Mittwoch, 28. November 2012

Cloud Atlas


Bombastverfilmungen von unverfilmbaren Büchern sind selbst nach solch grandiosen Erfolgen, wie „Der Herr der Ringe“, oder „Watchmen“ ein streitbares Thema in der Filmwelt. Immer wieder erscheinen Filme, die beim Versuch, ein schwieriges Buch zu adaptieren, kläglich scheitern. Zu den prägendsten Beispielen der letzten Jahre gehört sicher die Verfilmung von Patrick Süskinds „Das Parfüm“ von Tom Tykwer. Weder inhaltlich, noch stilistisch konnte dieser Film der Vorlage gerecht werden. Tykwer selbst ist wohl wenig vor zu werfen. So ist das nun mal, wenn man sich an unverfilmbaren Stoff heran wagt.
Sein Experimentiergeist ist jedoch längst nicht erloschen. Nun hat er sich an die Umsetzung von David Mitchells „Wolkenatlas“ gewagt, ein Buch, welches durch seine unkonventionelle Erzählstruktur hervor sticht und schon so manchen Leser – also mich – vergrault hat. Das Buch bespielt eine Zeitspanne von 500 Jahren Menschheitsgeschichte, spielt mit sämtlichen Genrefacetten der zeitgenössischen Literatur und will obendrein noch eine essentielle Botschaft über das Schicksal vermitteln, die jedem Theologen und Sozialwissenschaftler schlaflose Nächte  bescheren dürfte. Zusammen gefasst: Etwas, was ein einzelner Mensch kaum stemmen kann, weshalb Tykwer auch noch die Wachowski-Geschwister mit ins Boot holte.

Die Story ist das Hauptelement des Films und präsentiert sich sehr komplex. Los geht’s mit einem alten Mann, der in einer merkwürdigen Sprache spricht und den Anfang einer großen Geschichte erzählt. Nach einem Schnitt sind wir im 19. Jahrhundert an einem Strand und werden Zeuge, wie der junge Anwalt Adam Ewing einen Dotor kennen lernt. Eigentlich bekommt er aber bald die Schrecken des Sklavenhandels während der Besiedlungsgeschichte Nordamerikas zu sehen. Dann geht es um einen jungen und talentierten Komponisten, der mit Hilfe eines Altmeisters seiner Zunft die Karriereleiter nach oben klettern will. In den 70ern begleiten wir eine junge Journalistin, die ein großes Komplott aufdeckt. In der Gegenwart lernen wir Timothy Cavendish kennen, dem als Verleger viel Glück und später großes Pech widerfährt. Im Jahr 2144 werfen wir einen Blick in die Zukunft. Hier dreht sich alles um eine geklonte Kellnerin, die eine größere Bedeutung zu haben scheint, als sie denkt. Welche Bedeutung das ist, könnte sich in einer noch weiteren Zukunft einer nahezu steinzeitlichen Version der Erde zeigen. Hier begleitet man Zachery, dessen Glauben auf sehr harte Proben gestellt wird.
Im Zentrum jeder Geschichte steht immer entweder ein Verbrechen oder eine gute Tat, welche gravierende Auswirkungen auf die Zukunft zu haben scheinen. Ebenso hängen alle Figuren irgendwie zusammen. Die Story adäquat zusammen zu fassen, ist nahezu unmöglich, was aber nicht einer Unübersichtlichkeit zu schulden kommt, sondern einfach der schieren Masse an Erzählsträngen.

