Freitag, 24. Februar 2012

Die Oscars 2012

Es ist wieder so weit. Zum 84. Mal werden am kommenden Sonntag in Los Angeles die begehrten goldenen Trophäen verliehen und die Creme de la Creme der amerikanischen Filmindustrie wird aufgetakelt und gut gelaunt über den roten Teppich flanieren. Insgesamt scheinen die Acadamy Awards einen Teil ihrer Bedeutung eingebüßt zu haben. Das Interesse scheint zum einen verflogen zu sein und die Show wird von Jahr zu Jahr lahmer. Letztes Jahr wurde mehr über die Garderobe von Anne Hatheway und die dümmlichen Witze von James Franco diskutiert, als über die auszuzeichnenden Filme.
Die Oscars stehen zum anderen längst nicht mehr nur für Qualität in Filmen. Oft werden Filme nicht honoriert, die für die Amerikaner unbequeme Themen abhandeln. Oft ist die Verleihung selbst eine Hollywood Schnulze. Das ganze entbehrt nicht einer gewissen Vorhersehbarkeit. Zum Beispiel war vollkommen klar, dass Heath Ledger im Jahr 2009 den Oscar für die beste Nebenrolle in „The Dark Knight“ posthum erhält. Einfach, weil die ganze Klischeekiste so herrlich hollywoodlike war. Der sympathische Nachwuchsschauspieler, der in einem Batmanfilm die Herausforderung seiner Karriere findet, stirbt wegen des Stresses und der seelischen Nachwirkungen der Dreharbeiten. Huch! Plötzlich merken alle, was für ein fantastischer Schauspieler er ist. Leider werden einige andere Schauspieler übersehen, die in der selben Saison mindestens genau so gut gespielt haben, ohne dabei drauf zu gehen. Josh Brolin hätte als Lebender wesentlich mehr mit der Auszeichnung anfangen können.
Egal. Das ist lange her und nach der Oscar-Verleihung ist vor der Oscar-Verleihung. Soll heißen, wir fiebern trotzdem dem kommenden Sonntag entgegen und um das Fiebern zu verstärken, schaue ich heute mal, was uns denn alles erwartet, wenn wir uns schon die Nacht um die Ohren schlagen.

Unter dem Sternenhimmel der wichtigsten Hochburg der amerikanischen Filmszene, wird die 84. Oscar-Verleihung in diesem Jahr von Billy Crystal moderiert. Das finde ich gut, denn es ist schon ein paar Jahre her, dass er zu Letzt im Kino zu sehen war.
Im Vorfeld gab es diesbezüglich natürlich auch wieder zahlreiche Eklats. Brett Ratner sollte die Show eigentlich produzieren, konnte sich aber in zahlreichen Fernseh- und Radioshows nicht ganz zusammen reißen und behauptete beispielsweise, dass Proben am Set nur was für Schwuchteln seien, worauf hin sich Ratner im Visier der Presse und der gesamten Gay-Szene der USA sah. Zusätzlich beleidigte er die Moderatorin einer TV-Talksendung und plauderte bei Howard Stern ungezwungen über sein Sex-Leben. Der Druck wurde immer größer und Ratner sah sich schließlich gezwungen von seinem Posten als Produzent der 84. Oscar-Verleihung zurück zu treten. Aus Solidarität stieg sein Moderator Eddie Murphy auch gleich mit aus. Die Wartelisten für Produzenten der Show sind unglaublich lang, weshalb auch fix entsprechende Nachfolger gefunden wurden. Brian Gazer und Billy Crystal also. Wen kümmert's, wer die Show produziert. Letztendlich läuft es ja in jedem Jahr auf das Selbe hinaus. Ein Haufen Stars, von denen ein paar einen Preis kriegen, anschließend versuchen, eine Dankesrede zurecht zu stottern und dann verziehen sie sich wieder.

