Sonntag, 23. Dezember 2012

Die Wand

Die Welt, wie wir sie kennen und jeden Moment unseres Lebens wahrnehmen, ist plötzlich einfach nicht mehr da. Sie wurde zerstört, und  auf die eine, oder andere Art verändert. Die Ursachen dafür sind stets unterschiedlich, das hängt vom Film ab. Hab ich euch erschreckt? Ja! Es geht wirklich um Filme. Filme, die den Weltuntergang mal mehr, mal weniger pompös gestalten. Es gibt die Filme mit Krachbumm – die im übrigen richtig großen Spaß machen – und es gibt die, mit dem emotionalen Hammer – die mich in der Regel richtig fertig machen.
Der neue Film von Julian Pölsler „Die Wand“ mit Martina Gedeck, schwimmt irgendwie auf sehr merkwürdige Weise dazwischen.

Eine Frau ist bei Freunden auf der Jagdhütte in den Alpen zu Besuch. Warum sie hier ist erfährt genau so wenig, wie ihren Namen. Eines wunderschönen Tages beschließt das befreundete Ehepaar, ins Dorf zu gehen, um dort Besorgungen zu machen. Die Frau bleibt zurück, denn sie will sich ausruhen. Sie erhält Gesellschaft vom Hund der Freunde. Es wird immer später und irgendwann geht die Frau zu Bett. Am nächsten – erneut wunderschönen – Morgen stellt sie fest, die Freunde sind nicht zurück gekehrt. Also macht sie sich auf, sie im Dorf zu suchen. Sie spaziert den Weg entlang und der Hund tollt durch sonnendurchflutete Natur. Plötzlich ändert sich alles. Ein Kraftfeld, oder etwas unsichtbares – eine Wand eben – hindert sie am Weitergehen. Sie hat keine Erklärung dafür und ist gefangen. Da von außen keinerlei Hilfe zu erwarten ist, und die wenigen Menschen, die sie außerhalb sehen kann, eingefroren zu sein scheinen, geht sie vom Schlimmsten aus. Sie hat nur ein kleines Gebiet im Umkreis der Hütte für sich und sie teilt es lediglich mit dem Hund, einer Katze, einer Kuh und zahlreichen wilden Tieren.
Man kann diesen Film auf tausend unterschiedliche Weisen sehen und interpretieren. Ich liefere an dieser Stelle mal zwei davon. Die Frau ist verrückt. Sie leidet an Wahnvorstellungen, die so komplex sind, dass das alles mehr oder weniger für sie Sinn ergibt. Die Wand ist nur in ihrem Kopf da und symbolisiert ihre Unfähigkeit, den Ort zu verlassen. Das würde auch erklären, warum das Gebiet, welches sie für sich zur Verfügung hat, zufällig genau die Dinge bietet, die sie zum Überleben braucht. Nahrung, ein Dach über dem Kopf und genügend Holz, um nicht zu erfrieren. Über ihre Vergangenheit ist nichts bekannt, aber man kann vermuten, dass ihr altes Leben hinter ihr liegen soll und ihr Verstand gaukelt ihr auf diese, sehr spezielle Weise ein neues Leben vor. Die Hütte liegt in einer sehr einsamen Gegend und es könnte sein, dass den Freunden etwas zugestoßen ist, und sie deshalb nicht  zurück kehren. Die eingefrorenen Menschen auf der anderen Seite der Wand symbolisieren, dass sie mit niemanden reden möchte und im Grunde die Einsamkeit bewusst sucht. Soweit, so gut. Im Laufe des Films gibt es aber einige Szenen, die diese Theorie komplett über den Haufen werfen. Das führt uns zur zweiten Interpretationsmöglichkeit. Alles ist echt und passiert genau so, wie es der Film zeigt. Es gibt dieses Phänomen der Wand tatsächlich und außerhalb ist alles tot. Sie ist der letzte Mensch auf der Welt und dementsprechend führt sie in bester Vincent-Price-Manier ein Tagebuch. Die Ursachen für diesen Zustand, oder überhaupt irgendwelche Erklärungsversuche lässt der Film indes vollkommen außer acht. Wie soll sie denn auch irgendwas wissen können, wenn sie vollkommen isoliert ist. Beide Versionen lassen aber grübeln.

Handwerklich ist der Film großartig. Er hat sofort eine ganz bestimmte Atmosphäre und die Anfangssequenz mit der wunderschönen Natur, dem herrlichen Wetter und der knalligen Popmusik aus dem Autoradio, erinnern irgendwie an die Anfangsszene aus Hanekes „Funny Games“. Man weiß von Anfang an, dass hier etwas nicht stimmt. Der Film inszeniert wunderbar langsame Bilder – absoluter Wahnsinn: das sterbende Reh – und schafft mit Hilfe der pulsierenden elektronischen Musik eine sehr dichte Atmosphäre. Der sehr schlichte Gesamtstil wird manchmal durchbrochen von recht spektakulären Spezialeffekten. Es gibt einen verblüffend aussehenden Autounfall, zum  Beispiel und die Wand selbst, ist auf interessante Weise dargestellt. Nicht zu Letzt ruht alles auf den Schultern Martina Gedecks, die hier in einer wahren Meisterleistung ihre stumme One-Man-Show auf die Bühne legt.

„Die Wand“ muss vielleicht auf eine völlig andere Weise interpretiert werden, aber für mich stellt sie das Ende der Welt dar, wie es kaum ein Film bisher geschafft hat. Da gibt es wie gesagt die Haneke-Elemente und einige Einstellungen vom Wald erinnern an Lars von Trier. Aber das, was den Film ausmacht, ist das Eigene und dieser schwer fassbare Stil, der irgendwie verhindert, dass man völlig klar sagen kann, was man von diesem Film hält. Beeindruckend...irgendwie. Aber warum?

Die Wand (AUT, D, 2012): R.: Julian Pölsler; D.: Martina Gedeck, u.a.; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 12. Dezember 2012

Der Hobbit - Eine unerwartete Reise

Peter Jackson hatte schon immer, vor Allem, einen Wunsch. Er wollte den „Herrn der Ringe“ verfilmen, jenes Monster der zeitgenössischen Literatur von Tolkien. Als Jugendlicher stellte er mit einer einfachen Kamera und selbst gebastelten Puppen, wichtige Szenen aus den Romanen nach. Der Drehort war sein Vorgarten. Der diente auch als Schauplatz für seinen ersten Spielfilm „Bad Taste“ im Jahr 1987. Die ersten Gehversuche als Regisseur zeugten eher weniger von Klasse. Auch die beiden Nachfolger „Meet The Feebles“ und „Braindead“ schlugen einen sehr trashigen Ton an, der wenig ernst zu nehmen war. Dabei weiß doch jeder, der sich ein bisschen intensiver mit dem Entstehungsprozess eines Filmes beschäftigt hat, dass es gerade die weniger hoch finanzierten Projekte sind, die den Einfallsreichtum und die Kreativität heraus fordern. Mag man von Jacksons Frühwerk halten, was man will. Ihm selbst diente es als Möglichkeit, jede Menge Erfahrungen zu sammeln und es diente ihm auch als Geldquelle. Jetzt zählt Jackson zu den bedeutendsten Filmemachern der letzten 20 Jahre und hat mittlerweile so viel Geld und auch Prestige angehäuft, dass er uns ab diesem Jahr wieder jährlich ins Kino und damit nach Mittelerde locken kann.

