Die Welt, wie wir sie kennen und jeden Moment unseres Lebens wahrnehmen, ist plötzlich einfach nicht mehr da. Sie wurde zerstört, und auf die eine, oder andere Art verändert. Die Ursachen dafür sind stets unterschiedlich, das hängt vom Film ab. Hab ich euch erschreckt? Ja! Es geht wirklich um Filme. Filme, die den Weltuntergang mal mehr, mal weniger pompös gestalten. Es gibt die Filme mit Krachbumm – die im übrigen richtig großen Spaß machen – und es gibt die, mit dem emotionalen Hammer – die mich in der Regel richtig fertig machen.
Der neue Film von Julian Pölsler „Die Wand“ mit Martina Gedeck, schwimmt irgendwie auf sehr merkwürdige Weise dazwischen.
Eine Frau ist bei Freunden auf der Jagdhütte in den Alpen zu Besuch. Warum sie hier ist erfährt genau so wenig, wie ihren Namen. Eines wunderschönen Tages beschließt das befreundete Ehepaar, ins Dorf zu gehen, um dort Besorgungen zu machen. Die Frau bleibt zurück, denn sie will sich ausruhen. Sie erhält Gesellschaft vom Hund der Freunde. Es wird immer später und irgendwann geht die Frau zu Bett. Am nächsten – erneut wunderschönen – Morgen stellt sie fest, die Freunde sind nicht zurück gekehrt. Also macht sie sich auf, sie im Dorf zu suchen. Sie spaziert den Weg entlang und der Hund tollt durch sonnendurchflutete Natur. Plötzlich ändert sich alles. Ein Kraftfeld, oder etwas unsichtbares – eine Wand eben – hindert sie am Weitergehen. Sie hat keine Erklärung dafür und ist gefangen. Da von außen keinerlei Hilfe zu erwarten ist, und die wenigen Menschen, die sie außerhalb sehen kann, eingefroren zu sein scheinen, geht sie vom Schlimmsten aus. Sie hat nur ein kleines Gebiet im Umkreis der Hütte für sich und sie teilt es lediglich mit dem Hund, einer Katze, einer Kuh und zahlreichen wilden Tieren.
Man kann diesen Film auf tausend unterschiedliche Weisen sehen und interpretieren. Ich liefere an dieser Stelle mal zwei davon. Die Frau ist verrückt. Sie leidet an Wahnvorstellungen, die so komplex sind, dass das alles mehr oder weniger für sie Sinn ergibt. Die Wand ist nur in ihrem Kopf da und symbolisiert ihre Unfähigkeit, den Ort zu verlassen. Das würde auch erklären, warum das Gebiet, welches sie für sich zur Verfügung hat, zufällig genau die Dinge bietet, die sie zum Überleben braucht. Nahrung, ein Dach über dem Kopf und genügend Holz, um nicht zu erfrieren. Über ihre Vergangenheit ist nichts bekannt, aber man kann vermuten, dass ihr altes Leben hinter ihr liegen soll und ihr Verstand gaukelt ihr auf diese, sehr spezielle Weise ein neues Leben vor. Die Hütte liegt in einer sehr einsamen Gegend und es könnte sein, dass den Freunden etwas zugestoßen ist, und sie deshalb nicht zurück kehren. Die eingefrorenen Menschen auf der anderen Seite der Wand symbolisieren, dass sie mit niemanden reden möchte und im Grunde die Einsamkeit bewusst sucht. Soweit, so gut. Im Laufe des Films gibt es aber einige Szenen, die diese Theorie komplett über den Haufen werfen. Das führt uns zur zweiten Interpretationsmöglichkeit. Alles ist echt und passiert genau so, wie es der Film zeigt. Es gibt dieses Phänomen der Wand tatsächlich und außerhalb ist alles tot. Sie ist der letzte Mensch auf der Welt und dementsprechend führt sie in bester Vincent-Price-Manier ein Tagebuch. Die Ursachen für diesen Zustand, oder überhaupt irgendwelche Erklärungsversuche lässt der Film indes vollkommen außer acht. Wie soll sie denn auch irgendwas wissen können, wenn sie vollkommen isoliert ist. Beide Versionen lassen aber grübeln.