Das alles hat mit den Filmen überhaupt nichts zu tun. Das ganze drum herum ist aber nun mal das Wichtigste an der ganzen Schose.
Schauen wir jetzt endlich mal auf die Liste der Nominierten.
In dieser Saison gab es einige Filme, die mit Konventionen getrotzt haben und durchaus mutige Experimentierfreude an den Tag gelegt haben. Ganz oben steht „The Artist“, der schon als größter Favorit in diesem Jahr gehandelt wird. Der Stummfilm versteht sich als Hommage an das Kino der 20er Jahre und dokumentiert die größte Umwälzung, die das Medium bisher durchlaufen hat – vom Stummfilm zum Tonfilm. Das gewagte Konzept geht voll auf und „The Artist“ hat gute Chancen auf die begehrte Auszeichnung und wird wahrscheinlich auch den Regie-Oscar einstreichen. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der neue Film von Martin Scorsese, der mit „Hugo Cabret“ eine Persiflage an alte Filmklassiker auf eine recht verblüffende Art und Weise produziert hat. Zu den überraschenden Titeln gehört auch der letzte Film von Terrence Malick „Tree Of Life“. Diese drei Filme haben meiner Meinung nach die größten Chancen auf den Preis „Bester Film“.

Als beste Hauptdarsteller sind auch einige Vertreter nominiert, die bisher noch nie in dieser Liste aufgetaucht sind, Brad Pitt beispielsweise. Ich tippe allerdings auf George Clooney und Meryl Streep als Gewinner. George Clooney ist einfach unglaublich beliebt beim amerikanischen Publikum und beweist obendrein, dass er ein vielseitiger Darsteller ist und dennoch sein Image als gut aussehender Playboy aufrecht erhalten kann. Dies ist seine fünfte Nominierung und einen Oscar hat er bereits 2006 für „Syriana“ erhalten. Meryl Streep ist da ein etwas anderes Kaliber. Ihre Laufbahn als Schauspielerin ging verhältnismäßig spät los. Im Familienepos „Das Geisterhaus“ spielte sie in Gesellschaft eines sagenhaften Casts und ging deshalb vielleicht etwas unter. Es folgten solide Auftritte, etwa mit Robert Redford in „Jenseits von Afrika“. Der richtige Durchbruch schien erst vor ein paar Jahren gekommen zu sein. In „Der Teufel trägt Prada“ eroberte sie die Massen im Sturm. 2008 war ihr Jahr mit „Mamma Mia“ und „Glaubensfrage“. Sie war eine der ersten Schauspielerinnen, die im gleichen Jahr einen Oscar und eine goldene Himbeere erhielt. Jetzt beweist sie als „Eiserne Lady“, dass sie selbst enorm komplexe und stark geprägte Figuren, wie Maggie Thatcher enorm überzeugend darstellen kann. Sei der Film, wie er sei, aber an Meryl Streep ist nichts auszusetzen. Mit beiden Formaten – sowohl sympathisches Familiendrama, wie auch Biopic - können die Amis übrigens immer sehr viel anfangen, was auch stets eine gewisse Rolle spielt, wenn es um die Vergabe der Preise geht.
Waren das schon die wichtigsten Kategorien? In der Königsdisziplin der deutschen Filmindustrie ist diesmal kein deutscher Film dabei. Als bester fremdsprachiger Film ist unter anderem der belgische Film „Bullhead“ dabei. Der düstere und gleichermaßen faszinierende Thriller um einen Viehzüchter, der an eine Bande von Verbrechern gerät, ist allerdings wohl chancenlos. Zu böse und hart für die zartbesaiteten Amis. „Bullhead“ wahrscheinlich eher ist dazu verdammt den Gesetzmäßigkeiten des Remakes zum Opfer zu fallen.
Der Auslandsoscar geht wahrscheinlich in den Iran. „Nader & Simin“ handelt vom Leben in der iranischen Gesellschaft. Es geht um ein Ehepaar, welches sich scheiden lassen will. Dass das nicht so unkompliziert abläuft ist klar. Der Film übt eine sehr deutliche Kritik an der Gesellschaft und wurde im Iran zeitweise verboten. Obwohl es derzeit gewisse Spannungen zwischen den USA und dem Iran gibt, hilft dieser Film, das fremde Land kennen zu lernen und funktioniert so ähnlich, wie seinerzeit „Das Leben der Anderen“. Die amerikanischen Zuschauer und Kritiker lieben es sozusagen, sich die Augen öffnen zu lassen, nur um sich letztlich in ihrer Meinung über ein Unrechtssystem bestätigt zu fühlen.

Zum Ende noch der obligatorische Aufreger. Ein Film, der mir sehr am Herzen liegt, und meiner Meinung nach viel mehr Beachtung – sprich Nominierungen – verdient, heißt „Drive“. Der coolste Film der letzten Jahre. Die Story ist so kreativ, wie ein Körnerbrot, aber der Stil und das gesamte Machwerk ist unglaublich innovativ, intensiv und toll und großartig. „Drive“ ist lediglich in der Kategorie für den besten Sound nominiert. Durchaus gerechtfertigt, aber wen interessiert denn diese kleine Kack-Kategorie?