Wie kann dieser Film funktionieren? Wie können die vielen Stränge zusammen laufen, so dass man alles nachvollziehen kann? Das Buch kann man zur Seite legen und nach einer Pause das Lesen fortsetzen. Man kann im Buch zurückblättern, wenn man etwas nicht mitbekommen hat, oder sich der Zusammenhang zwischen zwei Strängen nicht sofort ergibt. Bei einem Film kann man das nicht. Hier gibt es sechs ausgeklügelte Einzelgeschichten, die irgendwie mit einander verbunden werden müssen. Tom Tykwer und die Wachowskis haben genau das tatsächlich geschafft und gemeistert. Die Story wird durch zahlreiche Schnitte voran getrieben und zu keiner Zeit im Film hat man das Gefühl, nicht zu wissen, worum es gerade geht. Die unterschiedlichen Settings sind so gut ausgearbeitet und entwickelt, dass man sich sofort wiederfindet und die Breaks werden an Stellen gemacht, die auch inhaltlich sinnvoll sind, so dass man selten lange überlegen muss, an welcher Stelle wir unterbrochen wurden. Muss man allerdings aufs Klo – was bei einer Laufzeit von fast 3 Stunden nicht ganz unrealistisch scheint – wird es schwierig. Während man sich von einem anderen Kinogast berichten lässt, was in der Zwischenzeit passiert ist, läuft der Film ja schon wieder weiter und die Handlung geht gnadenlos voran. Dieses – eher blasentechnische – Problem schlägt jedoch nicht all zu sehr ins Gewicht. Durch die dichten Schnitte bekommt der Film nämlich einen starken Flow und langweilt nicht für eine Sekunde. Technisch haben sich sowohl Tykwer mit seiner Vorliebe für eindrucksvolle Menschenbilder, als auch die Wachowskis mit ihrer Affinität zu wahren Orgasmen zünftiger Actionfeuerwerke ausgetobt und eine stimmige Mischung geschaffen. Überhaupt ist alles aus einem Guss und zeigt, dass das Drehbuch das Rückgrat des Ganzen bildet. Das Schauspielensemble zeigt eine enorme Spielfreude und Wandlungsfähigkeit, denn durch Drei- bis Vierfachbesetzungen wird ebenfalls eine Verbindung zwischen den einzelnen Elementen geschaffen. Bei einigen reicht ein neuer Bart, oder eine Perücke und schon sind sie jemand anderes. Besonders auffällig ist Hugo Weaving, der in der Episode um Timothy Cavendish einen mehr als denkwürdigen Auftritt feiert und Tom Hanks. Ich hatte in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, Tom Hanks sei fertig und hätte seine Fähigkeiten als Schauspieler einschlafen lassen. Hier nun prägt er die unterschiedlichen Charaktere nicht nur durch ein neues Kostüm oder einer bekloppten Frisur, sondern spielt total überzeugend die unterschiedlichsten Figuren. Man kann sagen, Tom Hanks allein liefert schon genug Gründe, sich diesen Film anzusehen.

„Cloud Atlas“ ist ein überaus gelungener Film. Die Message mag einen leichten Eso-Touch haben, spielt aber eigentlich keine große Rolle, da der Kern des Ganzen viel zu weit weg ist. Eine viel größere Stärke ist die komplexe Struktur des Films, die packende Inszenierung und die einzelnen Geschichten. Außerdem ist der Film in erster Linie Unterhaltung und großes Kino und Vergleiche mit dem bedeutungsschwangeren „Tree Of Life“ hinken ab der ersten Minute. Während Terence Malick tiefreliegös verankerte Ansichten über das Leben in all seiner Form auf eindrucksvolle und poetische Art und Weise inszenierte, will „Cloud Atlas“ diese Tiefe gar nicht erreichen. Vielmehr ist dieses Machwerk eine Verbeugung vor allen Filmgenres, die es überhaupt geben kann und der Beweis dafür, dass sich auch gutsituierte Hollywoodgrößen einfach mal kopfüber in ein Herzensprojekt stürzen können. Bei derartigen Aktionen sind bis jetzt auch immer die besten Filme entstanden.