Handwerklich ist der Film großartig. Er hat sofort eine ganz bestimmte Atmosphäre und die Anfangssequenz mit der wunderschönen Natur, dem herrlichen Wetter und der knalligen Popmusik aus dem Autoradio, erinnern irgendwie an die Anfangsszene aus Hanekes „Funny Games“. Man weiß von Anfang an, dass hier etwas nicht stimmt. Der Film inszeniert wunderbar langsame Bilder – absoluter Wahnsinn: das sterbende Reh – und schafft mit Hilfe der pulsierenden elektronischen Musik eine sehr dichte Atmosphäre. Der sehr schlichte Gesamtstil wird manchmal durchbrochen von recht spektakulären Spezialeffekten. Es gibt einen verblüffend aussehenden Autounfall, zum Beispiel und die Wand selbst, ist auf interessante Weise dargestellt. Nicht zu Letzt ruht alles auf den Schultern Martina Gedecks, die hier in einer wahren Meisterleistung ihre stumme One-Man-Show auf die Bühne legt.
„Die Wand“ muss vielleicht auf eine völlig andere Weise interpretiert werden, aber für mich stellt sie das Ende der Welt dar, wie es kaum ein Film bisher geschafft hat. Da gibt es wie gesagt die Haneke-Elemente und einige Einstellungen vom Wald erinnern an Lars von Trier. Aber das, was den Film ausmacht, ist das Eigene und dieser schwer fassbare Stil, der irgendwie verhindert, dass man völlig klar sagen kann, was man von diesem Film hält. Beeindruckend...irgendwie. Aber warum?
Die Wand (AUT, D, 2012): R.: Julian Pölsler; D.: Martina Gedeck, u.a.; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14:00 bis 15:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.
Sonntag, 23. Dezember 2012
Mittwoch, 12. Dezember 2012
Der Hobbit - Eine unerwartete Reise
Peter
Jackson hatte schon immer, vor Allem, einen Wunsch. Er wollte den
„Herrn der Ringe“ verfilmen, jenes Monster der zeitgenössischen
Literatur von Tolkien. Als Jugendlicher stellte er mit einer
einfachen Kamera und selbst gebastelten Puppen, wichtige Szenen aus
den Romanen nach. Der Drehort war sein Vorgarten. Der diente auch als
Schauplatz für seinen ersten Spielfilm „Bad Taste“ im Jahr 1987.
Die ersten Gehversuche als Regisseur zeugten eher weniger von Klasse.
Auch die beiden Nachfolger „Meet The Feebles“ und „Braindead“
schlugen einen sehr trashigen Ton an, der wenig ernst zu nehmen war.
Dabei weiß doch jeder, der sich ein bisschen intensiver mit dem
Entstehungsprozess eines Filmes beschäftigt hat, dass es gerade die
weniger hoch finanzierten Projekte sind, die den Einfallsreichtum und
die Kreativität heraus fordern. Mag man von Jacksons Frühwerk
halten, was man will. Ihm selbst diente es als Möglichkeit, jede
Menge Erfahrungen zu sammeln und es diente ihm auch als Geldquelle.
Jetzt zählt Jackson zu den bedeutendsten Filmemachern der letzten 20
Jahre und hat mittlerweile so viel Geld und auch Prestige angehäuft,
dass er uns ab diesem Jahr wieder jährlich ins Kino und damit nach
Mittelerde locken kann.
Es
ist Sommer im Auenland. Der ehrenwerte Hobbit Bilbo Beutlin, sitzt
gemütlich vor seiner Haustür und raucht eine Pfeife. Da taucht
plötzlich ein großer Mann mit grauem Mantel und langem Bart auf und
erkundigt sich nach Leuten, die ein Abenteuer bestehen wollen.
Pah!
Abenteuer? Woher kommst du, alter Mann? Du bist hier im Auenland.
Hier leben nur ehrbare Hobbits. Und ein ehrbarer Hobbit zieht nicht
so einfach in ein Abenteuer. Völlig absurd! Er möge sich gefälligst
verziehen!