Egal. Am kommenden Sonntag kommen die Oscars unter die Leute und die Spekulationen nehmen ein Ende. Zumindest bis zum nächsten Donnerstag. Ab dem ersten Donnerstag der neuen Saison gehen die Spekulationen nämlich von vorne los.

Donnerstag, 23. Februar 2012

The Artist

Echte Sensationen aus Hollywood haben heutzutage enormen Seltenheitswert. Das liegt zum einen an der Geschwindigkeit, mit der sich Informationen ausbreiten. Kaum passiert irgendwas, weiß es die ganze Welt. Bevor man überhaupt Gelegenheit hat, darüber nachzudenken, flattert schon die nächste Nachricht herein und die vorige Meldung ist vergessen. Auf der anderen Seite gibt es relativ selten wirklich Aufregendes oder Neues. Klar, war „Avatar“ zum Beispiel irgendwie sensationell, aber das war es so wahnsinnig schnell auch wieder nicht mehr. Ich nenne diesen Film, weil er der einzige in den letzten Jahren war, der so etwas Ähnliches, wie etwas Neues bot. Noch nie dagewesenes nun auch nicht, aber immerhin sah es so gut aus, wie nie zuvor.
Wir halten also fest: In Sachen Nachhaltigkeit und Originalität hat die Filmwelt kaum noch was zu bieten.
Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, um sich an Früher zu erinnern. Genau das hat der französische Regisseur Michel Hazanavicius getan und liefert mit „The Artist“ ein absolut verblüffendes Meisterwerk ab.

George Valentin ist ein Filmstar. Die Premiere zu seinem neuesten Film ist bis auf den letzten Platz aus verkauft.
Das Publikum ist begeistert und die rauschende Premieren-Party kann beginnen
George tut gerade das, was er am besten kann, nämlich sich präsentieren und in die Kameras winken, als eine junge Frau auf den roten Teppich stolpert.
Ihr Name ist Peppy Miller und sie hat gerade angefangen, als Statistin Filmluft zu schnuppern. Nun darf sie auch im neuen Film von George einen kleinen Part übernehmen.
Die Zeiten ändern sich allerdings rasend schnell. Die Filme lernen plötzlich sprechen. George nimmt das nicht all zu ernst und verweigert sich einfach der Innovation. Sein Stolz bringt ihn dazu sich vom Studio loszusagen und von nun an seine eigenen Filme zu machen. Er denkt, seine Fans kommen wegen ihm ins Kino und nicht wegen seiner Stimme.
Während George einen Rückschlag nach dem anderen einstecken muss, ist Peppy auf den großen Leinwänden angekommen und wird zum Star.

„The Artist“ ist eine, bis ins kleinste Detail durchdachte, Hommage. Der gesamte Film ist schwarzweiß und die Bilder laufen ein klein bisschen schneller, als man es von heute gewohnt ist. Außerdem ist „The Artist“ abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen ein Stummfilm. Die Besonderheiten hören an dieser Stelle aber noch lange nicht auf. Mit sehr viel Hingabe werden Zitate und Verbeugungen an Filmklassiker inszeniert, die sehr liebevoll in die Handlung mit eingebaut werden. Dazu merkt man den Darstellern eine regelrecht unbändige Spielfreude an, wodurch ein Großteil der stimmigen Atmosphäre getragen wird. Die komponierte und perfekt abgestimmte Musik von Ludovic Bource ist vielleicht nicht besonders innovativ und einfallsreich, aber absolut unverzichtbar für den gesamten Film.
Zu guter Letzt ist das schönste an dem Film, dass seine Grundaussage zu sein scheint, dass man trotz allem Bewährten und Etablierten, immer offen sein muss und gegebenenfalls Platz für das Neue machen muss und dass Stummfilme ihre große Zeit gehabt haben, nun aber der Ton ein nicht zu missender Bestandteil der Filme geworden ist. Der Film selbst revidiert diese Aussage jedoch durch seine pure Existenz. Denn trotz der modernsten Techniken und der allgemeinen Sehgewohnheiten des heutigen Kinopublikums, funktioniert dieser Film so gut, als hätte man nie auf eine andere Art und Weise Filme gesehen. Da gibt es nicht das Befremdliche, oder das Ungewohnte. Man braucht keine Eingewöhnungszeit und man ist sofort drin.