Cloud Atlas (D, USA, 2012): R.: Tom Tykwer, Andy & Lana Wachowski; D.: Tom Hanks, Halle Berry, Hugo Weaving, u.a.; M.: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer; Offizielle Homepage

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Montag, 26. November 2012

3 Zimmer/Küche/Bad

Es ist eine Frage universeller Bedeutung und seit unzähligen Generationen wird diese Frage von unzähligen Elternpaaren gestellt. Ab einem gewissen Alter, welches ihre Sprößlinge erreichen, sind sie jedoch außer Stande, diese Frage zu beantworten: Wie ticken meine Kinder? Interessant ist natürlich, dass sich bestimmte Genrationsmerkmale und Klischees erst im Nachhinein heraus kristalisieren. Ich, zum Beispiel, weiß nicht, welcher Generation man mich später dazu rechnet. Vielleicht erkenne ich es irgendwann selbst. In vielen Filmen und anderen Abhandlungsformen wird versucht, ein bestimmtes Bild einer Generation zu zeichnen. Meistens arbeitet man dann mit recht überzeichneten und unrealistischen Bildern, und prügelt sozusagen mit dem Vorschlaghammer auf Eigenschaften ein, die keiner Generation angehören. Ironischerweise werden dadurch manchmal neue Generationseigenschaften etabliert. Dieser Tage gibt es einen kleinen deutschen FIlm, der ein überaus passendes Bild der Generation der Studenten Mitte 20 abbildet, die ständig und ununterbrochen umziehen. Und zwar in Berlin.

In einer liebenswert-chaotischen Studenten-WG ist man früh auf den Beinen. Philips beste Freundin Dina will mal wieder umziehen und ihre Freunde haben ihr versprochen, zu helfen. Bevor es losgeht, muss Philip ihr erst einmal helfen, den zu geparkten Umzugslaster zu befreien. Beim Umzug lernt Philips ältere Schwester Wiebke den gut aussehenden Michael kennen. Der ist total charmant und sie verliebt sich sofort in ihn. Nach einer romantischen Nacht am See sagt er ihr allerdings, dass er eigentlich gar keine Beziehung will. Sie akzeptiert das zähneknirschend, weiß aber noch nicht, dass er in Wirklichkeit schon eine Beziehung will, allerdings mit Dina. Philip hilft unterdess seiner kleinen Schwester Swantje beim Umzug nach Stuttgart und holt seine Freundin Maria nach Berlin. Hier wollen Jessica und Thomas die WG verlassen und endlich mal zusammen ziehen. Das freie Zimmer soll Maria bekommen. Doch da geht was schief und das Zimmer ist doch nicht frei. Außerdem merkt Philip, dass ihm Dina viel wichtiger geworden ist. Es ngibt zahlreiche Trennungen mit Herzschmerz und unvermeidliche Abhandlungen über Diestelmeier und das Scannen.

Dieser Film ist unterhaltsam. Lässt man mal den Eindruck der ersten Minuten bei Seite, dass alle Figuren der aktuellen H&M-Kampagne entsprungen zu sein scheinen und dass ich, als nicht eben glühender Verfechter aktueller deutscher Pop-Liedkunst, von den Sternen begrüßt werde, erkennt man schnell einen enorm hohen Spaßfaktor. Es sind lustige Situationen, die jeder irgendwie aus dem Alltag kennt, die das Ganze so zugänglich machen. Insgeheim amüsiert man sich hier über Dinge, die man oft auch bei sich selbst feststellt. Jeder kann irgendwie sagen: Der eine Typ erinnert mich an jemanden, den ich kenne. Neben diesen kleinen charmanten Witzchen gibt es noch zwei Hauptaspekte, die den Film prägen. Zum einen läuft der Film an manchen Stellen zu regelrechten Gagfeuerwerken und total skurrilen Sequenzen auf, die jeder waschechten Komödie gerecht werden könnten. Dann gibt es plötzlich enorm tragische Passagen, die wohl suggerieren sollen, dass das Leben nun mal so ist, wie es ist und auch traurige Kapitel schreiben kann.
Das alles plättschert in einer enorm lockeren Runde beinahe zwei Stunden dahin. Die größte Stärke des Films ist eindeutig die Performance. Sowohl technisch zeigt der Film nahezu perfektes Handwerk, als auch bei der Leistung der Schauspieler. Die wirken alle, bis auf wenige prägnante und absichtlich überzeichnete Momente total natürlich und eben so, als ob man diesen Menschen jeden Tag an der Uni, oder im Park, oder an Orten, an denen sich die coolen Leute mit ihren Cliquen heutzutage so treffen, begegnen könnte.
Passend zu zahlreichen Klischees ist natürlich auch die schon erwähnte Musik. Schon des Öfteren habe ich unverständlich Leute beobachtet, die mit verklärtem Blick zu den fast schon dadaistischen Versen eines Peter Licht oder eben Jochen Diestelmeier lauschten und anschließend stundenlange Diskussionen über Poseie und Ästhetik führten. Dieses Klischee wird mit großem Augenzwinkern auf die Schippe genommen und es wird eine sehr überzugende Erklärung geboten, wie man den Text eines Sterne-Songs eigentlich zu verstehen hat.