Es ist Sommer im Auenland. Der ehrenwerte Hobbit Bilbo Beutlin, sitzt gemütlich vor seiner Haustür und raucht eine Pfeife. Da taucht plötzlich ein großer Mann mit grauem Mantel und langem Bart auf und erkundigt sich nach Leuten, die ein Abenteuer bestehen wollen.
Pah! Abenteuer? Woher kommst du, alter Mann? Du bist hier im Auenland. Hier leben nur ehrbare Hobbits. Und ein ehrbarer Hobbit zieht nicht so einfach in ein Abenteuer. Völlig absurd! Er möge sich gefälligst verziehen!
Der alte Mann im grauen Mantel lacht sich tot über diesen frechen kleinen Hobbit und malt ein Zeichen an seine Tür.
Und damit geht’s los. Der Alte ist ein Zauberer, genauer gesagt, er ist Gandalf, der Graue.
Der hat sich mit ein paar Zwergen zusammen getan, die für eine ganz bestimmte Unternehmung noch einen Meisterdieb benötigen.
Die Zwerge wollen in ihre alte Heimat zurück. Von dort sind sie vor vielen Jahren vertrieben worden, und seitdem sehnen sie sich nach den Schätzen ihrer Heimat. Höchste Zeit, diese Schätze zurück zu erobern. Das Problem ist, dass sie vom Drachen Smaug beschützt werden. Bevor man sich um den Drachen jedoch kümmern kann, muss jedoch ein weiter Weg gemeistert werden. Und der ist voller Gefahren, von denen betrunkene und übellaunige Trolle noch das kleinste Problem darstellen.

Groß war die Freude, als „Der Hobbit“ angekündigt wurde. Noch größer wurde sie, als bekannt wurde, dass es ein Wiedersehen mit zahlreichen Figuren aus den alten Filmen geben würde. Unbändige Freude erfüllte mich, als vor einem Jahr die ersten bewegten Bilder in Form eines Trailers erschienen.
Alles sah genau so aus, wie ich es mir gewünscht hatte. Warum, zum Teufel, hatte ich nur dieses unerklärliche Gefühl der Skepsis? Dann kamen die nächsten Meldungen. Erst hieß es, der Film wird in einem neuartigen Bildformat präsentiert. Der Film sollte in einer Bildrate von 48 Bildern pro Sekunde laufen, wodurch sich ein besseres und brillanteres Bild ergeben soll. Erste Reaktionen darauf ließen allerdings eher befürchten, es sähe aus, wie in einer Daily Soap. Dann kam der Hammer. Peter Jackson gab bekannt, aus dem „Hobbit“ eine Trilogie zu machen und nicht – wie angekündigt – nur einen Zweiteiler.
Ab jetzt war allen klar, dass Jackson nur noch ans Geld dachte und sicher kein Interesse mehr daran hatte, einen wirklich guten Film zu machen.
Was denn nun? Ist es jetzt gut, oder nicht? Sag doch endlich und hör auf zu schwafeln!“
Ja, verdammt nochmal. „Der Hobbit“ ist großartig. Mag Peter Jackson Geld verdienen wollen, er gibt uns dafür wenigstens auch was. Kann sein, dass drei Filme für diese Geschichte etwas überdimensioniert erscheinen, ich freue mich über jeden, noch so kleinen Schnipsel aus Mittelerde. Es kommt nichts Neues oder Innovatives in diesem Film und alles sieht haargenau so aus, wie wir es in „Die Rückkehr des Königs“ zu Letzt gesehen haben. Der Stil und die gesamte Dramaturgie des Filmes entspricht dem Muster der alten Trilogie. Die Kostüme und die Ausstattung und überhaupt alles hat man schon gesehen. Natürlich sieht alles noch schöner aus und ist noch bombastischer dargestellt. Und die Viecher sehen noch besser aus und alles ist größer und weiter. Aber ist es nicht genau das, was wir wollten? Ich jedenfalls wollte das. Ich wollte wieder einen Film, der mich in eine unglaublich detailliert entworfene Phantasiewelt mit nimmt. Ich wollte einen Film, der eine Geschichte schön erzählt, die ich bereits in- und auswendig kenne. Ich wollte genau das, was da beinahe drei Stunden zu sehen ist.

Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ ist ein absolutes Fest für die Fans. Das liegt wohl daran, dass Peter Jackson selbst der größte Herr-Der-Ringe-Fan der Welt ist. Gleichzeitig ist der Film aber auch Auftakt und Neubeginn und ist auch für jene perfekt, die weder die Bücher noch die bisherigen Filme kennen. Natürlich ist das erst der Anfang und der Film hört dem entsprechend an einer Stelle auf, an der die Geschichte eben erst zu einem Drittel erzählt ist. Und, dass ich jetzt schon wieder ein ganzes Jahr warten muss, bis es endlich weiter geht, ist einfach unfassbar. Wie soll ich das bloß aushalten? Auch dieses Gefühl kenne ich noch sehr gut, und es ist wieder da. Wie früher!

The Hobbit – An Unexpected Journey (USA, NZL, 2012): R.: Peter Jackson; D.: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, u.a.; M.: Howard Shore; Offizielle Homepage

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Freitag, 7. Dezember 2012

7 Psychos

Psychische Erkrankungen scheinen der neue Trend zu sein. In Deutschland erleiden jährlich ungefähr 30 Prozent aller erwachsenen Menschen eine psychische Störung. Die meisten leiden an Angststörungen und psychosomatischen Symptomen. In vielen Fällen wird eine Erkrankung zu spät oder gar nicht diagnostiziert. In derartigen Fällen kann eine psychische Störung schnell chronisch werden. Eine zunehmend verbreitete Art dieser Krankheit ist übrigens die Phobie, an einer psychischen Krankheit zu leiden. Man merkt schon, dass dieses Thema ein enormes Potential für Sarkasmus und Zynismus birgt. Vielleicht widmet sich der „Brügge sehen...und sterben“ - Regisseur Martin McDonagh deshalb einer Gruppe Menschen, die unter besonders ausgeprägten Formen, psychischer Störungen zu leiden scheinen.

Marty ist Drehbuchautor in Hollywood und weit entfernt von einem großen Karrieresprung. Trotz seines Talents, ist er abgestürzt. Das liegt wohl daran, dass er nicht in der Lage zu sein scheint, sein Leben zu organisieren. Sein Achtungserfolg liegt schon viel zu lange zurück und er hat schlicht versäumt, schnell nach zu legen. Und jetzt, als es fast zu spät zu sein scheint, leidet er unter einer Schreibblockade. An dieser Stelle kann man schon schmunzeln, denn ein Blick in die Biographie McDonaghs zeigt, dass er bis vor kurzem noch ganz ähnliche Probleme hatte. Im Film jedenfalls hat sich Marty's Kumpel Billy entschlossen, dem glücklosen Autor zu helfen. Billy verdingt sich als Kleinkrimineller. Mit seinem Freund Hans hat er eine ganz besondere Geschäftsidee entwickelt. Billy entführt Hunde und behält sie eine Weile bei sich. Wenn die Besitzer – der Verzweiflung nahe – bereit sind, dem hilfsbereiten Samariter großzügig zu belohnen, der ihren Liebling zurück bringt, betritt der nette alte Mann Hans die Bühne und spielt den großen Retter.
Eines Tages erwischt Billy den falschen Hund und entführt den Shih Tzu des Gangsterbosses Charlie Costello. Der versteht keinen Spaß und geht auf einen blutigen Rachefeldzug auf der Suche nach den Entführern. Costello ist selbst schwer gestört und verliert angesichts des Verlustes seines geliebten Hundes den Blick für das Wesentliche vollkommen aus den Augen. Billy und Hans geraten also in allerlei haarsträubende und auch nicht ungefährliche Situationen, die wiederum als perfekte Inspiration für Marty's Drehbuch dienen.

Martin McDonagh ist ein klassischer „Me Too“ - Regisseur. So werden Filmemacher bezeichnet, die sich frech bei Klassikern bedienen und auf den zusammen geklauten Haufen ihren Namen und einen möglichst knalligen Titel kleben. Okay, „7 Psychos“ ist nun ein weniger origineller Titel, was der Übersetzung geschuldet ist. Aber selbst „Seven Psychopaths“ - der englische Originaltitel – entbehrt jeglicher Originalität und birgt auch noch einen ganz gemeinen Zungenbrecher. Der Film selbst arbeitet mit recht typischen Figuren, die trotz ihrer extremen Handlungen so wirken, als hätte man sie schon mal gesehen. Man muss nicht lange überlegen und sofort fallen einem Vergleiche mit Tarantino und Rodriguez auf. Auch die spontanen Gewalteinlagen festigen den Eindruck, hier Dinge zu sehen, die man schon kennt. Immerhin gibt es ein paar nette Wendungen, einen lustigen Tom Waits und den ein oder anderen guten Dialog.