Der
alte Mann im grauen Mantel lacht sich tot über diesen frechen
kleinen Hobbit und malt ein Zeichen an seine Tür.
Und
damit geht’s los. Der Alte ist ein Zauberer, genauer gesagt, er ist
Gandalf, der Graue.
Der
hat sich mit ein paar Zwergen zusammen getan, die für eine ganz
bestimmte Unternehmung noch einen Meisterdieb benötigen.
Die
Zwerge wollen in ihre alte Heimat zurück. Von dort sind sie vor
vielen Jahren vertrieben worden, und seitdem sehnen sie sich nach den
Schätzen ihrer Heimat. Höchste Zeit, diese Schätze zurück zu
erobern. Das Problem ist, dass sie vom Drachen Smaug beschützt
werden. Bevor man sich um den Drachen jedoch kümmern kann, muss
jedoch ein weiter Weg gemeistert werden. Und der ist voller Gefahren,
von denen betrunkene und übellaunige Trolle noch das kleinste
Problem darstellen.
Groß
war die Freude, als „Der Hobbit“ angekündigt wurde. Noch größer
wurde sie, als bekannt wurde, dass es ein Wiedersehen mit zahlreichen
Figuren aus den alten Filmen geben würde. Unbändige Freude erfüllte
mich, als vor einem Jahr die ersten bewegten Bilder in Form eines
Trailers erschienen.
Alles
sah genau so aus, wie ich es mir gewünscht hatte. Warum, zum Teufel,
hatte ich nur dieses unerklärliche Gefühl der Skepsis? Dann kamen
die nächsten Meldungen. Erst hieß es, der Film wird in einem
neuartigen Bildformat präsentiert. Der Film sollte in einer Bildrate
von 48 Bildern pro Sekunde laufen, wodurch sich ein besseres und
brillanteres Bild ergeben soll. Erste Reaktionen darauf ließen
allerdings eher befürchten, es sähe aus, wie in einer Daily Soap.
Dann kam der Hammer. Peter Jackson gab bekannt, aus dem „Hobbit“
eine Trilogie zu machen und nicht – wie angekündigt – nur einen
Zweiteiler.
Ab
jetzt war allen klar, dass Jackson nur noch ans Geld dachte und
sicher kein Interesse mehr daran hatte, einen wirklich guten Film zu
machen.
„Was
denn nun? Ist es jetzt gut, oder nicht? Sag doch endlich und hör auf
zu schwafeln!“
Ja,
verdammt nochmal. „Der Hobbit“ ist großartig. Mag Peter Jackson
Geld verdienen wollen, er gibt uns dafür wenigstens auch was. Kann
sein, dass drei Filme für diese Geschichte etwas überdimensioniert
erscheinen, ich freue mich über jeden, noch so kleinen Schnipsel aus
Mittelerde. Es kommt nichts Neues oder Innovatives in diesem Film und
alles sieht haargenau so aus, wie wir es in „Die Rückkehr des
Königs“ zu Letzt gesehen haben. Der Stil und die gesamte
Dramaturgie des Filmes entspricht dem Muster der alten Trilogie. Die
Kostüme und die Ausstattung und überhaupt alles hat man schon
gesehen. Natürlich sieht alles noch schöner aus und ist noch
bombastischer dargestellt. Und die Viecher sehen noch besser aus und
alles ist größer und weiter. Aber ist es nicht genau das, was wir
wollten? Ich jedenfalls wollte das. Ich wollte wieder einen Film, der
mich in eine unglaublich detailliert entworfene Phantasiewelt mit
nimmt. Ich wollte einen Film, der eine Geschichte schön erzählt,
die ich bereits in- und auswendig kenne. Ich wollte genau das, was da
beinahe drei Stunden zu sehen ist.