„The Artist“ mag eine Hommage an die 20er Jahre sein, ist für mich aber auf jeden Fall ein Signal, dass all die Innovationen in Filmen der letzten Jahre überflüssig sein können. Gute Filme brauchen keine CGI Effekte, oder 3D. Schwarzweiß ist auch nicht nur dogmaesquen, eigenbrödlerischen Kunstregisseuren vorbehalten. „The Artist“ funktioniert perfekt und die Sensation, die sich nachhaltig in den Köpfen der Menschen festsetzen dürfte, wird sich in zwei Wochen in Los Angeles lüften, auf der diesjährigen Oscar-Verleihung.

The Artist (F, USA, 2011): R.: Michel Hazanavicius; D.: Jean Dujardin, Berenice Bejo, John Goodman, u.a.; M.: Ludovic Bource; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Neustarts am 9. Februar 2012

Hugo Cabret
Der Regiealtmeister Martin Scorsese wagt sich tatsächlich noch einmal auf neues Terrain. Nach verstörenden Sozialstudien ala "Taxi Driver" oder "Bringing Out The Dead", unglaublich spannenden Gangsterdramen und mitreißenden Dokumentationen über Rockstars, liefert er nun ein knallbuntes fantasy-angehauchtes Abenteuer um einen kleinen Waisenjungen ab, der in den Wirren eines großen belebten Bahnhofs dem Geheimnis seiner Herkunft auf die Spur kommt. Sacha Baron Cohen spielt den vertrottelten Schaffner und Ben Kingsley den geheimnisvollen alten Mann, den solche Geschichten nun mal brauchen. Alles bunt, aufregend, kindgerecht und leider auch in 3D - ab heute in den deutschen Kinos.

Black Gold
Wie cool waren damals die Orient-und-Wüsten-Abenteuerfilme, denen man an verregneten Sonntagen im Fernsehen frönen konnte. Wie lange ist es her, dass man "Das Geheimnis des sprechenden Berges" ergründen durfte?
Mit "Black Gold" kommt ein fast schon totes Genre bildgewaltig in die Kinos zurück. Jean-Jacques Annaud inszeniert das Drama zweier Familien, einer Prinzessin, eines Prinzen und jeder Menge Öl mit Antonio Banderas und Mark Strong. Spannung und Gänsehaut und eine deftige Protion Epicness sind vorprogrammiert.
Black Gold - Ab heute in den deutschen Kinos.

Star Wars - Episode I 3D
Als bekennender Star Wars Fan habe ich mich natürlich schneekönglich gefreutm, als 1997 die Trilogie in einer restaurierten Fassung erneut in die Kinos kam. Dass George Lucas damals regelrecht lästerliche Veränderungen an dem Science-Fiction-Klassiker vorgenommen hatte, ist mir gar nicht so aufgefallen. Mittlerweile habe ich allerdings gemerkt, dass Star Wars nicht mehr Star Wars ist. Besonders die letzten drei Filme haben diesen Eindruck enorm verstärkt.
Trotz aller Skepsis und dem Umstand, dass George Lucas hier sehr plump versucht, noch mehr Geld zu verdienen, gewinnt die Begeisterung die Oberhand, diese zeitlosen Klassiker wieder auf der großen Leinwand genießen zu können. Auch, wenn dieser Teil als der schwächste der Reihe gilt und der 3D-Effekt der letzte Husten sein wird, die großen Momente überwiegen selbst hier.
Star Wars - Episode I 3D - Ab heute in deiner Galaxis.

Drive

In den 60er und 70er Jahren hatten die Produzenten irgendwie weniger Scheu, wenn es um Actionfilme ging. Sie waren schmerzloser, was schlechten Geschmack anging. Die Action musste stimmen und alles andere würde sich schon ergeben. So entstanden so kompromisslos konsequente Figuren, wie Dirty Harry oder Bullit. Gerade Steve McQueen, der nun mal Rennfahrer gewesen ist, und diesen Umstand einfach immer und in jedem seiner Filme unterbringen wollte, kreierte einen neuen Stil. Der Fokus lag auf den Verfolgungsjagden. Der Held musste also Auto fahren können. Alle anderen Charaktereigenschaften waren nebensächlich, wodurch der schweigsame und geheimnisvolle Actionheld geboren wurde. Oft kopiert und nachgemacht, verkam diese Figur immer mehr zum Vollpfosten und die Magie ging verloren. Jetzt ist die Magie wieder da. Mit Nicolas Winding Refn und „Drive“.

