dem Wirbel schmerzlich den Kinostart herbei gesehnt. Ob diese Aufregung gerechtfertigt war und nicht die Erwartungen so hoch geschraubt hat, dass sie dieser Film nicht erfüllen kann, ist dem Regisseur wahrscheinlich egal. Was man von Lars von Triers neuestem Machwerk „Nymphomaniac 1“ hingegen halten soll, weiß man wohl auch erst, wenn man im Kino war.

Es ist eine kalte Nacht, die an rostige und keimig, verklebte Wände, an denen Brackwasser herunter rinnt denken lässt und an Rammstein. In einer solchen Nacht findet der alte Mann namens Seligman eine übel zugerichtete Frau auf dem Fußweg liegend. Er kümmert sich um sie und schafft sie zu sich nach Hause. Hier packt er sie ins Bett und flößt ihr warmes Essen und Getränke ein. Ob er die Polizei oder einen Krankenwagen rufen soll, verneint sie. Sie sei ein schlechter Mensch und das sei in Ordnung so. (Hat nicht ein berühmter Regisseur vor klurzem etwas ganz Ähnliches gesagt?) Seligman glaubt nicht, dass sie ein schlechter Mensch ist. Deshalb beginnt sie, ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen, um zu beweisen, dass sie doch ein schlechter Mensch ist. Dieses Leben besteht ausschließlich aus extremen, sexuellen Erfahrungen, die sie seit ihrer frühesten Kindheit sammelt. Der alte Mann zeigt sich von all den expliziten Schilderungen nicht sehr schockiert und kontert mit Analogien vom Fliegenfischen, dem Komponieren eines Orgelstückes und der Weltliteratur. Während sie also ungeniert von ihrem Leben berichtet, wird sie von ihm bemuttert und moralisch durchgefüttert.

Die Story klingt ziemlich banal. Bei den meisten Pornofilmen gibt es so etwas, wie eine Story gar nicht erst und so gesehen, könnte man sagen, ist „Nymphomaniac 1“ regelrecht tiefgründig. Lange habe ich überlegt, wie dieser Film zu bewerten ist und ich bin zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Manche bezeichnen diesen Film, als ein wildes Kunstwerk, welches im Grunde nur die Gewalt und Vielfältigkeit des Lebens nachzeichnet. Lars von Treir selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einen Pornofilm gedreht hat. Ich finde, so sollte ich das auch halten. Zwischen den einzelnen Kapiteln, die alle jeweils ein neues Sexabenteuer schildern, gibt es Einschübe, die sehr verkrampft wirken und an die tatsächliche Bildgewalt früherer von-Trier-Filme erinnern sollen, hier aber total unpassend daher kommen. Alles wirkt dadurch eher konfus. In einer Szene beschreibt sie ausführlich von ihrer Entjungferung, in der nächsten zitiert er den Text irgendeines romantischen Autors. Einmal wird der Zuschauer mit einer beispiellosen Galerie männlicher Geschlechtsteile bombardiert, gleich darauf mit perfekten Bildern eines spektakulären Sonnenuntergangs verwöhnt. All das kann nicht verbergen, dass es in diesem Film nur um eines geht: Um Sex. Um Sex in all seinen faszinierenden, wie auch abstoßenden Formen. Ästhetische Liebesszenen wird man hier kaum finden. So etwas gibt es in Pornofilmen nun mal nicht. Stattdessen findet man eine beeindruckend gespielte, aber leider vollkommen überflüssige Szene mit ihrem Vater, der irgendwie noch zum Schlüsselsymbol werden soll. Vielleicht. Das kommt möglicherweise im zweiten Teil erst. Womit wir bei einem weiteren, großen Problem von „Nymphomaniac“ wären. Lars von Trier hat nach Fertigstellung seines Filmes den sogenannten Final Cut abgegeben. Dieser Cut legt fest, welche Version letztendlich in den Kinos laufen soll. Aus vermarktungstechnischen Gründen, wurde der Film erstens regelrecht kastriert – Sorry, aber anders kann man es in diesem Fall schwerlich nennen – und damit sämtlicher diskutabler Szenen, die im Vorfeld für so viel Gesprächsstoff sorgten beraubt; zweitens wurde „Nymphomaniac“ in zwei Teile gehackt. Der deutsche Verleih möchte dem deutschen Publikum also weder eine Laufzeit von 5 Stunden, noch explizit dargestellte, kopulierende Paare zumuten. Als Dank dafür bittet man aber natürlich doppelt zur Kasse.