„Der
Hobbit – Eine unerwartete Reise“ ist ein absolutes Fest für die
Fans. Das liegt wohl daran, dass Peter Jackson selbst der größte
Herr-Der-Ringe-Fan der Welt ist. Gleichzeitig ist der Film aber auch
Auftakt und Neubeginn und ist auch für jene perfekt, die weder die
Bücher noch die bisherigen Filme kennen. Natürlich ist das erst der
Anfang und der Film hört dem entsprechend an einer Stelle auf, an
der die Geschichte eben erst zu einem Drittel erzählt ist. Und, dass
ich jetzt schon wieder ein ganzes Jahr warten muss, bis es endlich
weiter geht, ist einfach unfassbar. Wie soll ich das bloß aushalten?
Auch dieses Gefühl kenne ich noch sehr gut, und es ist wieder da.
Wie früher!
The
Hobbit – An Unexpected Journey (USA, NZL, 2012): R.: Peter Jackson;
D.: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, u.a.; M.: Howard
Shore; Offizielle Homepage
Der
Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14:00 bis 15:00 Uhr auf RadioLotte Weimar.
Freitag, 7. Dezember 2012
7 Psychos
Psychische Erkrankungen scheinen der neue Trend zu sein. In Deutschland erleiden jährlich ungefähr 30 Prozent aller erwachsenen Menschen eine psychische Störung. Die meisten leiden an Angststörungen und psychosomatischen Symptomen. In vielen Fällen wird eine Erkrankung zu spät oder gar nicht diagnostiziert. In derartigen Fällen kann eine psychische Störung schnell chronisch werden. Eine zunehmend verbreitete Art dieser Krankheit ist übrigens die Phobie, an einer psychischen Krankheit zu leiden. Man merkt schon, dass dieses Thema ein enormes Potential für Sarkasmus und Zynismus birgt. Vielleicht widmet sich der „Brügge sehen...und sterben“ - Regisseur Martin McDonagh deshalb einer Gruppe Menschen, die unter besonders ausgeprägten Formen, psychischer Störungen zu leiden scheinen.
Marty ist Drehbuchautor in Hollywood und weit entfernt von einem großen Karrieresprung. Trotz seines Talents, ist er abgestürzt. Das liegt wohl daran, dass er nicht in der Lage zu sein scheint, sein Leben zu organisieren. Sein Achtungserfolg liegt schon viel zu lange zurück und er hat schlicht versäumt, schnell nach zu legen. Und jetzt, als es fast zu spät zu sein scheint, leidet er unter einer Schreibblockade. An dieser Stelle kann man schon schmunzeln, denn ein Blick in die Biographie McDonaghs zeigt, dass er bis vor kurzem noch ganz ähnliche Probleme hatte. Im Film jedenfalls hat sich Marty's Kumpel Billy entschlossen, dem glücklosen Autor zu helfen. Billy verdingt sich als Kleinkrimineller. Mit seinem Freund Hans hat er eine ganz besondere Geschäftsidee entwickelt. Billy entführt Hunde und behält sie eine Weile bei sich. Wenn die Besitzer – der Verzweiflung nahe – bereit sind, dem hilfsbereiten Samariter großzügig zu belohnen, der ihren Liebling zurück bringt, betritt der nette alte Mann Hans die Bühne und spielt den großen Retter.
Eines Tages erwischt Billy den falschen Hund und entführt den Shih Tzu des Gangsterbosses Charlie Costello. Der versteht keinen Spaß und geht auf einen blutigen Rachefeldzug auf der Suche nach den Entführern. Costello ist selbst schwer gestört und verliert angesichts des Verlustes seines geliebten Hundes den Blick für das Wesentliche vollkommen aus den Augen. Billy und Hans geraten also in allerlei haarsträubende und auch nicht ungefährliche Situationen, die wiederum als perfekte Inspiration für Marty's Drehbuch dienen.
