Dienstag, 20. August 2013

Der zweifache Gosling # 2 - Only God Forgives

Es war eine große Überraschung, als der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn 2011 in Cannes, den Preis für die beste Regie gewann. Vorher hatte man von „Drive“ nicht viel gehört. Ein Actionfilm, der von einem Fluchtwagenfahrer handelt. Das erregte sofort Assoziationen an „The Fast And The Furious“ oder an jenen unsäglichen Nicolas Cage-Film „Drive Angry“.
Mit derartigen Filmen hatte dieses Werk aber absolut nichts zu tun. „Drive“ war spannend, intensiv, unglaublich toll fotografiert und bot neben einem neuen Stil gleichzeitig eine Verbeugung an solch Klassiker, wie „Bullit“, oder „The Driver“.
Obendrein bot „Drive“ einen Soundtrack zum Niederknien und katapultierte Ryan Gosling über Nacht an die Spitze der Liste der beliebtesten Schauspieler der letzten Jahre. Ich selbst bin immer noch der Meinung, dass „Drive“ einer der besten Filme ist, die ich je gesehen habe. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die erneute Zusammenarbeit des Duos Refn / Gosling.

Bangkok ist eine große Stadt. Eine riesige Stadt. Buchstäblich ein Moloch. Ein Ort voller Faszination und Gegensätze. Ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und Nationalitäten. Die beiden amerikanischen Brüder Billy und Julian verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit der Ausrichtung von Boxkämpfen, aber reich wurden sie durch den Verkauf von Drogen im großen Stil. Auch in Bangkok ist das illegal, aber hier funktioniert das alles ein bisschen anders. Dem ganzen liegt ein empfindliches Gleichgewicht zu Grunde. Zwischen allen Fraktionen gibt es Abmachungen und Verträge. So lange sich alle an diese Verträge halten, gibt es keine Probleme. Eines Tages taucht Billy in einem Bordell auf. Nachdem er hier nicht das bekommt, was er will, tötet er die Tochter des Bordellbesitzers. Der Polizist Chang, dessen Aufgabe es ist, das Gleichgewicht zu erhalten, tötet Billy. Das wiederum ruft die Mutter der beiden Brüder, Chrystal, auf den Plan. Da Julian offensichtlich nicht in der Lage ist, den Tod seines Bruders angemessen zu rächen, beauftragt sie ein paar Auftragskiller und setzt diese auf Chang an. Das hat allerdings fatale Folgen, denn Chang ist unterwegs, wie ein erbarmungsloser und kompromissloser Racheengel.

Als dieser Film angekündigt wurde, empfand ich alles andere , als Vorfreude. Sofort war gewiss, dass „Only God Forgives“ niemals genau so gut, oder gar besser, als „Drive“ sein kann. Dem entsprechend hoffte ich, dass Refn nicht versuchen würde, sein Meisterwerk noch einmal machen zu wollen. Aber wollte ich einen Film sehen, der ständig mit „Drive“ verglichen werden würde, aber gleichzeitig völlig anders sein musste? Die ersten Bilder ließen die Befürchtungen wachsen. Das sah mir alles zu sehr nach „Drive“ aus. Im Trailer hörte man Musik von Cliff Martinez, die ebenfalls frappierende Ähnlichkeiten zur Musik von „Drive“ aufwies. Und dann saß ich im Kino und stellte als erstes fest: „Only God Forgives“ ist völlig anders. Der gesamte Stil entspricht eher früheren Refn-Filmen, hat mich zwischendurch aber sogar an David Lynch erinnert. Goslings performative Arbeit wirkt noch reduzierter, als in „Drive“. Bis auf einen kleinen Ausraster, scheint seine Figur regelrecht apathisch durch den Film zu schweben. Selbst während der Kampfszene zeigt er keinerlei Regung. Aber auch seine Filmmutter stellt fest, dass mit ihm irgendwas nicht zu stimmen scheint. Ähnlich geartet, aber ungleich gruseliger ist sein Widerpart. Der Polizist Chang tut unfassbar grausame Dinge, ohne, dass er auch nur mit der Wimper zuckt. Ebenso undurchsichtig erscheinen mir dessen Motive. Es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, warum Chang das tut, was er tut. Selbst der treibende Motor der Handlung des gesamten Films erschließt sich mir nicht so recht. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich erst jetzt über „Only God Forgives“ schreiben kann. Im Gespräch mit einem Kollegen, stellte er fest, dass Refn einfach alles an der Geschichte im Film auf des Wesentliche reduziert. Demnach, stellt Chang den Beweis für eine – irgendwie geartete – Existenz irgendeines Gottes, oder eben dessen Rache dar. Jemand zieht sich seinen Zorn zu und wird eben  entsprechend geläutert. Ende der Geschichte! Dieses Konzept ist meiner Meinung nach aber nicht zu Ende gedacht. Gegenüber der simplen Handlung steht nämlich die komplizierte Konstellation der beiden Brüder mit ihrer Mutter. Wen stellt sie denn in diesem Gott-Gleichnis dar? Was auch immer Refn hier nun auf das Wesentliche reduziert haben mag, die visuelle Ebene des Films betrifft das nicht. Nahezu perfekt inszenierte und komponierte Bilder, lassen den Film regelrecht schweben. Größtenteils wirken sie auch eher, wie Traumsequenzen. Irgendwie unrealistisch. Dem gegenüber steht die unfassbar harte Gewaltdarstellung. Derart Schockierendes und mit einer derart kalten Beiläufigkeit ausgeübt, habe ich noch nie in einem Film gesehen. Hier ist mal wieder ein heftiger Slap an die FSK dran. Bei der ersten Prüfung hatte „Only God Forgives“ keine Jugendfreigabe erhalten. Der Verleih ging in Berufung und nach einer zweiten Prüfung wurde der ungeschnittenen Fassung ein Freigabe ab 16 erteilt. Das kann jeder so bewerten, wie es ihm angemessen scheint.