"3 Zimmer/Küche/Bad" möchte sich hinter einer großen Botschaft über das Leben und den Lauf der Dinge und über die große Liebe und überhaupt allem, was die Generation der mittellosen, aber coolen Studenten so bewegt, verstecken. Der Rahmen und die durchaus unterhaltsamen witzigen Einsprengsel lassen diesen gigantischen Messagebrocken aber zurück treten und das eigentlich Thema verkommt etwas zur Oberflächlichkeit. Das macht aber gar nichts, denn man hat viel Spaß und kommt teilweise aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ein kleines Stück, netter Film, den man aber keineswegs überbewerten sollte.

3 Zimmer/Küche/Bad (D, 2012): R.: Dietrich Brüggemann; D.: Jacob Matschenz, Anna Brüggemann, Robert Gwisdek, Corinna Harfouch, u.a.; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 14. November 2012

Skyfall

Er ist ein Phänomen der Popkultur – was auch immer man darunter versteht. Er ist der strahlende Held der freien Welt. Er ist stets eine Momentaufnahme der realen Welt und ein Spiegel, der uns auf eine gewisse naive und unterhaltsame Weise vorgehalten wird. Er ist außerdem der Albtraum aller Feministinnen weltweit. Er ist ein verdammter Chauvinist – aber kann der küssen...
Er ist gleichzeitig die längste und ambitionierteste Filmreihe aller Zeiten. Nun – nach vier langen Jahren – ist er wieder da. Der Mann, der seinen Namen nicht sagen kann, ohne, dass jedes Mal smoother 60s Jazz angespielt wird: Bond – James Bond...

Agent 007 ist mit einem heiklen Auftrag betraut worden. Er muss verhindern, dass eine Liste mit den Namen aller Geheimagenten gestohlen wird, die sich in terroristische Organisationen einschleusen konnten. Dieser Auftrag führt ihn an einen absurd-abwegigen Ort und so muss Bond den flüchtigen Dieb durch Istanbul verfolgen. Während die beiden Kontrahenten mit Motorrädern über die Dächer der Stadt brausen, sitzt M in der Zentrale und verfolgt die Ereignisse über Funk.
Bonds Kollegin Eve ist ebenfalls vor Ort und bildet den Backup – falls etwas schief geht. Und es geht schief. Bond stellt den Dieb auf dem Dach eines Zuges und es sieht ganz so aus, als ob er den Kampf diesmal verlieren würde. M wird das Risiko zu hoch und sie befiehlt Eve, zu schießen, obwohl kein eindeutiges Schussfeld besteht. Noch mehr geht schief und der Bösewicht wird verfehlt. Stattdessen wird Bond getroffen, der darauf hin in eine tiefe Schlucht fällt und für tot erklärt wird.
Kurz darauf geschieht etwas unfassbares. Der Verschlüsselungscode für die Liste mit den Namen, der sich ausschließlich auf M's persönlichem Computer befindet, wird geknackt und die Zentrale des MI6 wird durch einen Bombenanschlag zerstört. M muss sich nun vor der Regierung rechtfertigen und gerät zunehmend unter Druck. Außerdem muss sie die ersten Spuren zu den Tätern verfolgen. Offensichtlich steckt der mysteriöse Silva hinter den Angriffen und der scheint seinen Gegnern immer einen Schritt voraus zu sein. Es sieht recht finster aus für den MI6; da taucht James Bond wieder auf...