Der Soundtrack bietet eine solide Mischung aus fetzigen Funk-Tracks für die witzigen Szenen, und einem düster-melancholischen Score von Carter Burwell für die ernsteren Sequenzen.
Die etwas konfus entwickelte Story schafft es sogar, hin und wieder über die Vorhersehbarkeit der ganzen Geschichte hinweg zu täuschen.
Jetzt aber mal genug der Meckerei, denn mir hat „7 Psychos“ eigentlich ganz gut gefallen.
Zumindest hatte ich Spaß und große Freude am grandiosen Schauspielensemble. Colin Farrell spielt einen Flenner – was er aus irgendwelchen Gründen immer am besten hinkriegt – Sam Rockwell harmoniert auf herrlich unkonventionelle Weise mit einem in die Jahre gekommenen, aber nicht minder überzeugenden Christopher Walken und Woody Harrelson dreht, wieder einmal jenseits aller Sphären, vollkommen am Rad, was er ebenfalls immer am besten kann.
McDonagh packt noch einige sehr nett platzierte Zitate an Gangsterklassiker dazu und serviert noch eine fröhliche Metaebene über das Produzieren von Filmen. Es geht also um Filme im Film und suggeriert einen Blick hinter die Kulissen, den es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt. Auch dieser Einfall ist nicht neu, funktioniert aber immer und vermittelt den Eindruck, der Regisseur begibt sich auf eine gewisse Understatement-Ebene, die der Zuschauer vielleicht sogar teilt.

Letztendlich ist „7 Psychos“ die pure Unterhaltung für Erwachsene – wohl gemerkt. Das, was „Brügge sehen...und sterben“ so besonders gemacht hat, war eine poetische Melancholie, die die klassische Gangsterstory untermalt hat. Das wäre nun allerdings deplatziert gewesen, und hätte „7 Psychos“ nur unnötig schwermütig und krampfig gemacht. Stattdessen zwinkert man unentwegt mit den Augen und McDonagh hat es gerade noch einmal gemeistert. Beim nächsten Streich hilft die Devise „Besser gut geklaut, als doof selbst gemacht“ wohl nicht mehr.

Seven Psychopaths (GB, USA, 2012): R.: Martin McDonagh; D.: Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Tom Waits, u.a.; M.: Carter Burwell; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 28. November 2012

Cloud Atlas


Bombastverfilmungen von unverfilmbaren Büchern sind selbst nach solch grandiosen Erfolgen, wie „Der Herr der Ringe“, oder „Watchmen“ ein streitbares Thema in der Filmwelt. Immer wieder erscheinen Filme, die beim Versuch, ein schwieriges Buch zu adaptieren, kläglich scheitern. Zu den prägendsten Beispielen der letzten Jahre gehört sicher die Verfilmung von Patrick Süskinds „Das Parfüm“ von Tom Tykwer. Weder inhaltlich, noch stilistisch konnte dieser Film der Vorlage gerecht werden. Tykwer selbst ist wohl wenig vor zu werfen. So ist das nun mal, wenn man sich an unverfilmbaren Stoff heran wagt.
Sein Experimentiergeist ist jedoch längst nicht erloschen. Nun hat er sich an die Umsetzung von David Mitchells „Wolkenatlas“ gewagt, ein Buch, welches durch seine unkonventionelle Erzählstruktur hervor sticht und schon so manchen Leser – also mich – vergrault hat. Das Buch bespielt eine Zeitspanne von 500 Jahren Menschheitsgeschichte, spielt mit sämtlichen Genrefacetten der zeitgenössischen Literatur und will obendrein noch eine essentielle Botschaft über das Schicksal vermitteln, die jedem Theologen und Sozialwissenschaftler schlaflose Nächte  bescheren dürfte. Zusammen gefasst: Etwas, was ein einzelner Mensch kaum stemmen kann, weshalb Tykwer auch noch die Wachowski-Geschwister mit ins Boot holte.

Die Story ist das Hauptelement des Films und präsentiert sich sehr komplex. Los geht’s mit einem alten Mann, der in einer merkwürdigen Sprache spricht und den Anfang einer großen Geschichte erzählt. Nach einem Schnitt sind wir im 19. Jahrhundert an einem Strand und werden Zeuge, wie der junge Anwalt Adam Ewing einen Dotor kennen lernt. Eigentlich bekommt er aber bald die Schrecken des Sklavenhandels während der Besiedlungsgeschichte Nordamerikas zu sehen. Dann geht es um einen jungen und talentierten Komponisten, der mit Hilfe eines Altmeisters seiner Zunft die Karriereleiter nach oben klettern will. In den 70ern begleiten wir eine junge Journalistin, die ein großes Komplott aufdeckt. In der Gegenwart lernen wir Timothy Cavendish kennen, dem als Verleger viel Glück und später großes Pech widerfährt. Im Jahr 2144 werfen wir einen Blick in die Zukunft. Hier dreht sich alles um eine geklonte Kellnerin, die eine größere Bedeutung zu haben scheint, als sie denkt. Welche Bedeutung das ist, könnte sich in einer noch weiteren Zukunft einer nahezu steinzeitlichen Version der Erde zeigen. Hier begleitet man Zachery, dessen Glauben auf sehr harte Proben gestellt wird.
Im Zentrum jeder Geschichte steht immer entweder ein Verbrechen oder eine gute Tat, welche gravierende Auswirkungen auf die Zukunft zu haben scheinen. Ebenso hängen alle Figuren irgendwie zusammen. Die Story adäquat zusammen zu fassen, ist nahezu unmöglich, was aber nicht einer Unübersichtlichkeit zu schulden kommt, sondern einfach der schieren Masse an Erzählsträngen.

Wie kann dieser Film funktionieren? Wie können die vielen Stränge zusammen laufen, so dass man alles nachvollziehen kann? Das Buch kann man zur Seite legen und nach einer Pause das Lesen fortsetzen. Man kann im Buch zurückblättern, wenn man etwas nicht mitbekommen hat, oder sich der Zusammenhang zwischen zwei Strängen nicht sofort ergibt. Bei einem Film kann man das nicht. Hier gibt es sechs ausgeklügelte Einzelgeschichten, die irgendwie mit einander verbunden werden müssen. Tom Tykwer und die Wachowskis haben genau das tatsächlich geschafft und gemeistert. Die Story wird durch zahlreiche Schnitte voran getrieben und zu keiner Zeit im Film hat man das Gefühl, nicht zu wissen, worum es gerade geht. Die unterschiedlichen Settings sind so gut ausgearbeitet und entwickelt, dass man sich sofort wiederfindet und die Breaks werden an Stellen gemacht, die auch inhaltlich sinnvoll sind, so dass man selten lange überlegen muss, an welcher Stelle wir unterbrochen wurden. Muss man allerdings aufs Klo – was bei einer Laufzeit von fast 3 Stunden nicht ganz unrealistisch scheint – wird es schwierig. Während man sich von einem anderen Kinogast berichten lässt, was in der Zwischenzeit passiert ist, läuft der Film ja schon wieder weiter und die Handlung geht gnadenlos voran. Dieses – eher blasentechnische – Problem schlägt jedoch nicht all zu sehr ins Gewicht. Durch die dichten Schnitte bekommt der Film nämlich einen starken Flow und langweilt nicht für eine Sekunde. Technisch haben sich sowohl Tykwer mit seiner Vorliebe für eindrucksvolle Menschenbilder, als auch die Wachowskis mit ihrer Affinität zu wahren Orgasmen zünftiger Actionfeuerwerke ausgetobt und eine stimmige Mischung geschaffen. Überhaupt ist alles aus einem Guss und zeigt, dass das Drehbuch das Rückgrat des Ganzen bildet. Das Schauspielensemble zeigt eine enorme Spielfreude und Wandlungsfähigkeit, denn durch Drei- bis Vierfachbesetzungen wird ebenfalls eine Verbindung zwischen den einzelnen Elementen geschaffen. Bei einigen reicht ein neuer Bart, oder eine Perücke und schon sind sie jemand anderes. Besonders auffällig ist Hugo Weaving, der in der Episode um Timothy Cavendish einen mehr als denkwürdigen Auftritt feiert und Tom Hanks. Ich hatte in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, Tom Hanks sei fertig und hätte seine Fähigkeiten als Schauspieler einschlafen lassen. Hier nun prägt er die unterschiedlichen Charaktere nicht nur durch ein neues Kostüm oder einer bekloppten Frisur, sondern spielt total überzeugend die unterschiedlichsten Figuren. Man kann sagen, Tom Hanks allein liefert schon genug Gründe, sich diesen Film anzusehen.