Das Ergebnis ist eben eher unspektakulär, entspricht überhaupt nicht den Erwartungen – ob nun negativ, oder positiv - die man an einen Film dieses Regisseurs hat und zeigt vor allem, wie toll es noch immer in der Filmwelt funktioniert, wenn man auf möglichst platte und unkreative Art und Weise einfach mal drauf los provoziert.
Ich hatte nicht einmal Freude am durchaus sehenswerten Cast des Filmes. Einzig Uma Thurman zeigt gutes Schauspiel und rettet um Haaresbreite den Ruf ihrer Zunft. Alle anderen sind austauschbar. Vor allem der Typ mit der Papiertüte auf dem Kopf.

Nymphomaniac 1 (DK, D, B, F, GB, 2013): R.: Lars von Trier; D.: Charlotte Gainsbourgh, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell, Uma Thurman, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Kineast im Radio: Jeden Sonntag, 14 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Mittwoch, 19. Februar 2014

Nebenbei: Von Stöckchen und dem Soundtrack zum Leben

Mir wurde ein Stöckchen zugeworfen. So kommt es, dass ich plötzlich über ein Thema nachdenke, welches nicht unbedingt etwas mit FIlmen zu tun hat und mich dazu bringt, olle Platten heraus zu wühlen und an früher zu denken.


In meinem Leben gibt es – und gab es schon immer – unglaublich viel Musik. Das fing schon als Kind an. Mein Papa war schon immer sehr interessiert und zu DDR-Zeiten als Schallplattenunterhalter mit extra DJ-Diplom unterwegs. In den 70er Jahren war es wichtig, sich mit der Musik zu identifizieren. Solche denkwürdigen Ereignisse, wie Woodstock zumindest aus der Ferne mitzukriegen, war schon irgendwie wichtig. Meine Eltern haben also schon immer viel Wert auf ihren Musikgeschmack gelegt. Das heißt, ich bin mit den Beatles, den Rolling Stones, Neill Young, Bob Dylan, und so ziemlich allen Ikonen des Rock und Pop aufgewachsen. Mir hat dann irgendwann eine Band besonders zugesagt. Ich weiß nicht warum, aber im Alter von sechs Jahren oder so, habe ich unentwegt Supertramp gehört. Das war irgendwann der Soundtrack zu allem, was ich so erlebt habe. Der Ostsee-Urlaub wurde von „Crime Of The Century“ begleitet, meine Grundschulzeit von „Chrisis? What Chrisis?“. Ununterbrochen hörte ich das Livealbum rauf und runter, während die Mitschüler auf die Eurodance-Welle und Schlumpfentechno abgingen. Aus heutiger Sicht ist Supertramp irgendwie weniger ernst zu nehmen und aus irgendeinem Grund werden die Fans unverhohlen belächelt. Möglicherweise liegt das daran, dass Supertramp seit vielen Jahren mit ein und dem selben Song ein eher mitleiderregendes Dasein auf den Servicewellen der deutschen Radiolanfschaft fristet. Lustigerweise wurde vor einiger Zeit „Give A Little Bit“ wieder neu entdeckt, weil Coca Cola den Song für die aktuelle Imagekampagne durch sämtliche Kanäle dudeln ließ. Irgendwann war bei mir dann chluss mit Supertramp. Von einem Tag auf den nächsten erschloss sich mir eine völlig neue Musik, die mit großflächig arrangierten Pop-Balladen über den Frieden in der Welt gar nichts zu tun hatte. Wenn man den kontrastreichen Schritt von Supertramp zu Drum'n'Bass beobachtet, könnte man vielleicht denken, mein Leben hätte einen ebenso gravierenden Einschnitt verzeichnet. Dem war nicht so. Plötzlich wollte ich hämmernde Bässe, wahnwitzige BPMs und kreischende Vocalsamples. Drum'n'Bass ist an sich keine Musik, die man sich geruhsam anhört, aber ab da an gab es für mich nichts anderes mehr. Mir gefiel es, eine Musik zu hören, die die meisten meiner Bekannten einfach nicht verstanden. Das mangelnde Verständnis schlägt sich übrigens auch in Filmsoundtracks nieder. Immer wieder haben Filmemacher versucht, diesen Sound in ihre Werke einzubauen – meist mit fatalen Ergebnissen. Der Soundtrack von „pi“ oder das Intro von „Event Horizon“ bieten da die seltene Ausnahme von gelungenen Einsätzen des Amen-Beats. Aber zurück zum Thema: Dadurch, dass ich so konsequent und unaufhörlich Musik höre, gibt es keinen Peak oder besonderen Moment, den ich mit einem bestimmten Song verbinde. Bei den denkwürdigen Ereignissen in meinem Leben, lief dann erstaunlicherweise keine Musik. Ich habe meine Freundin gefragt, welcher Song vielleicht sowas ähnliches, wie unser Song sein könnte. Sie antwortete: „Brauchen wir einen Song?“
Als DJ werde ich oft gefragt, was meine Lieblingsplatte ist. Wenn ich nur eine Lieblingsplatte hätte, könnte ich wohl kaum ein abwechslungsreiches Set spielen.
Zerdenke ich die ganze Sache vielleicht zu sehr? Okay! Ich sage jetzt einfach, welcher Song, mir ganz spontan durch den Kopf geht: „Lass das mal den Papa machen...“ Oha!