Martin McDonagh ist ein klassischer „Me Too“ - Regisseur. So werden Filmemacher bezeichnet, die sich frech bei Klassikern bedienen und auf den zusammen geklauten Haufen ihren Namen und einen möglichst knalligen Titel kleben. Okay, „7 Psychos“ ist nun ein weniger origineller Titel, was der Übersetzung geschuldet ist. Aber selbst „Seven Psychopaths“ - der englische Originaltitel – entbehrt jeglicher Originalität und birgt auch noch einen ganz gemeinen Zungenbrecher. Der Film selbst arbeitet mit recht typischen Figuren, die trotz ihrer extremen Handlungen so wirken, als hätte man sie schon mal gesehen. Man muss nicht lange überlegen und sofort fallen einem Vergleiche mit Tarantino und Rodriguez auf. Auch die spontanen Gewalteinlagen festigen den Eindruck, hier Dinge zu sehen, die man schon kennt. Immerhin gibt es ein paar nette Wendungen, einen lustigen Tom Waits und den ein oder anderen guten Dialog.
Der Soundtrack bietet eine solide Mischung aus fetzigen Funk-Tracks für die witzigen Szenen, und einem düster-melancholischen Score von Carter Burwell für die ernsteren Sequenzen.
Die etwas konfus entwickelte Story schafft es sogar, hin und wieder über die Vorhersehbarkeit der ganzen Geschichte hinweg zu täuschen.
Jetzt aber mal genug der Meckerei, denn mir hat „7 Psychos“ eigentlich ganz gut gefallen.
Zumindest hatte ich Spaß und große Freude am grandiosen Schauspielensemble. Colin Farrell spielt einen Flenner – was er aus irgendwelchen Gründen immer am besten hinkriegt – Sam Rockwell harmoniert auf herrlich unkonventionelle Weise mit einem in die Jahre gekommenen, aber nicht minder überzeugenden Christopher Walken und Woody Harrelson dreht, wieder einmal jenseits aller Sphären, vollkommen am Rad, was er ebenfalls immer am besten kann.
McDonagh packt noch einige sehr nett platzierte Zitate an Gangsterklassiker dazu und serviert noch eine fröhliche Metaebene über das Produzieren von Filmen. Es geht also um Filme im Film und suggeriert einen Blick hinter die Kulissen, den es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt. Auch dieser Einfall ist nicht neu, funktioniert aber immer und vermittelt den Eindruck, der Regisseur begibt sich auf eine gewisse Understatement-Ebene, die der Zuschauer vielleicht sogar teilt.
Letztendlich ist „7 Psychos“ die pure Unterhaltung für Erwachsene – wohl gemerkt. Das, was „Brügge sehen...und sterben“ so besonders gemacht hat, war eine poetische Melancholie, die die klassische Gangsterstory untermalt hat. Das wäre nun allerdings deplatziert gewesen, und hätte „7 Psychos“ nur unnötig schwermütig und krampfig gemacht. Stattdessen zwinkert man unentwegt mit den Augen und McDonagh hat es gerade noch einmal gemeistert. Beim nächsten Streich hilft die Devise „Besser gut geklaut, als doof selbst gemacht“ wohl nicht mehr.
Seven Psychopaths (GB, USA, 2012): R.: Martin McDonagh; D.: Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Tom Waits, u.a.; M.: Carter Burwell; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14 bis 15 Uhr, auf Radio Lotte Weimar.
Marty ist Drehbuchautor in Hollywood und weit entfernt von einem großen Karrieresprung. Trotz seines Talents, ist er abgestürzt. Das liegt wohl daran, dass er nicht in der Lage zu sein scheint, sein Leben zu organisieren. Sein Achtungserfolg liegt schon viel zu lange zurück und er hat schlicht versäumt, schnell nach zu legen. Und jetzt, als es fast zu spät zu sein scheint, leidet er unter einer Schreibblockade. An dieser Stelle kann man schon schmunzeln, denn ein Blick in die Biographie McDonaghs zeigt, dass er bis vor kurzem noch ganz ähnliche Probleme hatte. Im Film jedenfalls hat sich Marty's Kumpel Billy entschlossen, dem glücklosen Autor zu helfen. Billy verdingt sich als Kleinkrimineller. Mit seinem Freund Hans hat er eine ganz besondere Geschäftsidee entwickelt. Billy entführt Hunde und behält sie eine Weile bei sich. Wenn die Besitzer – der Verzweiflung nahe – bereit sind, dem hilfsbereiten Samariter großzügig zu belohnen, der ihren Liebling zurück bringt, betritt der nette alte Mann Hans die Bühne und spielt den großen Retter.