Dass alle bisherigen Filme Refns, inklusive „Only God Forgives“ nichts für schwache Nerven sind, kann man sich allerdings denken und nun muss jedem selbst überlassen sein, zu entscheiden, ob er diese Szenen ertragen kann, oder nicht. Leider sind diese Momente auch fast das Einzige, was mir im Gedächtnis geblieben ist. Dieser Film funktioniert bei mir leider gar nicht. Ich bewundere allerdings den Mut und die Konsequenz Nicolas Winding Refns. Nach „Drive“ hätte es wohl jeder verstanden, wenn er einfach noch mal das Gleiche probiert hätte.

Only God Forgives (F, THA, USA, SWE, 2013): R.: Nicolas Winding Refn; D.: Ryan Gosling, Vitnaya Pansringarm, Kristin Scott Thomas, u.a.; M: Cliff Martinez; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Kineast im Radio: Jeden Sonntag, 14 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Der zweifache Gosling # 1 - The Place Beyond The Pines


Derzeit laufen in den deutschen Kinos zwei Filme, die gleichermaßen viele Gemeinsamkeiten zu haben scheinen, aber auch unterschiedlicher nicht sein könnten. In den letzten Jahren hat sich ein Schauspieler aus den Schatten und dem Dasein des ewigen Nebendarstellers hervor gearbeitet und ist innerhalb kürzester Zeit zum Star avanciert. Ryan Gosling ist ein unglaublich cooler Typ, dem die Frauen (und auch viele Männer) zu Füßen liegen, der aber fernab von den Eigenschaften eines klassischen Sex-Symbols auf schauspielerischer Ebene immer wieder zu überraschen weiß. Ein interessanter Darsteller, dessen Karrieresprung vor allem zwei Filmen aus den letzten Jahren zu verdanken ist. Den Achtungserfolg gab es 2010 in Derek Cianfrance' „Blue Valentine“ und das zweite Standbein auf der Karriereleiter erfolgte durch Nicolas Winding Refns viel gerühmten Flim „Drive“. Jetzt ist der Londoner Schauspieler in Filmen beider Regisseure wieder da und die Erwartungen an diese Werke sind natürlich extrem hoch. Wie schon gesagt, haben beide Filme ihre Gemeinsamkeiten aber auch gravierende Unterschiede. Aber, der Reihe nach...

The Place Beyond The Pines
Luke gehört zu einer Gruppe von Fahrgeschäftsbetreibern. Zwischen Achterbahnen, Schießbuden und Zuckerwatte liefert er mit zwei Kollegen eine atemberaubende Stuntshow mit Motorrädern. Eines Tages kommt er in eine kleine Stadt, in der er vor einem Jahr bereits Station gemacht hat. Sein letzter Besuch hatte ungeahnte Folgen. Romina, ein One-Night-Stand, hat einen Sohn bekommen und Luke ist der Vater. Obwohl er gleich wieder abreisen wollte, entschließt sich der Stuntman nun, sich im Ort nieder zu lassen und für das Kind zu sorgen. Auch, wenn Romina ihm versichert, seine Hilfe nicht zu brauchen, beharrt Luke darauf, für das Kind da zu sein, weil sein Vater seinerzeit nicht für ihn da war. Luke bekommt relativ schnell einen Job in einer Autowerkstatt Hier verdient er allerdings nicht genug Geld und sein Kumpel, rät ihm, einfach eine Bank zu überfallen. Lukes Fähigkeiten als Motorradfahrer bieten die idealen Voraussetzungen für den Fluchtplan. Die ersten beiden Überfälle gelingen tatsächlich, doch beim dritten Mal geht es schief. Auf der Flucht wird Luke vom Polizisten Avery gestellt.