Nachdem James Bond durch die späteren Teile mit Pierce Brosnan eine ausgeprägte Talfahrt absolviert hat, war die Neukonzeption des smarten Geheimagenten ein echter Segen. Daniel Craig entwickelte einen Bond mit Ecken und Kanten, der hart und kompromisslos mit ebenso kompromisslosen Schurken um die Geschicke der Welt und um sein eigenes Seelenheil kämpft. Der neue Bond wurde nämlich mit extrem emotionalen Situationen konfrontiert, mit denen sich ein Sean Connery nie herumschlagen musste. Diese recht einfachen und klischeehaften Storykniffe reichen aber aus, um eine überraschende Tiefe dieser bisher recht oberflächlichen Figur zu schaffen. Hinzu kommt eine tragische Note, die man bei bisherigen Abenteuern des Agenten auch nicht kannte. Das Ganze hat einen nüchternen und auf das Wesentliche reduzierten Rahmen und bot so einen perfekt konstruierten und super spannenden Agenten-Thriller.
Nach diesem überraschenden Reboot kam ein schwacher Nachfolger. Dessen Defizite wurden auf die Produktionsschwierigkeiten und dem Autorenstreik zurück geführt. Das kann nun keine Entschuldigung mehr sein, denn auch „Skyfall“ hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Zunächst drohte die Pleite des Studios MGM. Anschließend wurde das Budget enorm zusammen gestrichen und dann wurden längst erteilte Drehgenehmigungen in Indien wieder entzogen. Der oscarprämierte Regisseur Sam Mendes ging es souverän an und man merkt dem fertigen Produkt keinerlei Querelen oder Schwierigkeiten beim Entstehungsprozess an. Ganz im Gegenteil: „Skyfall“ ist nahezu perfekt inszeniert. Hier erlebt man sofort das meisterliche Können eines Regisseurs, der seinen eigenen Stil in zahlreichen Filmen prägen konnte, die mit James Bond überhaupt nichts zu tun hatten.
Mendes' Filme waren immer sehr tragisch und von sehr gut konstruierten und starken Figuren geprägt. Es war nicht ganz klar, ob dieser Stil bei James Bond funktionieren würde, ohne die Fans der klassischen Variante zu verschrecken. „Skyfall“ ist nun genau das geworden: Ein Film, versetzt mit liebevollen Zitaten und Querverweisen auf die klassischen Filme und voll mit tragischen Momenten. Weder die Einführung eines neuen Q's, noch die Beleuchtung von Bonds tragischer Kindheit, wirken dabei bemüht oder krampfhaft.
Neben der gut inszenierten und platzierten Action, nimmt sich der Film viel Zeit, um die Charaktere zu entwickeln. So dauert es ein gutes Drittel des Films, bis Bösewicht Silva – grandios: Javier Bardem – das erste Mal auftaucht. Wirkte ein LeChiffre damals beim ersten Auftritt noch ein bisschen übertrieben – und mit seinem künstlichen Auge, der Narbe im Gesicht und dem Asthmaspray, wie die Reinkarnation aller bisherigen Bondschurken in einer Person – braucht es bei Silva nur eine einzige, geniale Einstellung, um alles über diese Figur zu erfahren. Das Verhältnis zwischen Bond und M wird extrem wirkungsvoll dargestellt, durch einige wenige Nahaufnahmen von Gesichtsausdrücken.
Das sind die Unterschiede und in diesen Momenten zeigt Sam Mendes, fast schon gönnerhaft, wie man es richtig macht. Und – sozusagen als Zugabe – liefert er den spektakulärsten Showdown der kompletten Reihe.