Das Stöckchen haben mir übrigens die Kollegen von Schöner Denken zu geworfen. Wie deren musikalischer Nostalgietrip aussieht, könnt Ihr hier nachlesen.

Dienstag, 18. Februar 2014

Berlin: Enemy

Bei diesem Film fühlt man sich versucht, ihn mit Dingen zu vergleichen, die man schon aus anderen Werken kennt. Eindringlich, wie „Drive“. Spannend und intensiv, wie „Vertigo“ vielleicht. Aufregend und erotisch, wie „Black Swan“. Aber diese Vergleiche halten nicht lange stand, denn „Enemy“ nutzt diese bekannten Elemente allenfalls als Sprungbrett für seinen ganz eigenen und – ironischer Weise – unverwechselbaren Stil.

Adam ist Professor für Geschichte an einer Universität. Auch, wenn er einen gut bezahlten Job hat, wäre er sehr unzufrieden mit seinem Leben, würde es ihn nicht so furchtbar langweilen. Seine Vorlesungen sind uninspiriert und verlaufen immer nach dem selben Strickmuster, seine Freundin bringt ihm mehr Ärger, als Glück und überhaupt fehlt seinem Leben das Besondere. Im Rahmen seines Lebensstils und seiner eigenen Motivation ist es Adam allerdings unmöglich, dieses besondere Etwas zu finden. Adam weiß genau, was er tun könnte, um diesen Zustand zu ändern, doch will er es im Grunde nicht, was seinen Frust noch verstärkt. Ein Kollege macht ihn eines Tages darauf aufmerksam, dass er ihn an einen Schauspieler erinnere. Adam schaut sich einige Filme mit besagtem Schauspieler an und stellt fest, der andere Mann sieht ihm zum Verwechseln ähnlich. Aus Neugier beginnt Adam, dem Schauspieler nach zu stellen und arrangiert sogar ein Treffen. Bei diesem Treffen kommt allerdings etwas zu Tage, was Adam nicht erwartet hätte.

