Montag, 25. März 2013

Hai-Alarm am Müggelsee

Es ist passiert. Nach so vielen Jahren, die ich mich jede Woche aufs Neue ins Kino begebe und mich auf alle möglichen Filme einlasse, um dann das Kunststück zu vollbringen, innerhalb weniger Tage das Gesehene für mich im Kopf zu verarbeiten, zu einem Schluss zu kommen und das Ganze in Worte zu fassen, die das auch noch so ausdrücken, dass es möglichst jeder versteht, ist es nun passiert, dass ich nicht so recht weiß, was ich über den Film sagen soll. Es gab früher schon ähnliche Situation. „Tree Of Life“ zum Beispiel war eine Herausforderung, aber irgendwie hab ich es hingekriegt. Zumindest war ich zufrieden damit. Ähnlich gekämpft habe ich damals bei „Das beste kommt zum Schluss“. Ein Film mit zwei sehr großen Hauptdarstellern, die ich zutiefst verehre. Der Film  selbst war aber irgendwie nicht so verehrenswert. „Righteous Kill“ schlug da in eine ähnliche Kerbe. Aber immer hatte ich es irgendwie geschafft, etwas sinnvolles zu produzieren. Und nun? Keine Klarheit. Mit ratlosem Blick muss ich resigniert die Schultern zucken, wenn mich die zahlreichen Fans fragen, wie der Film denn nun ist. Wer, frage ich, wer kann dafür nur verantwortlich sein? Wieso zum Geier mache ich es mir bei diesem dämlichen Film nur so unglaublich schwer? Warum macht mich „Hai-Alarm am Müggelsee“ nur so fertig?

Krempeln wir das Ganze mal von der inhaltlichen Seite auf. Wir sind am Müggelsee und es ist ein wunderschöner Tag. Der Bademeister Michael Gwisdeck stapft ins seichte Wasser und hält seine Hand hinein, um die Temperatur zu prüfen. Als er sie wieder heraus nehmen will, sprudelt ihm ein blutiger Stumpf entgegen.
„Watt'n Ditte?“ Damit bringt er die ganze Sache auf den Punkt. Was ist das? Nun ja! Aber weiter...
Das Problem mit der Hand scheint keine Misere für den Bademeister zu sein. Sehr schnell bekommt er eine neue. Wichtiger ist, wie Friedrichshagen jetzt mit der Situation umgeht. Es ist ja auch gar nicht erwiesen, ob überhaupt irgendwas im See ist, und wenn, dann ganz sicher kein Hai. Ist ja schließlich ein süßes Gewässer. Snake Müller weiß es aber besser. Der erfahrene Hai-Jäger wurde von Hawaii abgeschoben, weil seine Greencard abgelaufen ist. Er kommt mit seinem Boot zum Müggelsee und weiß sofort, wie der Hase läuft. Allerdings nimmt ihn keiner so richtig ernst. Um eine Panik zu vermeiden, entwirft man einen Drei-Stufen-Plan. Zunächst will man niemanden mehr ins Wasser lassen, allerdings ohne, zu verraten, warum. Das funktioniert nur, so lange das Freibier reicht. Dann tritt der Besitzer des Strandbades auf den Plan und droht mit Schließung des Selben, wenn nicht sofort jemand ins Wasser geht. Das wäre vom touristischen Standpunkt aus gesehen eine Katastrophe für den Ort. Punkt zwei sieht dann vor, so zu tun, als wäre nichts passiert. Eine ziemlich riskante Herangehensweise. Schließlich ist ja der Hai im Wasser. Auch das funktioniert natürlich nicht besonders gut. Der dritte und rabiateste Schritt ist die Ausrufung des Hai-Alarm. Der wird allerdings für einen Touristengag gehalten und irgendwann ist es den Menschen von Friedrichshagen zu blöd. Sie gehen auf die Barrikaden und demonstrieren. Dem Bürgermeister läuft die Zeit davon. Er engagiert Snake Müller, den Hai zu töten. Der hat allerdings eine ganz besonders emotionale Bindung zu dem Untier.