Ich bin von „Skyfall“ begeistert. Es ist ein Film, der mir einfach in jeder Hinsicht gefällt. Mehr Lob geht nicht und mehr kann ich dazu wohl nicht mehr sagen. Von vorne an zu fangen, wäre wohl wirklich unnötig...

Skyfall (GB, 2012): R.: Sam Mendes; D.: Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, u.a.; M.: Thomas Newman; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 8. November 2012

Lore

Die deutsche Geschichte weist mehr als einen unschönen Aspekt auf. Jeder weiß zum Beispiel sofort, worum es geht, wenn man von „dunklen Kapiteln“ spricht. Der zweite Weltkrieg und die Schrecken rund um dieses weltumfassende Gemetzel, wurde ausführlich in zahlreichen Filmen aufgearbeitet. Auch die deutsche Filmlandschaft konnte einige sehr gute und ernsthafte Filminterpretationen bieten, die durch ihre Machart und sensible Herangehensweise durchaus zu beeindrucken wussten und im Gedächtnis haften bleiben.
Während der zweite Weltkrieg an sich oft filmisch dargestellt wurde, man sich sogar an den Brocken über Hitlers letzte Tage heran gewagt hat – und ganz nebenbei, recht überzeugend eingefangen hat – gibt es noch einige historische Kapitel, an deren Re-Inszenierung sich bisher kein deutscher Regisseur getraut hat. Die australische Regisseurin Cate Shortland hat sich eines sehr schwierigen Teils der historischen Aufarbeitung angenommen und erzählt nun die bewegende Geschichte von „Lore“

Süd-Deutschland, 1945. Der Krieg ist vorbei und das Land ist vollkommen zerstört. Die Besatzungstruppen der Alliierten, Franzosen und der Russen sind einmarschiert und haben das Land in Sektoren aufgeteilt. Währen sich die Besatzungstruppen vorerst nur um Soldaten und andere Militärs kümmern, muss die Bevölkerung erst einmal alleine klar kommen. Lore lebt mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter in einem großen Gehöft im Schwarzwald. Ihr Vater ist ein ranghoher Nazigeneral und wird trotz eines Fluchtversuchs von amerikanischen Soldaten verhaftet. Nachdem auch Lores Mutter abgeholt wird, muss die älteste Tochter selbst die Verantwortung über die Familie übernehmen. Sie merken schnell, dass sie nicht da bleiben können, wo sie sind, da hier viele Menschen wissen, wessen Tochter sie ist. Sie sieht nur einen Weg: Sie muss zur Großmutter nach Hamburg fliehen. Sie schnappt sich die Geschwister und macht sich zu Fuß auf den Weg. Ihre Reise führt sie durch ein zerstörtes Land voller Elend und Grauen. Vor allem die Bewohner des Landes gehen nicht besonders zimperlich miteinander um. Lore ist hin und her gerissen, zwischen ihrer eigenen anerzogenen Überzeugung und dem nackten Überlebenswillen.