Regisseur Denis Villeneuve nutzt diese Story, die im Grunde ganz klaren Linien und Rahmen folgt, um einen regelrechten Trip zu entfesseln. Von Beginn an versetzt er den Film mit abgedrehten Traumsequenzen. Immer wieder taucht hier das Motiv einer riesenhaften Spinne auf, die sich durch die Häuserschluchten der Großstadt hangelt. Außerdem ist der ganze Film in blassen Gelbtönen gehalten. Dadurch wirkt alles etwas fiebrig. Ein Großteil der dichten und oft auch bedrohlichen Atmosphäre entsteht durch die fast schon gewaltige Musik. Mächtige Hörner und quälende Streicher entfesseln ein ständiges Gefühl der Aufregung.
Außerdem kostet Villeneuve immer wieder ganz bestimmte Momente besonders aus. Die Treffen der beiden Doppelgänger zum Beispiel. Oder, wenn die Frau des Schauspielers die Bedeutung der ganzen Situation zu erkennen glaubt. Dieser Moment der Erkenntnis ist unglaublich eindrucksvoll und verliert seine Wirksamkeit auch nicht dadurch, dass dem Publikum diese Erkenntnis bis zum Ende des Films verwehrt bleibt. Ist dies die Geschichte getrennter Zwillinge? Ist es Zufall? Ist es Schicksal? Der Film liefert keine Erklärung, sondern packt lieber noch ein skurriles Abschlussbild auf das Ende.

„Enemy“ ist großartige Unterhaltung. Schauspieler, Musik und Inszenierung ergeben einen stilvollen, spannenden und eigenwilligen Thriller, der im Gedächtnis bleibt. Hitchcock wäre vielleicht stolz darauf gewesen.

Enemy (Can, Esp, 2013): R.: Denis Villeneuve; D.: Jake Gyllenhaal, Melanie Laurent, Isabella Rosselini, u.a.; M.: Danny Bensi

Bundesstart: 15. Mai 2014

Montag, 17. Februar 2014

What Is Left?

Ich habe auf der 64. Berlinale viele Filme verpasst, andere jedoch nicht verpasst. In den kommenden Tagen geht es hier um die Filme, die ich in diesem Jahr auf der und um die Berlinale sehen konnte. Den Auftakt macht ein Dokumentarfilm.

Wie zufrieden sind wir mit unserer Regierung? Kaum jemand, den man fragt, wird absolut nichts daran auszusetzen haben. Steuern zu hoch, Löhne zu niedrig, zu wenig Arbeitsplätze, zu wenig Fachpersonal. Wenn uns – also dem Volk – die Regierung nicht passt, können wir sie durch Wahlen umbesetzen und dann hoffen, die neue Regierung ändert etwas an den Dingen, die uns nicht gefallen. In der Theorie klingt das relativ einfach, in der Praxis läuft das alles etwas komplizierter. Politiker stellen Programme auf, und sprechen Versprechen aus, die sie, falls sie gewählt werden, dann umgehend in die Tat umsetzen werden. Wenn die Politiker das nicht tun, werden sie bei der nächsten Wahl dann entsprechend weniger Stimmen erhalten.
Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass genau das nicht funktioniert und so passiert es, dass Politiker trotz ständiger und unverhohlener Inkompetenz über viele Jahre an der Macht bleiben. Zum Beispiel Silvio Berlusconi.