Klingt das nicht toll? Ich meine, die Story ist ja nun wirklich nicht besonders originell, aber würde Stephen Spielberg so einen Film machen, würde das bestimmt ein absoluter Kracher werden. So klingt es schon irgendwie albern. Snake Müller am Müggelsee? Bei Spielberg würde es klappen. Spannung, atemberaubende Kamerafahrten und ein unglaublich beeindruckendes Monster. Das würde funktionieren. Und wisst ihr warum? Weil Spielberg die Sache ernst nimmt. Er kann die beklopptesten Geschichten überzeugend verfilmen, weil er die Sache ernst nimmt. Und das tun Haußmann und Regener nicht. Nüscht! Deshalb kann man auch nichts Plausibles in den Film hinein interpretieren, weil man ja davon ausgehen muss, man wird nur veräppelt. Was höre ich da? Der Film hätte voll viel krasse Gesellschaftskritik? Welche Gesellschaft denn? Die von Frtiedrichshagen, oder was? Der Film zeichnet ein knallhartes Bild unserer Kultur von totorganisierten Großbauprojekten und Wutbürgern. Ha! Ich weiß nicht genau, wofür die Bürger am Müggelsee demonstrieren. Ich glaube, sie wollen einfach nur wieder ins Wasser. Oder wenigstens Freibier. Oder Günther Jauch! Oder Ficken?
Was? Der Film transportiert herrliche Insidergags aus der Welt des Films und der deutschen Theaterlandschaft? Ja, toll! Das liegt daran, dass ein Haufen Filmschauspieler dabei sind, die schon vor 40 Jahren Legenden gewesen sind. Außerdem hat Leander Haußmann ein paar Theater-Menschen an einen Tisch gesetzt, die in einer griechischen Kneipe den Verlauf der Geschichte kommentieren. Das Problem ist nur, die kennt keiner so richtig. Und hier auf Radio Lotte schon gar nicht, denn es gibt ja keine laufende Theatersendung.  Oha! Jetzt geht’s ach bei mir los. Ich sollte wohl doch einmal zu einem Schluss kommen.
Also! Was soll ich über einen Film schreiben, der mir inhaltlich alles und nichts gibt? Soll ich die handwerkliche Seite bewerten? Mal sehen. Gute Dialoge? Gibt es nicht! Überzeugende Darstellungen von großartigen Schauspielern? Hmm. Kann man so irgendwie nicht sagen. Technisch verblüffende Details? Nein, Verdammt! Man sieht den blöden Hai nicht ein einziges Mal. Das ist natürlich mit Absicht so übertrieben schlecht gemacht und die Dialoge so bekloppt hölzern runter gerattert, dass man das unmöglich ernst nehmen kann.
Die Musik hat mir – obwohl ich absolut kein Fan von Element Of Crime bin  - ganz gut gefallen. Zumindest hat sie gepasst.

„Hai- Alarm am Müggelsee“ ist ein Film, der sich selbst und alle anderen nicht ernst nimmt. Das ist der ganze Trick. Man kann keine kosmischen Bedeutungen hinein interpretieren, weil schlicht keine da sind. Aber ein Stück weit sind sie vielleicht doch da. Nur nicht da, wo sie ganz offensichtlich zu sein scheinen. Man sollte diesen Film aber unbedingt sehen, denn meiner Ansicht nach, etabliert der sogar so etwas, wie eine neue Filmgattung. Es ist die Symbiose aus Unterhaltung und Kunst, die so irgendwie noch nie richtig funktioniert hat. Ich glaube, jeder kommt da irgendwie auf seine Kosten. Ich habe für mich übrigens gemerkt, dass der Film am besten dann funktioniert, wenn ich ihn als das betrachte, was er letztendlich auch ist: Das beste „Der weiße Hai“-Remake aller Zeiten!

Hai-Alarm am Müggelsee (D, 2013) R.: Leander Haußmann; D.: Henry Hübchen, Detlev Buck, Michael Gwisdeck, u.a.; M.: Sven Regener; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Kineast im Radio: Jeden Sonntag, 14:00 auf Radio Lotte Weimar.

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