„Lore“ ist ein echter Brocken. Schonungslos wird gezeigt, was in Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit los gewesen sein muss.  Das Land entpuppt sich nämlich innerhalb kürzester Zeit als gnadenlose Outlaw-Zone, in der es nur um das Überleben geht und der größte Feind, ist der Mensch. Und zwar der Mensch, der jahrelang dein Nachbar oder dein Freund war. Diese bedrohliche Atmosphäre wird bereits in den ersten Minuten des Films geschaffen und hält die komplette Zeit an. Der Film zeigt auch, zu welchen enormen Taten man fähig ist, wenn es tatsächlich um nichts anderes geht, als zu überleben. Viele Dinge wirken erschreckend authentisch. Lore ist mit ihren vier Geschwistern alleine unterwegs. Sie haben auch noch ein Baby dabei und dieses Baby avanciert immer häufiger zum Schlüssel. Zum Beispiel wollen immer wieder Mitmenschen das Baby zum Tausch gegen Lebensmittel haben. Mit einem Baby auf Arm bekommt man leichter Obdach, Essen und andere Dinge. Andere Szenen mit angedeuteten Vergewaltigungen und Hinrichtungen von Flüchtigen an Kontrollpunkten, lassen den allgemeinen Schock noch tiefer sacken. Interessant ist, dass man viele derartige Szenen aus einer ganz anderen Art von Filmen kennt. Die Darstellung einer postapokalyptischen Welt ist stets wichtiger Bestandteil von Zombiefilmen. Diese Zombiefilme versinnbildlichen eine der größten Ängste der modernen Gesellschaft: Die Angst vor dem absoluten Kontrollverlust und der Horror einer völlig aus dem Ruder laufenden Gesellschaft. Selbstverständlich braucht es keine Zombies, um diesen Zustand zu erreichen. Dass diese Motive nun in einem historischen Film auftauchen, macht sie noch beängstigender, denn sie haben nicht mehr die Distanz der Utopie. Sie sind echt. Vielleicht liegen sie in der Vergangenheit, aber sie sind echt.
Dass Shortland sich für diesen Stil entschieden hat, macht „Lore“ total beklemmend und beängstigend. Vielleicht war ihr das düstere Gesamtbild ihres Werks selbst zu hart, denn sie versucht oft, die Atmosphäre mit künstlerisch anmutenden Einsprengseln aufzulockern. So sieht man manchmal Nahaufnahmen von summenden Insekten, oder Zeitlupenshots von herabfallenden Laubblättern. So schön diese Bilder sein mögen, sie wirken deplatziert. Psychologen würden möglicherweise ihre wahre Freude an diesen Szenen haben, stellen sie wohl das Bedürfnis der Regisseurin dar, angesichts all der Schrecken einfach an etwas Schönes zu denken. Und dieses Bedürfnis verspürt der Zuschauer ebenfalls sehr stark.

„Lore“ ist harter Stoff und man vergisst durch das ganze Grauen dieser schwierigen Zeit, die Qualitäten des Films zu würdigen. Saskia Rosendahl zum Beispiel ist absolut beeindruckend, nicht nur weil sie hier ihre erste Spielfilmrolle souverän meistert. Der Film hingegen glänzt durch schonungslose Ehrlichkeit, die der Zuschauer teilweise schwer verkraften kann und genau so geht es mir mit dieser Zeit. Ich weiß fast nichts darüber, denn meine Großmütter und -väter, die diese Zeit  mit erlebt haben, schweigen bis heute.

Lore (D, 2012): R.: Cate Shortland; D.: Saskia Rosendahl, Ursina Lardi, Kai-Peter Malina, u.a.; M.: Max Richter; Offizielle Homepage

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Freitag, 2. November 2012

Robot & Frank

Das alt sein und älter werden scheint in letzter Zeit viele, der Filmlegenden zu beschäftigen. In diesem Jahr durften wir schon mit Bill Nighy und Judi Dench ins „Best Exotic Marigoldhotel“ reisen und Pierre Richard stellte seinen Altersgenossen die bedeutende Frage „Und wenn wir alle zusammen ziehen?“
Frank Langella und Susan Sarandaon setzen sich ebenfalls auf recht klassische Weise mit dem Thema auseinander, in einem Film, der aber einen erfrischend anderen Rahmen bietet.