Italien vor kurzer Zeit: Neuwahlen stehen an und es hat den Anschein, es könnte dem amtierenden Präsidenten diesmal an den Kragen gehen. Doch die Alternativen sind rar. Außerdem ist das Volk unsicher, was es überhaupt noch wählen soll. Die alte Aufteilung von Links und Rechts funktioniert in einem modernen Europa nicht mehr. Darf man als Linker eine Putzfrau beschäftigen oder eine Kreditkarte benutzen? Diesen und anderen Fragen gehen die Regisseure Gustav Hofer und Luca Ragazzi nach. Sie thematisieren ihre Unsicherheit und Ratlosigkeit, um ein unerwartetes Bild des politischen Italiens dar zu zeichnen, welches letztendlich nicht nur die Situation in einem Land zeigt, sondern stellvertretend als Stimmungsbild in ganz Europa erscheint. Neben der Unsicherheit stehen aber auch die Methoden der Politiker im Mittelpunkt. So geschieht es also, dass das ganze Land einen neuen Präsidenten fordert, die ganzen Kandidaten, die in Frage kämen auf den Plan treten und niemand weiß, was man mit diesen Kandidaten anfangen soll. Die Rechten darf man nicht wählen, schließlich will man den alten Präsidenten ja los werden. Die Linken sind allesamt unmotiviert und gesichtslos. Keiner traut ihnen zu, wirklich in der Lage zu sein, das Ruder um zu werfen. Wen gibt es also noch? Ein bekannter Komiker und Kabarettist gründet seine eigene Partei und schlägt vor, die Politiker allesamt nach Hause zu schicken und das Volk lieber direkt regieren zu lassen. Die Wähler – hungrig und lechzend nach Alternativen – nehmen den Mann vielleicht ein bisschen zu ernst und wählen ihn. Diejenigen, die politisch, verantwortungsbewusst wählen möchten, können den Komiker nicht wählen, denn er meint es ja eigentlich nicht ernst. Unterdessen kündigen alle Fraktionen an, sich keinesfalls auf eine Koalition mit der Witzpartei einzulassen. Es kommt der Wahlabend und es kommt, wie es kommen muss. Der Komiker gewinnt die meisten Stimmen, die Linken verlieren und eigentlich ist klar, das Berlusconi auch nicht an der Macht bleiben wird. So bildet sich eine Koalition, die den Komiker auslässt, einen neuen Präsidenten stellt, der aber nach kurzer Zeit schon wieder zurücktritt, nur um von einem Präsidenten ersetzt zu werden, der letztendlich nur die Marionette des ganz alten Präsidenten ist. Der ganze Zirkus also nur, um letztendlich den alten immer noch auf dem Thron sitzen zu haben.

Habe ich das alles richtig verstanden? Ehrlich gesagt, weiß ich das nach Genuss dieses Filmes nicht so genau und auch der Film selbst – beziehungsweise die Off-Stimme – hegt ernste Zweifel, ob das Publikum auch nur im entferntesten verstanden hat, oder nicht noch verwirrter ist, als vor Genuss dieses Filmes. Die beiden Regisseure gehen das Thema sehr locker an und durchsetzen den Inhalt ständig mit satirischen Einwürfen. Obwohl der Film letztendlich kein echtes Mehrwissen vermittelt, bekommt man durch die Interviews, Einspieler und Bilder ein ziemlich gutes Stimmungsbild und denkt sich: „Ich verstehe zwar
nichts von Politik, merke aber, wie es in Italien läuft“. Der unterhaltsame Ton des Films bringt einen aber dazu, zu glauben, in Italien sei alles total verrückt und bei uns ist alles super. Das der Film die italienische Politik nur stellvertretend für Europäische Politik darstellt und im Grunde zeigt, wie es überall längst ist, erkennt man erst, wenn man den Kinosaal verlässt und sich gerade kopfschüttelnd über die verrückten Italiener amüsieren will. In dem Moment fällt mir der Ausgang unserer letzten Wahlen ein. Möglicherweise hatte es nicht ganz so groteske Ausmaße, wie in Italien, aber das wird schon noch kommen.

„What is Left“ ist politische Satire in Reinform. Auf der suche nach der anfänglichen Frage – nämlich, was es heißt, links zu sein – zeichnet er ein treffendes Zeitbild des politischen Italiens und zwinkert dabei so kräftig mit den Augen, dass die Intention nach der Beantwortung der titelgebenden Frage am Ende einfach weg gewischt wird. Unterhaltsam – und die Jahre werden zeigen, ob der Film nicht sogar eine prophetische Ader hatte.

What Is Left? (I, 2013): R.: Luca Ragazzi & Gustav Hofer

Bundesstart: 12. Juni 2014