„Cloud Atlas“ ist ein überaus gelungener Film. Die Message mag einen leichten Eso-Touch haben, spielt aber eigentlich keine große Rolle, da der Kern des Ganzen viel zu weit weg ist. Eine viel größere Stärke ist die komplexe Struktur des Films, die packende Inszenierung und die einzelnen Geschichten. Außerdem ist der Film in erster Linie Unterhaltung und großes Kino und Vergleiche mit dem bedeutungsschwangeren „Tree Of Life“ hinken ab der ersten Minute. Während Terence Malick tiefreliegös verankerte Ansichten über das Leben in all seiner Form auf eindrucksvolle und poetische Art und Weise inszenierte, will „Cloud Atlas“ diese Tiefe gar nicht erreichen. Vielmehr ist dieses Machwerk eine Verbeugung vor allen Filmgenres, die es überhaupt geben kann und der Beweis dafür, dass sich auch gutsituierte Hollywoodgrößen einfach mal kopfüber in ein Herzensprojekt stürzen können. Bei derartigen Aktionen sind bis jetzt auch immer die besten Filme entstanden.

Cloud Atlas (D, USA, 2012): R.: Tom Tykwer, Andy & Lana Wachowski; D.: Tom Hanks, Halle Berry, Hugo Weaving, u.a.; M.: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer; Offizielle Homepage

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Montag, 26. November 2012

3 Zimmer/Küche/Bad

Es ist eine Frage universeller Bedeutung und seit unzähligen Generationen wird diese Frage von unzähligen Elternpaaren gestellt. Ab einem gewissen Alter, welches ihre Sprößlinge erreichen, sind sie jedoch außer Stande, diese Frage zu beantworten: Wie ticken meine Kinder? Interessant ist natürlich, dass sich bestimmte Genrationsmerkmale und Klischees erst im Nachhinein heraus kristalisieren. Ich, zum Beispiel, weiß nicht, welcher Generation man mich später dazu rechnet. Vielleicht erkenne ich es irgendwann selbst. In vielen Filmen und anderen Abhandlungsformen wird versucht, ein bestimmtes Bild einer Generation zu zeichnen. Meistens arbeitet man dann mit recht überzeichneten und unrealistischen Bildern, und prügelt sozusagen mit dem Vorschlaghammer auf Eigenschaften ein, die keiner Generation angehören. Ironischerweise werden dadurch manchmal neue Generationseigenschaften etabliert. Dieser Tage gibt es einen kleinen deutschen FIlm, der ein überaus passendes Bild der Generation der Studenten Mitte 20 abbildet, die ständig und ununterbrochen umziehen. Und zwar in Berlin.

In einer liebenswert-chaotischen Studenten-WG ist man früh auf den Beinen. Philips beste Freundin Dina will mal wieder umziehen und ihre Freunde haben ihr versprochen, zu helfen. Bevor es losgeht, muss Philip ihr erst einmal helfen, den zu geparkten Umzugslaster zu befreien. Beim Umzug lernt Philips ältere Schwester Wiebke den gut aussehenden Michael kennen. Der ist total charmant und sie verliebt sich sofort in ihn. Nach einer romantischen Nacht am See sagt er ihr allerdings, dass er eigentlich gar keine Beziehung will. Sie akzeptiert das zähneknirschend, weiß aber noch nicht, dass er in Wirklichkeit schon eine Beziehung will, allerdings mit Dina. Philip hilft unterdess seiner kleinen Schwester Swantje beim Umzug nach Stuttgart und holt seine Freundin Maria nach Berlin. Hier wollen Jessica und Thomas die WG verlassen und endlich mal zusammen ziehen. Das freie Zimmer soll Maria bekommen. Doch da geht was schief und das Zimmer ist doch nicht frei. Außerdem merkt Philip, dass ihm Dina viel wichtiger geworden ist. Es ngibt zahlreiche Trennungen mit Herzschmerz und unvermeidliche Abhandlungen über Diestelmeier und das Scannen.

Dieser Film ist unterhaltsam. Lässt man mal den Eindruck der ersten Minuten bei Seite, dass alle Figuren der aktuellen H&M-Kampagne entsprungen zu sein scheinen und dass ich, als nicht eben glühender Verfechter aktueller deutscher Pop-Liedkunst, von den Sternen begrüßt werde, erkennt man schnell einen enorm hohen Spaßfaktor. Es sind lustige Situationen, die jeder irgendwie aus dem Alltag kennt, die das Ganze so zugänglich machen. Insgeheim amüsiert man sich hier über Dinge, die man oft auch bei sich selbst feststellt. Jeder kann irgendwie sagen: Der eine Typ erinnert mich an jemanden, den ich kenne. Neben diesen kleinen charmanten Witzchen gibt es noch zwei Hauptaspekte, die den Film prägen. Zum einen läuft der Film an manchen Stellen zu regelrechten Gagfeuerwerken und total skurrilen Sequenzen auf, die jeder waschechten Komödie gerecht werden könnten. Dann gibt es plötzlich enorm tragische Passagen, die wohl suggerieren sollen, dass das Leben nun mal so ist, wie es ist und auch traurige Kapitel schreiben kann.
Das alles plättschert in einer enorm lockeren Runde beinahe zwei Stunden dahin. Die größte Stärke des Films ist eindeutig die Performance. Sowohl technisch zeigt der Film nahezu perfektes Handwerk, als auch bei der Leistung der Schauspieler. Die wirken alle, bis auf wenige prägnante und absichtlich überzeichnete Momente total natürlich und eben so, als ob man diesen Menschen jeden Tag an der Uni, oder im Park, oder an Orten, an denen sich die coolen Leute mit ihren Cliquen heutzutage so treffen, begegnen könnte.
Passend zu zahlreichen Klischees ist natürlich auch die schon erwähnte Musik. Schon des Öfteren habe ich unverständlich Leute beobachtet, die mit verklärtem Blick zu den fast schon dadaistischen Versen eines Peter Licht oder eben Jochen Diestelmeier lauschten und anschließend stundenlange Diskussionen über Poseie und Ästhetik führten. Dieses Klischee wird mit großem Augenzwinkern auf die Schippe genommen und es wird eine sehr überzugende Erklärung geboten, wie man den Text eines Sterne-Songs eigentlich zu verstehen hat.

"3 Zimmer/Küche/Bad" möchte sich hinter einer großen Botschaft über das Leben und den Lauf der Dinge und über die große Liebe und überhaupt allem, was die Generation der mittellosen, aber coolen Studenten so bewegt, verstecken. Der Rahmen und die durchaus unterhaltsamen witzigen Einsprengsel lassen diesen gigantischen Messagebrocken aber zurück treten und das eigentlich Thema verkommt etwas zur Oberflächlichkeit. Das macht aber gar nichts, denn man hat viel Spaß und kommt teilweise aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ein kleines Stück, netter Film, den man aber keineswegs überbewerten sollte.