Los Angeles. Es ist Nacht. Die Stadt schläft nicht, sie erwacht. Der namenlose Held sieht aus dem Fenster und telefoniert. Mit klaren Worten macht er seine Grundsätze klar und stellt seine Regeln auf. In fünf Minuten kann viel passieren und egal, was auch geschieht: Er ist dein Mann, wenn du einen Job für ihn hast, der irgendwas mit Autos zu tun hat.
Er ist der zuverlässigste Autofahrer, den man sich vorstellen kann. Er ist Stuntfahrer und Mechaniker und nachts ist er Fluchtwagenfahrer. Die Aufträge verschafft ihm sein Kumpel Shannon, der demnächst auch beim Autorennen mit Hilfe des Drivers gewinnen will. Zu diesem Zweck muss er sich viel Geld borgen. Das bekommt er beim Gangsterboss Bernie Rose. Der ist dafür bekannt, dass er im Falle eines Fehlschlags nicht nur sein Geld wieder haben will.
Die Nachbarin des Drivers hat indes einen Ehemann, der große Probleme mit einem anderen Gangster hat. Er soll in dessen Auftrag einen Laden überfallen. Da die hübsche Irene es dem Driver angetan hat, entschließt er sich, ihrem Mann bei dem gefährlichen Unterfangen zu helfen. Mit ungeahnten Folgen.

Eigentlich ist es unmöglich, zu beschreiben, was an „Drive“ so besonders ist. Wenn man im Kino sitzt, merkt man es aber ab der ersten Minute. Es könnte an der treibenden Musik liegen, die stets im Hintergrund wabert. Es sind einige sehr coole Pop-Songs verwendet worden, die sich nahtlos zu der komponierten Tracks von Cliff Martinez gesellen. Die Musik sei hier nur deshalb als erstes erwähnt, weil sie dem Zuschauer als erstes auffällt. Als nächstes fällt einem das absolut brillante Bild auf. Es ist gestochen scharf und die Kamera wird präzise geführt. Da wackelt nichts und da verwischt nichts. Die Farben im Film stechen dadurch um so mehr hervor. Sämtliche Bilder und Fahrten sind sorgfältig vorbereitet und so wird der visuelle Rahmen des Films enorm elegant und anmutig. Die Actionsequenzen funktionieren ähnlich. Man sieht große Teile der Verfolgunsgsjagden aus der Schulterperspektive des Fahrers. Eben weil alles so präzise inszeniert ist, geht einem trotz dieser Perspektive nichts verloren und man bekommt alles mit. Die Action ist komplett handgemacht und wirkt deshalb nie übertrieben oder unrealistisch. Wohl dosiert und platziert gewinnen die Actionszenen so viel ästhetische Bedeutung, dass selbst ein John Woo neidisch werden könnte.
Die sinnlichen Actionszenen werden abgelöst von super brutalen Kampfszenen, die dem bisher lupenreinen Helden des Films eine neue Note der Unberechenbarkeit geben.
Die Story ist simpel, dafür aber um so klarer konstruiert. Die Figuren sind ebenso klar und entsprechen typischen Charakteren von klassischen Gangstergeschichten.
All das erschließt sich in den ersten zehn Minuten und dann wird es großartig.

„Drive“ ist für mich einer der interessantesten Filme der letzten Jahre. Einfach alles an diesem Film stimmt und wurde richtig gemacht. Selten wurden meine Erwartungen an einem Film derartig erfüllt und übertroffen. Noch nie hat mich ein Film durchweg so begeistert, wie „Drive“.
Es ist nicht einfach nur die Wiederbelebung eines Filmgenres. Man kann es nicht einfach in die Schublade Film-Neo-Noir, oder was auch immer stecken. Es ist alles neu und großartig und sollte von absolut jedem Filmfan gesehen und begutachtet werden.