Eines Tages erwischt Billy den falschen Hund und entführt den Shih Tzu des Gangsterbosses Charlie Costello. Der versteht keinen Spaß und geht auf einen blutigen Rachefeldzug auf der Suche nach den Entführern. Costello ist selbst schwer gestört und verliert angesichts des Verlustes seines geliebten Hundes den Blick für das Wesentliche vollkommen aus den Augen. Billy und Hans geraten also in allerlei haarsträubende und auch nicht ungefährliche Situationen, die wiederum als perfekte Inspiration für Marty's Drehbuch dienen.
Martin McDonagh ist ein klassischer „Me Too“ - Regisseur. So werden Filmemacher bezeichnet, die sich frech bei Klassikern bedienen und auf den zusammen geklauten Haufen ihren Namen und einen möglichst knalligen Titel kleben. Okay, „7 Psychos“ ist nun ein weniger origineller Titel, was der Übersetzung geschuldet ist. Aber selbst „Seven Psychopaths“ - der englische Originaltitel – entbehrt jeglicher Originalität und birgt auch noch einen ganz gemeinen Zungenbrecher. Der Film selbst arbeitet mit recht typischen Figuren, die trotz ihrer extremen Handlungen so wirken, als hätte man sie schon mal gesehen. Man muss nicht lange überlegen und sofort fallen einem Vergleiche mit Tarantino und Rodriguez auf. Auch die spontanen Gewalteinlagen festigen den Eindruck, hier Dinge zu sehen, die man schon kennt. Immerhin gibt es ein paar nette Wendungen, einen lustigen Tom Waits und den ein oder anderen guten Dialog.
Der Soundtrack bietet eine solide Mischung aus fetzigen Funk-Tracks für die witzigen Szenen, und einem düster-melancholischen Score von Carter Burwell für die ernsteren Sequenzen.
Die etwas konfus entwickelte Story schafft es sogar, hin und wieder über die Vorhersehbarkeit der ganzen Geschichte hinweg zu täuschen.
Jetzt aber mal genug der Meckerei, denn mir hat „7 Psychos“ eigentlich ganz gut gefallen.
Zumindest hatte ich Spaß und große Freude am grandiosen Schauspielensemble. Colin Farrell spielt einen Flenner – was er aus irgendwelchen Gründen immer am besten hinkriegt – Sam Rockwell harmoniert auf herrlich unkonventionelle Weise mit einem in die Jahre gekommenen, aber nicht minder überzeugenden Christopher Walken und Woody Harrelson dreht, wieder einmal jenseits aller Sphären, vollkommen am Rad, was er ebenfalls immer am besten kann.
McDonagh packt noch einige sehr nett platzierte Zitate an Gangsterklassiker dazu und serviert noch eine fröhliche Metaebene über das Produzieren von Filmen. Es geht also um Filme im Film und suggeriert einen Blick hinter die Kulissen, den es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt. Auch dieser Einfall ist nicht neu, funktioniert aber immer und vermittelt den Eindruck, der Regisseur begibt sich auf eine gewisse Understatement-Ebene, die der Zuschauer vielleicht sogar teilt.
Letztendlich ist „7 Psychos“ die pure Unterhaltung für Erwachsene – wohl gemerkt. Das, was „Brügge sehen...und sterben“ so besonders gemacht hat, war eine poetische Melancholie, die die klassische Gangsterstory untermalt hat. Das wäre nun allerdings deplatziert gewesen, und hätte „7 Psychos“ nur unnötig schwermütig und krampfig gemacht. Stattdessen zwinkert man unentwegt mit den Augen und McDonagh hat es gerade noch einmal gemeistert. Beim nächsten Streich hilft die Devise „Besser gut geklaut, als doof selbst gemacht“ wohl nicht mehr.
Seven Psychopaths (GB, USA, 2012): R.: Martin McDonagh; D.: Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Tom Waits, u.a.; M.: Carter Burwell; Offizielle Homepage
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