3 Zimmer/Küche/Bad (D, 2012): R.: Dietrich Brüggemann; D.: Jacob Matschenz, Anna Brüggemann, Robert Gwisdek, Corinna Harfouch, u.a.; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 14. November 2012

Skyfall

Er ist ein Phänomen der Popkultur – was auch immer man darunter versteht. Er ist der strahlende Held der freien Welt. Er ist stets eine Momentaufnahme der realen Welt und ein Spiegel, der uns auf eine gewisse naive und unterhaltsame Weise vorgehalten wird. Er ist außerdem der Albtraum aller Feministinnen weltweit. Er ist ein verdammter Chauvinist – aber kann der küssen...
Er ist gleichzeitig die längste und ambitionierteste Filmreihe aller Zeiten. Nun – nach vier langen Jahren – ist er wieder da. Der Mann, der seinen Namen nicht sagen kann, ohne, dass jedes Mal smoother 60s Jazz angespielt wird: Bond – James Bond...

Agent 007 ist mit einem heiklen Auftrag betraut worden. Er muss verhindern, dass eine Liste mit den Namen aller Geheimagenten gestohlen wird, die sich in terroristische Organisationen einschleusen konnten. Dieser Auftrag führt ihn an einen absurd-abwegigen Ort und so muss Bond den flüchtigen Dieb durch Istanbul verfolgen. Während die beiden Kontrahenten mit Motorrädern über die Dächer der Stadt brausen, sitzt M in der Zentrale und verfolgt die Ereignisse über Funk.
Bonds Kollegin Eve ist ebenfalls vor Ort und bildet den Backup – falls etwas schief geht. Und es geht schief. Bond stellt den Dieb auf dem Dach eines Zuges und es sieht ganz so aus, als ob er den Kampf diesmal verlieren würde. M wird das Risiko zu hoch und sie befiehlt Eve, zu schießen, obwohl kein eindeutiges Schussfeld besteht. Noch mehr geht schief und der Bösewicht wird verfehlt. Stattdessen wird Bond getroffen, der darauf hin in eine tiefe Schlucht fällt und für tot erklärt wird.
Kurz darauf geschieht etwas unfassbares. Der Verschlüsselungscode für die Liste mit den Namen, der sich ausschließlich auf M's persönlichem Computer befindet, wird geknackt und die Zentrale des MI6 wird durch einen Bombenanschlag zerstört. M muss sich nun vor der Regierung rechtfertigen und gerät zunehmend unter Druck. Außerdem muss sie die ersten Spuren zu den Tätern verfolgen. Offensichtlich steckt der mysteriöse Silva hinter den Angriffen und der scheint seinen Gegnern immer einen Schritt voraus zu sein. Es sieht recht finster aus für den MI6; da taucht James Bond wieder auf...

Nachdem James Bond durch die späteren Teile mit Pierce Brosnan eine ausgeprägte Talfahrt absolviert hat, war die Neukonzeption des smarten Geheimagenten ein echter Segen. Daniel Craig entwickelte einen Bond mit Ecken und Kanten, der hart und kompromisslos mit ebenso kompromisslosen Schurken um die Geschicke der Welt und um sein eigenes Seelenheil kämpft. Der neue Bond wurde nämlich mit extrem emotionalen Situationen konfrontiert, mit denen sich ein Sean Connery nie herumschlagen musste. Diese recht einfachen und klischeehaften Storykniffe reichen aber aus, um eine überraschende Tiefe dieser bisher recht oberflächlichen Figur zu schaffen. Hinzu kommt eine tragische Note, die man bei bisherigen Abenteuern des Agenten auch nicht kannte. Das Ganze hat einen nüchternen und auf das Wesentliche reduzierten Rahmen und bot so einen perfekt konstruierten und super spannenden Agenten-Thriller.
Nach diesem überraschenden Reboot kam ein schwacher Nachfolger. Dessen Defizite wurden auf die Produktionsschwierigkeiten und dem Autorenstreik zurück geführt. Das kann nun keine Entschuldigung mehr sein, denn auch „Skyfall“ hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Zunächst drohte die Pleite des Studios MGM. Anschließend wurde das Budget enorm zusammen gestrichen und dann wurden längst erteilte Drehgenehmigungen in Indien wieder entzogen. Der oscarprämierte Regisseur Sam Mendes ging es souverän an und man merkt dem fertigen Produkt keinerlei Querelen oder Schwierigkeiten beim Entstehungsprozess an. Ganz im Gegenteil: „Skyfall“ ist nahezu perfekt inszeniert. Hier erlebt man sofort das meisterliche Können eines Regisseurs, der seinen eigenen Stil in zahlreichen Filmen prägen konnte, die mit James Bond überhaupt nichts zu tun hatten.
Mendes' Filme waren immer sehr tragisch und von sehr gut konstruierten und starken Figuren geprägt. Es war nicht ganz klar, ob dieser Stil bei James Bond funktionieren würde, ohne die Fans der klassischen Variante zu verschrecken. „Skyfall“ ist nun genau das geworden: Ein Film, versetzt mit liebevollen Zitaten und Querverweisen auf die klassischen Filme und voll mit tragischen Momenten. Weder die Einführung eines neuen Q's, noch die Beleuchtung von Bonds tragischer Kindheit, wirken dabei bemüht oder krampfhaft.
Neben der gut inszenierten und platzierten Action, nimmt sich der Film viel Zeit, um die Charaktere zu entwickeln. So dauert es ein gutes Drittel des Films, bis Bösewicht Silva – grandios: Javier Bardem – das erste Mal auftaucht. Wirkte ein LeChiffre damals beim ersten Auftritt noch ein bisschen übertrieben – und mit seinem künstlichen Auge, der Narbe im Gesicht und dem Asthmaspray, wie die Reinkarnation aller bisherigen Bondschurken in einer Person – braucht es bei Silva nur eine einzige, geniale Einstellung, um alles über diese Figur zu erfahren. Das Verhältnis zwischen Bond und M wird extrem wirkungsvoll dargestellt, durch einige wenige Nahaufnahmen von Gesichtsausdrücken.
Das sind die Unterschiede und in diesen Momenten zeigt Sam Mendes, fast schon gönnerhaft, wie man es richtig macht. Und – sozusagen als Zugabe – liefert er den spektakulärsten Showdown der kompletten Reihe.

Ich bin von „Skyfall“ begeistert. Es ist ein Film, der mir einfach in jeder Hinsicht gefällt. Mehr Lob geht nicht und mehr kann ich dazu wohl nicht mehr sagen. Von vorne an zu fangen, wäre wohl wirklich unnötig...

Skyfall (GB, 2012): R.: Sam Mendes; D.: Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, u.a.; M.: Thomas Newman; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 8. November 2012

Lore

Die deutsche Geschichte weist mehr als einen unschönen Aspekt auf. Jeder weiß zum Beispiel sofort, worum es geht, wenn man von „dunklen Kapiteln“ spricht. Der zweite Weltkrieg und die Schrecken rund um dieses weltumfassende Gemetzel, wurde ausführlich in zahlreichen Filmen aufgearbeitet. Auch die deutsche Filmlandschaft konnte einige sehr gute und ernsthafte Filminterpretationen bieten, die durch ihre Machart und sensible Herangehensweise durchaus zu beeindrucken wussten und im Gedächtnis haften bleiben.
Während der zweite Weltkrieg an sich oft filmisch dargestellt wurde, man sich sogar an den Brocken über Hitlers letzte Tage heran gewagt hat – und ganz nebenbei, recht überzeugend eingefangen hat – gibt es noch einige historische Kapitel, an deren Re-Inszenierung sich bisher kein deutscher Regisseur getraut hat. Die australische Regisseurin Cate Shortland hat sich eines sehr schwierigen Teils der historischen Aufarbeitung angenommen und erzählt nun die bewegende Geschichte von „Lore“

Süd-Deutschland, 1945. Der Krieg ist vorbei und das Land ist vollkommen zerstört. Die Besatzungstruppen der Alliierten, Franzosen und der Russen sind einmarschiert und haben das Land in Sektoren aufgeteilt. Währen sich die Besatzungstruppen vorerst nur um Soldaten und andere Militärs kümmern, muss die Bevölkerung erst einmal alleine klar kommen. Lore lebt mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter in einem großen Gehöft im Schwarzwald. Ihr Vater ist ein ranghoher Nazigeneral und wird trotz eines Fluchtversuchs von amerikanischen Soldaten verhaftet. Nachdem auch Lores Mutter abgeholt wird, muss die älteste Tochter selbst die Verantwortung über die Familie übernehmen. Sie merken schnell, dass sie nicht da bleiben können, wo sie sind, da hier viele Menschen wissen, wessen Tochter sie ist. Sie sieht nur einen Weg: Sie muss zur Großmutter nach Hamburg fliehen. Sie schnappt sich die Geschwister und macht sich zu Fuß auf den Weg. Ihre Reise führt sie durch ein zerstörtes Land voller Elend und Grauen. Vor allem die Bewohner des Landes gehen nicht besonders zimperlich miteinander um. Lore ist hin und her gerissen, zwischen ihrer eigenen anerzogenen Überzeugung und dem nackten Überlebenswillen.