Drive (USA, 2011): R.: Nicolas Winding Refn; D.: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Ron Perlman, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstaag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

The Descendants

Hawaii ist irgendwie ein Paradoxon. Auf der einen Seite ist es ein tropisch angehauchtes Paradies mit vielen exotischen Ecken und kulturellen Überbleibseln der Ureinwohner. Auf der anderen Seite ist die Inselgruppe typisch amerikanisch. Sozusagen das Urlaubsparadies, das Malle für die Amis. Kompromisslos prallen diese beiden Kulturzweige aufeinander und es entsteht eine neue Kultur. Die typisch hawaiianische Kultur, nämlich. Regisseur Alexander Payne scheint eine Schwäche für derartige Motive zu haben. In „Sideways“ besuchte er Solvang in Kalifornien, eine holländische Kolonie, die auf typisch amerikanische Weise Europa nachgebaut hat. Fachwerkbauten mit McDonalds-Schildern über der Tür treffen auf Weinberge und Straußenfarmen.
Und diese Kulisse dient als Schauplatz für eine unglaublich rührende und niedliche Geschichte. Dieses Rezept wird auch wieder im neuen Payne Film „The Descendants“ angewannt. Und es funktioniert sogar noch besser.

Matt King lebt auf Hawaii. Seine Vorfahren stammen von den Ureinwohnern der Insel ab, er hat also echtes hawaiianisches Blut in den Adern. Obwohl seine Familie sehr wohlhabend ist, weil sie ein großes Stück Land besitzt, arbeitet er als Anwalt. Er möchte einfach nicht, dass seine Töchter zu sehr verwöhnt werden und nutzt das unglaubliche Kapital also nicht, welches ihm zur Verfügung stehen könnte.
Eines Tages beschließt der Familienrat, das Land zu verkaufen. Da Matt der Kopf des Treuhandfonds ist, liegt die Entscheidung bei ihm. So reist er quer durchs Land, trifft potentielle Käufer, checkt Optionen und verliert konsequent den Draht zu seiner Frau.
Als sie bei einem Bootsunfall ins Koma fällt, bricht alles über ihn zusammen. Seine kleine Tochter ist mit ihren 10 Jahren sehr aktiv und hält ihren alten Herren ordentlich auf Trab. Seine ältere Tochter macht es ihm auch nicht leichter. Sie lebt im Internat, wo sie nur Parties und Jungs im Kopf zu haben scheint. Matt versucht also, die Familie zusammen zu schweißen. Zusätzlich steigt der Druck von der anderen Seite. Seine Cousins wollen, dass er das Grundstück verkauft, Matt hadert aber mit der Idee. Dann erfährt er, dass seine Frau eine Affäre hatte.

Zugegeben, die Story klingt zunächst nach einer gigantischen Seifenoper. Doch die Art, wie diese Geschichte transportiert wird, lässt einen eher an das echte Leben denken. So spielt das Leben nun mal. Mit typisch hawaiianischer Gelassenheit meistert Matt King die Schwierigkeiten und auch wenn er zu Beginn des Films die Meinung vertritt, er wäre kein guter Vater, merkt man ziemlich schnell, dass er den Job meisterhaft versteht.
George Clooney hat in diesem Film die Möglichkeit, einen ganz normalen Typen zu spielen, der einer ganz und gar nicht normalen Situation gegenüber steht. Und diese Aufgabe erfüllt Clooney souverän. Mag er in den Medien als Playboy dargestellt werden, in diesem Film ist er sehr menschlich und gar nicht so weit vom Boden entfernt. Überhaupt wirkt alles ganz normal. Das ferne und irgendwie abstrakte Gebilde eines Paradieses wirkt wie ein doch sehr erdgebundener Ort, an dem Menschen leben. Dort gibt es auch schlechtes Wetter und ungepflegte Bürgersteige. Dort gibt es Wolkenkratzer und Autobahnen, aber es gibt eben auch traumhaft schöne Strände und kleine Orte, an denen irgendwie Magie zu herrschen scheint.
Wie kein zweiter fängt Alexander Payne diese kleinen Momente ein und das ist der Punkt, der mir bereits an „Sideways“ so gut gefallen hat. Mit Hilfe solcher kleinen aber wichtigen Elemente, werden die Figuren und Charaktere sehr stark geprägt und erhalten dadurch Individualität und eben Menschlichkeit.

„The Descendants“ ist ein wunderschöner Film, der uns Familie King vorstellt, als wären sie alte Freunde, die man nur lange nicht gesehen hat. Man fühlt sich ihnen sofort verbunden und lacht mit ihnen genau so, wie man mit ihnen weint. Hier merkt man, wie machtvoll ein Film sein kann, wenn er eben nicht Standartfiguren und Seifenoperkost bietet.

The Descendants (USA, 2011): R.: Alexander Payne; D.: George Clooney, Shailene Woodley, Amara Miller, Patricia Hasties, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus, CineStar

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.