In ein paar Jahren sieht es in der Welt ein bisschen anders aus. Die moderne Technik, die wir heute bereits kennen und nutzen, wurde weiter entwickelt. Die Digitalisierung des Lebens hat Einzug erhalten. So gibt es zum Beispiel kaum noch Bücher und Autos mit Benzinmotoren besitzen nur noch nostalgischen Wert. Frank ist ein ehemaliger Meisterdieb in fortgeschrittenem Alter. Er lebt vereinsamt, denn durch seine räuberischen Tätigkeiten in der Vergangenheit, musste er auch einige Jahre in Gefängnissen verbringen. Seine Frau hat ihn verlassen und der Kontakt zu seinen mittlerweile erwachsenen Kindern, ist lückenhaft. Frank pflegt keinen besonders ausführlichen sozialen Umgang. Lediglich die Bibliothekarin Jennifer bringt ab und zu ein Lächeln in sein Leben. Doch die Bibliothek soll demnächst geschlossen werden und in ein digitales Zentrum für jugendliche umgewandelt werden.
Eines Tages kommt Franks Sohn Hunter zu Besuch und ist entsetzt über den Zustand des Hauses. Er ist der Meinung, Frank kann nicht mehr alleine leben und kauft seinem Vater einen Pflegeroboter. Frank ist ganz und gar nicht begeistert und würde die Maschine am liebsten in Stücke schlagen. Aber Frank stellt bald fest, dass der Roboter mehr auf dem Kasten hat, als zunächst gedacht. Von neuem Enthusiasmus gepackt, beginnt Frank einen neuen Coup zu planen. Zusammen mit dem Roboter.

Als ich das Plakat zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, es sei ein Scherz. Ein alter Mann rennt mit einem Roboter durch die Gegend, der aussieht, als sei er dem finstersten Fiftys-Sci-Fi-Streifen entsprungen. Billiger geht’s ja wohl nicht und überhaupt kann das ja nur eine absolut dämliche Geschichte sein. Ich bin eben gerne im Meckermodus und steigere mich auch gerne vollkommen ungerechtfertigt in solche Sachen rein. Es macht eben einfach Spaß und wisst Ihr, was das Schönste daran ist? Wenn der Film, über den man sich im Vorfeld so aufgeregt hat, plötzlich doch wunderschön ist. „Robot & Frank“ ist cool. Die Figuren sind sehr charmant und gründlich entwickelt, aber dennoch ganz klar gezeichnet. Es gibt keinerlei unnötige Zwiste in deren Geschichten, sie entsprechen aber auch nicht irgendwelchen oberflächlichen Klischees. Die Story folgt einer sehr geraden Linie, ohne zu vorhersehbar zu sein. Was den billigen Roboter angeht, staunte ich ganz schön große Bauklötze. Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem Roboter im Film nicht um einen Menschen in einem billigen Kostüm, sondern um einen echten Roboter. Zumindest in den Szenen, in denen die Maschine läuft und Türen öffnet, scheint ein Programmierer die Abläufe eines echten  Roboters entwickelt zu haben. Das macht dieses ungleiche Duo total plastisch und es wirkt nicht mehr unglaubwürdig oder unrealistisch. Besonders schön ist, dass mit dem – nicht zu Letzt durch Hollywood verbreiteten – Klischee eines mordenden Killerroboters, der alle Menschen töten will, aufgeräumt wird und wir wieder den ursprünglichen Bestimmungszweck der Roboter als Helfer für die Menschen beobachten dürfen. Und in diesem Stil wirkt es absolut wahrscheinlich, Roboter als Helfer für gebrechliche und kranke Menschen zu nutzen. Diese Roboter werden nie genervt sein, sich um jemanden zu kümmern. Auf diese Roboter kann man sich vollkommen verlassen und nichts wird sie je davon abhalten, ihre Aufgabe zu erfüllen. Eine sehr angenehme Vorstellung, wenn man bedenkt, dass die sozialen Kanäle in der modernen Gesellschaft zunehmend verkümmern.

„Robot & Frank“ ist aber ein Film, der nicht überbewertet werden sollte und sich auch nur in einem entsprechendem Rahmen bewegt. Susan sarandon und Frank Langella sind souverän und überzeugend. Besonders positiv ist mir Liv Tylor als völlig überzogene Weltverbesserin aufgefallen. Ein bisschen ausgeflippt und ihre schwebende Rolle als Elbenprinzessin gekonnt aus Korn nehmend, hat sie mich wieder etwas versöhnt und das ein oder andere Schmunzeln entlockt.

Robot And Frank (USA, 2012): R.: Jake Schreier; D.: Frank Langella, Susan Sarandon, Liv Tyler, u.a.; M.: Francis and the lights; Offizielle Homepage

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