„Lore“ ist ein echter Brocken. Schonungslos wird gezeigt, was in Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit los gewesen sein muss.  Das Land entpuppt sich nämlich innerhalb kürzester Zeit als gnadenlose Outlaw-Zone, in der es nur um das Überleben geht und der größte Feind, ist der Mensch. Und zwar der Mensch, der jahrelang dein Nachbar oder dein Freund war. Diese bedrohliche Atmosphäre wird bereits in den ersten Minuten des Films geschaffen und hält die komplette Zeit an. Der Film zeigt auch, zu welchen enormen Taten man fähig ist, wenn es tatsächlich um nichts anderes geht, als zu überleben. Viele Dinge wirken erschreckend authentisch. Lore ist mit ihren vier Geschwistern alleine unterwegs. Sie haben auch noch ein Baby dabei und dieses Baby avanciert immer häufiger zum Schlüssel. Zum Beispiel wollen immer wieder Mitmenschen das Baby zum Tausch gegen Lebensmittel haben. Mit einem Baby auf Arm bekommt man leichter Obdach, Essen und andere Dinge. Andere Szenen mit angedeuteten Vergewaltigungen und Hinrichtungen von Flüchtigen an Kontrollpunkten, lassen den allgemeinen Schock noch tiefer sacken. Interessant ist, dass man viele derartige Szenen aus einer ganz anderen Art von Filmen kennt. Die Darstellung einer postapokalyptischen Welt ist stets wichtiger Bestandteil von Zombiefilmen. Diese Zombiefilme versinnbildlichen eine der größten Ängste der modernen Gesellschaft: Die Angst vor dem absoluten Kontrollverlust und der Horror einer völlig aus dem Ruder laufenden Gesellschaft. Selbstverständlich braucht es keine Zombies, um diesen Zustand zu erreichen. Dass diese Motive nun in einem historischen Film auftauchen, macht sie noch beängstigender, denn sie haben nicht mehr die Distanz der Utopie. Sie sind echt. Vielleicht liegen sie in der Vergangenheit, aber sie sind echt.
Dass Shortland sich für diesen Stil entschieden hat, macht „Lore“ total beklemmend und beängstigend. Vielleicht war ihr das düstere Gesamtbild ihres Werks selbst zu hart, denn sie versucht oft, die Atmosphäre mit künstlerisch anmutenden Einsprengseln aufzulockern. So sieht man manchmal Nahaufnahmen von summenden Insekten, oder Zeitlupenshots von herabfallenden Laubblättern. So schön diese Bilder sein mögen, sie wirken deplatziert. Psychologen würden möglicherweise ihre wahre Freude an diesen Szenen haben, stellen sie wohl das Bedürfnis der Regisseurin dar, angesichts all der Schrecken einfach an etwas Schönes zu denken. Und dieses Bedürfnis verspürt der Zuschauer ebenfalls sehr stark.

„Lore“ ist harter Stoff und man vergisst durch das ganze Grauen dieser schwierigen Zeit, die Qualitäten des Films zu würdigen. Saskia Rosendahl zum Beispiel ist absolut beeindruckend, nicht nur weil sie hier ihre erste Spielfilmrolle souverän meistert. Der Film hingegen glänzt durch schonungslose Ehrlichkeit, die der Zuschauer teilweise schwer verkraften kann und genau so geht es mir mit dieser Zeit. Ich weiß fast nichts darüber, denn meine Großmütter und -väter, die diese Zeit  mit erlebt haben, schweigen bis heute.

Lore (D, 2012): R.: Cate Shortland; D.: Saskia Rosendahl, Ursina Lardi, Kai-Peter Malina, u.a.; M.: Max Richter; Offizielle Homepage

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Freitag, 2. November 2012

Robot & Frank

Das alt sein und älter werden scheint in letzter Zeit viele, der Filmlegenden zu beschäftigen. In diesem Jahr durften wir schon mit Bill Nighy und Judi Dench ins „Best Exotic Marigoldhotel“ reisen und Pierre Richard stellte seinen Altersgenossen die bedeutende Frage „Und wenn wir alle zusammen ziehen?“
Frank Langella und Susan Sarandaon setzen sich ebenfalls auf recht klassische Weise mit dem Thema auseinander, in einem Film, der aber einen erfrischend anderen Rahmen bietet.

In ein paar Jahren sieht es in der Welt ein bisschen anders aus. Die moderne Technik, die wir heute bereits kennen und nutzen, wurde weiter entwickelt. Die Digitalisierung des Lebens hat Einzug erhalten. So gibt es zum Beispiel kaum noch Bücher und Autos mit Benzinmotoren besitzen nur noch nostalgischen Wert. Frank ist ein ehemaliger Meisterdieb in fortgeschrittenem Alter. Er lebt vereinsamt, denn durch seine räuberischen Tätigkeiten in der Vergangenheit, musste er auch einige Jahre in Gefängnissen verbringen. Seine Frau hat ihn verlassen und der Kontakt zu seinen mittlerweile erwachsenen Kindern, ist lückenhaft. Frank pflegt keinen besonders ausführlichen sozialen Umgang. Lediglich die Bibliothekarin Jennifer bringt ab und zu ein Lächeln in sein Leben. Doch die Bibliothek soll demnächst geschlossen werden und in ein digitales Zentrum für jugendliche umgewandelt werden.
Eines Tages kommt Franks Sohn Hunter zu Besuch und ist entsetzt über den Zustand des Hauses. Er ist der Meinung, Frank kann nicht mehr alleine leben und kauft seinem Vater einen Pflegeroboter. Frank ist ganz und gar nicht begeistert und würde die Maschine am liebsten in Stücke schlagen. Aber Frank stellt bald fest, dass der Roboter mehr auf dem Kasten hat, als zunächst gedacht. Von neuem Enthusiasmus gepackt, beginnt Frank einen neuen Coup zu planen. Zusammen mit dem Roboter.

Als ich das Plakat zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, es sei ein Scherz. Ein alter Mann rennt mit einem Roboter durch die Gegend, der aussieht, als sei er dem finstersten Fiftys-Sci-Fi-Streifen entsprungen. Billiger geht’s ja wohl nicht und überhaupt kann das ja nur eine absolut dämliche Geschichte sein. Ich bin eben gerne im Meckermodus und steigere mich auch gerne vollkommen ungerechtfertigt in solche Sachen rein. Es macht eben einfach Spaß und wisst Ihr, was das Schönste daran ist? Wenn der Film, über den man sich im Vorfeld so aufgeregt hat, plötzlich doch wunderschön ist. „Robot & Frank“ ist cool. Die Figuren sind sehr charmant und gründlich entwickelt, aber dennoch ganz klar gezeichnet. Es gibt keinerlei unnötige Zwiste in deren Geschichten, sie entsprechen aber auch nicht irgendwelchen oberflächlichen Klischees. Die Story folgt einer sehr geraden Linie, ohne zu vorhersehbar zu sein. Was den billigen Roboter angeht, staunte ich ganz schön große Bauklötze. Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem Roboter im Film nicht um einen Menschen in einem billigen Kostüm, sondern um einen echten Roboter. Zumindest in den Szenen, in denen die Maschine läuft und Türen öffnet, scheint ein Programmierer die Abläufe eines echten  Roboters entwickelt zu haben. Das macht dieses ungleiche Duo total plastisch und es wirkt nicht mehr unglaubwürdig oder unrealistisch. Besonders schön ist, dass mit dem – nicht zu Letzt durch Hollywood verbreiteten – Klischee eines mordenden Killerroboters, der alle Menschen töten will, aufgeräumt wird und wir wieder den ursprünglichen Bestimmungszweck der Roboter als Helfer für die Menschen beobachten dürfen. Und in diesem Stil wirkt es absolut wahrscheinlich, Roboter als Helfer für gebrechliche und kranke Menschen zu nutzen. Diese Roboter werden nie genervt sein, sich um jemanden zu kümmern. Auf diese Roboter kann man sich vollkommen verlassen und nichts wird sie je davon abhalten, ihre Aufgabe zu erfüllen. Eine sehr angenehme Vorstellung, wenn man bedenkt, dass die sozialen Kanäle in der modernen Gesellschaft zunehmend verkümmern.