Die Story ruft sofort Erinnerungen an „Drive“ hervor. Stuntfahrer übt illegale Aktivitäten aus, um seiner Liebsten ein schönes Leben zu machen. Doch dem Film gelingt ein recht überraschender Umschwung, nach etwa einem Drittel der Laufzeit. Selten zuvor habe ich in einem Film einen derartigen Story-Twist erlebt, der gleichzeitig total überzeugend und stimmig vollzogen wird. Dabei kann man nicht einmal ein besonders sensibles, oder elegantes Vorgehen erkennen. Cianfrance macht das einfach und es funktioniert. Die Figuren sind, ob ihrer reinen Schlichtheit, nahezu perfekt konstruiert. Jede Figur hat eine Aufgabe in der Geschichte zu erfüllen und das tut sie auch. Alles was darüber hinaus geht, ist unwichtig. Trotzdem sind die Figuren nicht oberflächlich oder blass. Das Kunststück, Figuren auf das wesentliche zu reduzieren, ohne sie zu Platzhaltern verkommen zu lassen, ist auf verblüffende Weise gelungen. Natürlich führt man im Vorfeld Vergleiche zu „Blue Valentine“ auf, merkt aber relativ schnell, dass es da nicht viel zu vergleichen gibt. Und eben auch die befürchteten Parallelen zu „Drive“ sind schnell vergessen. Cianfrance präsentiert alles in der bekannten rohen Handkamera-Ästhetik, die man aus seinen früheren Produktionen schon kennt. Der aufreibenden Atmosphäre eines Banküberfalls und einer anschließenden Verfolgungsjagd entsprechend, wirkt dieser Stil sogar angemessener, als einem Beziehungsdrama. Hier kommt ein weitere Phänomens der Arbeit Cianfrances zum Tragen. Die Kamera ist übertrieben hart, fast schon dogmaesk. Dadurch wirkt das spröde Spiel der Hauptdarsteller aber irgendwie viel natürlicher. Gerade Ryan Goslings reduziertes Spiel wirkt dadurch noch intensiver. Da ist es fast schon ein Jammer, dass seiner Figur so – verhältnismäßig - wenig Platz eingeräumt wurde. Ich will natürlich nicht meckern und der Schritt, den Regisseur und Autoren gewagt haben. ist nicht nur mutig, sondern auch konsequent. Die Gosling-Fanboys werden sich auch wieder beruhigen, denn schließlich läuft da ja noch ein weiterer Film.

„The Place Beyond the Pines“ ist unerwartet intensiv. Angesichts der scheinbaren Banalität der Geschichte hätte ich das nicht erwartet. Die Intensität pflanzt sich fort bis zu den Figuren und zum Ende des Films erschließt sich eine simple, wie auch universelle Botschaft. Ein Film, voller Überraschungen, der den Vorgängerfilm „Blue Valentine“ in beinahe jeder Hinsicht übertrifft.

The Place Beyond The Pines (USA, 2012): R.: Derek Cianfrance; D.: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, u.a.; M.: Mike Patton; Offizielle Homepage

Kineast im Radio: Jeden Sonntag, 14 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Samstag, 10. August 2013

FlimmerCASTen # 10 - BEEF!

Wir haben es tatsächlich geschafft und präsentieren Euch voller Stolz die zehnte Ausgabe unserer kleinen Reihe. Wie es sich für eine Jubiläumsausgabe gehört, gibt es eine Battle, epischen Ausmaßes. Wir hauen uns Filmzitate um die Ohren. Und noch etwas, klassisches passiert, wie wir es in diesen Ausmaßen bisher noch nicht erlebt haben: Tonprobleme mit Antonias Spur sorgen dafür, dass ich zwischendurch ungefähr 20 Minuten alleine quatsche. Irgendwie gehört das aber auch dazu, deshalb haben wir es drin gelassen. Viel Spaß!



Was sind eure Libelingszitate? Mit welchen Zitaten könnt Ihr immer punkten, weil sie garantiert keiner errät?