„Robot & Frank“ ist aber ein Film, der nicht überbewertet werden sollte und sich auch nur in einem entsprechendem Rahmen bewegt. Susan sarandon und Frank Langella sind souverän und überzeugend. Besonders positiv ist mir Liv Tylor als völlig überzogene Weltverbesserin aufgefallen. Ein bisschen ausgeflippt und ihre schwebende Rolle als Elbenprinzessin gekonnt aus Korn nehmend, hat sie mich wieder etwas versöhnt und das ein oder andere Schmunzeln entlockt.

Robot And Frank (USA, 2012): R.: Jake Schreier; D.: Frank Langella, Susan Sarandon, Liv Tyler, u.a.; M.: Francis and the lights; Offizielle Homepage

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Montag, 22. Oktober 2012

Vorschau - Weihnachten 2012

Wie üblich, um diese Zeit, werfe ich einen Blick auf die kommenden Kinomonate. Vor allem in diesem Jahr, sind noch einige dick markierte  Kästchen auf dem Kalender, die das Fest der Liebe sozusagen noch verfeinern dürften, wenn das überhaupt möglich ist.

Gangster Squad
Eigentlich sollte der Gangster-Actionfilm von „Zombieland“-Regisseur Ruben Fleischer am 1. November in den deutschen Kinos starten. Der Film spielt in den 40ern in Los Angeles. Ein Mafiaboss beherrscht sozusagen uneingeschränkt die Stadt. Seine Macht wird unter anderem auch von vielen korrupten Polizisten gestützt, weswegen ihm niemand etwas anhaben kann. Eine Hand voll Polizisten entschließt sich, endlich aufzuräumen, pfeift auf korrupte Kollegen und sämtliche Vorschriften und erklärt dem Mob den Krieg.
Ryan Gosling, Sean Penn, Josh Brolin, Emma Stone und Nick Nolte sind dabei. Klingt nach den besten Zutaten für einen spannenden und unterhaltsamen Actionfilm.
Der Film startet allerdings erst Ende Januar. Grund für die Verzögerung sind die Ereignisse in Aurora während der Premiere zu „The Dark Knight Rises“ im August diesen Jahres. Im Vorprogramm zum Batman-Film sollte der Trailer zu „Gangster Squad“ laufen. Hier ist allerdings eine Szene zu sehen, in der einige Gangster durch eine Leinwand in einen Kinosaal schießen. Der Trailer wurde gestoppt und die entsprechende Szene aus dem Film entfernt. Fleischer selbst hat das beschlossen und Nachdrehs anberaumt. Das ganze Projekt wurde also einfach verschoben. Dadurch ist natürlich die Vorfreude auf den Film noch mehr gestiegen.

Der Hobbit – Eine unerwartete Reise
Im Dezember ist es soweit. Es steht ein neuer Ausflug nach Mittelerde auf dem Programm. Peter Jackson hat sich entschlossen, der Vorgeschichte des Tolkien-Epos „Der Herr Der Ringe“ ebenso viel Platz und Aufwand einzuräumen, wie seiner ersten Trilogie. Und sogar noch mehr! Der Hobbit wird wesentlich besser aussehen, mehr Abwechslung und mehr verrückte Kreaturen zeigen und er wird obendrein in lupenreinem 3D präsentiert. Ist das nicht toll? Es geht noch weiter. Der Hobbit kommt in drei Filmen und nicht bloß in zwei Filmen heraus. Ist das nicht noch toller?
Es gab viele Gründe, sich darüber aufzuregen, dass Peter Jackson offensichtlich einfach nur Dollarzeichen in den Augen zu haben scheint. Einen anderen Sinn sieht man nicht in der Entscheidung, das ganze Ding auf drei Filme auszuwalzen. Der ein oder andere schreit schon wild nach Boykott! Außerdem sieht das Bild voll blöd aus, weil es mit 48 Bildern pro Sekunde gefilmt wurde. Überhaupt ist mir doch alles egal. Ich bin jetzt bockig und guck lieber noch hundertmal den Extended Cut der Originaltrilogie, bevor ich mir den neuen Schund angucke.
Aber einen Blick auf den neuen Trailer und alles ist vergessen. Es ist, wie nach Hause kommen. Es ist alles wunderschön. Die Zwerge, Bilbo, Gollum und Gandalf. Hach. Es wird wunderschön.

Skyfall
Den Film müsste ich eigentlich nicht erwähnen, freue mich aber so sehr darauf, dass ich es doch noch einmal tue. Seit Daniel Craig in die Rolle des Geheimagenten James Bond geschlüpft ist, ist ja alles anders und mir gefällt es plötzlich total gut. „Casino Royale“ war großartig und die Neukonzeption des Charakters bitter nötig. Durch das besondere Augenmerk auf Bonds Beziehung zu einer ganz bestimmten Frau, bekam der Agententhriller eine enorm dramatische Note, die das ganze Gefühl völlig verändert hat. Die Fortsetzung „Ein Quantum Trost“ war leider blöd und litt ganz offenbar am damals grassierenden Autorenstreik in Hollywood. Nun hat Sam Mendes die Regie übernommen. Nach solch emotionalen Vorschlaghämmern, wie „American Beauty“ oder „Revolutionary Road“ ist also der Drama-Part der ganzen Kiste gesichert. Zusätzlich zur Tragik kommt brachiale Action, eine extrem kompromisslose Judi Dench und ein nicht minder kompromissloser Javier Bardem als Bösewicht.
Erste Reaktionen nach Pressescreenings und Testvorführungen waren überwältigend. Es sei der beste Bondfilm aller Zeiten. Naja. Mit solchen Aussprüchen warte ich lieber noch, bis ich den Film selbst gesehen habe. Am 1. November ist es soweit und bis dahin reibe ich erwartungsvoll die Hände.

Des weiteren laufen in diesem Jahr noch die beiden Mammut-Roman-Verfilmungen „Die Vermessung der Welt“ von Detlef Buck und „Der Wolkenatlas“ von Tom Tykver und den Wachowskis an. Darüber kann und will ich nichts sagen. Nur soviel: Braucht wahrscheinlich kein Mensch! Buck in 3D? Schwachsinn!
Das gleiche gilt wohl auch für „Dredd“. Dabei handelt es sich um eine Neuadaption des Comics über den Superpolizisten in der futuristischen, postnuklearen Welt. Ich würde mir wirklich gerne wünschen, dass es gut wird, aber ich ich fürchte, ich weiß es besser.
Im Dezember kommt noch „Silent Hill 2“. Hier ärgern sich Filmkenner über die Dinge, die von den Fans der Videospielvorlage abgefeiert werden. Man sieht nix, weil der Nebel zu dicht ist, ganz zu schweigen von den völlig bekloppten Kameraperspektiven.
Letzter Titel für heute ist auch gleichzeitig der längste und am ehesten selbsterklärende, weshalb er auch absolut kommentarlos im Raum stehen bleibt: Am 22.11. startet „Twilight 4.2: Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht (Teil 2)“
Na dann...Gute Nacht!

Freitag, 12. Oktober 2012

Mal wieder gesehen - Bond 1 - 4

Letzten Freitag wurde der neue James-Bond-Titelsong veröffentlicht. Adele reiht sich mit ihrem Titel "Skyfall" in eine Serie zahlreicher großer und unerreichter Interpreten ein, die den smarten Geheimagenten im Auftrag ihrer Majestät in zahlreichen Liedern besungen haben. Mag man von dem Song halten, was man will: Er steigert die Vorfreude auf den neuen Film, der im November endlich in deutschen Kinos starten wird. Ich habe mir vorgenommen, die bisherigen Filme in ihrer Vollständigkeit zu sehen, bevor ich ins Kino gehe und mir "Skyfall" ansehe. Ich habe mir da einiges vorgenommen und bisher die ersten vier Teile geschafft und möchte an dieser Stelle meinen hochgeschätzten Senf dazu abgeben.

Erstmals ging James Bond 1962 auf die Jagd nach Dr. No. In Jamaica wurden des öfteren merkwürdige Magnetfelder registreirt. Obendrein wurde der Sektionsleiter des MI6 offenbar entführt und seine Sekretärin brutal ermordet. Das beste Pferd im Stall - oder sollte ich sagen Hengst? - wird losgeschickt. Agent 007 soll heraus finden, was dort unten los ist. Mit Hilfe seines Freundes, des CIA-Agenten Felix Leiter, ermittelt Bond eine Gehimbasis. Auf einer Insel hat sich der teuflische Dr. No eingerichtet und will von hier aus eine amerikanische Rakete zum Absturz bringen, um damit den Wettlauf zum Mond maßgeblich zu beeinflussen. Mit Charme und SChlagkraft gelingt es Bond, den Plan in letzter Sekunde zu durchkreuzen.
Nach Genuss dieses Films fragt man sich, wie diese Reihe dermaßen erfolgreich werden konnte. Die Musik ist furchtbar. Harry Belafonte mag ja ein gefeierter Star gewesen sein, wenn man seinen Calypso aber zwei Stunden lang nahezu ununterbrochen hören muss, lernt man ihn hassen. Die Kampfszenen sind lächerlich. Ebenso, wie der sogenannte Drache. Warum, zum Teufel, explodiert eigentlich jedes Fahrzeug, wenn es auch nur einen halben Zentimeter von der Straße abgekommen ist? Warum spricht Ursula Andres so komisch? Warum spricht sie überhaupt? Und die Frisur? Diese elende Frisur! Wer hat Sean Connery nur erlaubt, diese Frisur zu tragen?
Aus damaliger Sicht war der Film natürlich in sofern spannend, weil er an Originalschauplätzen gedreht wurde und die Handlung des Films entsprach voll und ganz der perfekten Angstvorstellung der westlichen Welt. Ein teuflisches Superbrain, das einfach die heldenhaften Astronauten töten will? Das ist ja furchtbar! Und wer muss die Eisen aus dem Feuer holen? Ausgerechnet ein britischer Geheimagent. Ganz klar, dass das vielen Zuschauern gefallen hat. Die paar Nerds, die die Romane von Ian Flemming wirklich gelesen haben, hätten wohl nicht gereicht.

Ein Jahr später kam "Liebesgrüße aus Moskau". Hier wird erstmals die Verbrecherorganisation Phantom eingeführt. Das ist sozusagen eine Art Spiegel zum MI6. Alle Mitglieder haben Code-Nummern und sie arbeiten unentwegt an teuflischen Masterplänen, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Zunächst geht es allerdings um Rache. James Bond hat nämlich Dr. No gekillt, der ebenfalls ein hochrangiges Mitglied von Phantom war. Bond wird durch einen cleveren Trick nach Istanbul gelockt und soll hier standesrechtlich exikutiert werden. Der denkt hingegen an nichts anderes, als... Als an eine neuartige Dechiffriermaschine natürlich. Ganz der Profi eben.
Dieser Film ist in zwei Hälften geteilt. Zuerst gibt es einige langatmige Szenen in einem völlig überkitschten Istanbul mit tanzenden Zigeunern und langatmigen Dialogen. Dann verlagert sich die Handlung in einen Nachtzug. Hier wirds wieder richtig spannend und man bekommt immer mehr den Eindruck, zwei Filme zu sehen.

"Goldfinger" ist dann der erste Film, der sozusagen das klassische Bondfeeling zelebriert. Es gibt erstmals einen richtigen Titelsong - grandios: Shirley Bassey - und Gerd Fröbe ist ein gleichermaßen charismatischer, wie uriger Schurke. Endlich gibt es auch mal ein bisschen Agentenspielzeug und Special-Effects zu sehen. Die Handlung hingegen schlägt wieder schlichtere Töne an und präsentiert im Prinzip eine Auffrischung der Handlung des ersten Teils.
Unfreiwillig komisch wirkt der Name des weiblichen Widerparts. Pussy Galore ist einfach ein völlig bekloppter Name.

Weiter geht es mit dem etwas missglückten "Feuerball", der 1983 von Irvin Keshner neu verfilmt wurde.
Phantom ist wieder da und will die NATO erpressen. Zu diesem Zweck werden zwei Atombomben entführt. Bond muss wieder in die Bresche springen und den Tag retten.
Hier wird endlich auch unter Wasser geknutscht und die mehr als sadistische Todesart durch Haiffischverseuchtes Poolwasser lässt ordentliche Fieslingsstimmung aufkommen. Modische Entgleisungen, ein unerreichter Tom Jones im Vorspann und wieder diese verdammte Frisur lassen "Feuerball" dennoch im Gedächtnis haften.

Weiter geht es dann mit "Man lebt nur zweimal". Den habe ich noch ganz gut in Erinnerung und weiß noch, dass sich Sean Connery hier in einen Japaner verwandeln muss und in dieser Aufmachung eher nach Spok aussieht. Apropos: Warum hat Connery eigentlich nie bei Star Trek mit gespielt?

So albern und merkwürdig diese Filme aus heutiger Sicht anmuten; James Bond ist ein fester Bestandteil der Filmkultur dieser Welt und präsentiert auch irgendwie stets ein Zeitbild. Zwischen den Zeilen kann man nämlich, mal deutliche, mal dezente Gesellschaftskritik lesen und das sucht man in aktuellen Agentenfilmen oft vergeblich. Letztendlich zeigen die Filme aber eine Utopie, nämlich, dass es immer jemanden geben wird, der die Welt retten wird, selbst wenn alles andere längst zerstört ist. Ich persönlich fürchte, dass es so jemanden in Wirklichkeit nicht gibt. Niemanden, der sich so selbstlos aufopfert. Niemanden mehr, auf den man sich dermaßen verlassen kann, wie auf Agenten 007.
Deshalb sei an dieser Stelle gesagt - fast, wie bei einem Gebet - "Have no fear...cause Bond is back..."

Dr No (GB, 1962): R.: Terence Young; D.: Sean Connery, Ursula Andres, Joseph Wiseman, u.a.; M.: Monty Norman

From Russia With Love (GB, 1963) : R.: Terence Young; D.: Sean Connery, Daniela Bianchi, Anthony Dawson, u.a.; M.: John Barry

Goldfinger (GB, 1964): R.: Guy Hamilton; D.: Sean Connery, Honor Blackman, Gert Fröbe, u.a.; M.: John Barry

Thunderball (GB, 1065): R.: Terence Young; D.: Sean Connery, Claudine Auger, Adolfo Cell, u.a.; M.: John Barry

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Freitag, 5. Oktober 2012

Wir wollten aufs Meer

Historische Aufarbeitung in Filmen ist immer so eine Sache. Nie kann ein Film alle Aspekte eines historischen Ereignisses oder einer Epoche darstellen. Die Filmemacher müssen sich für einen Aspekt entscheiden. Bestenfalls wird dieser Aspekt gut inszeniert und es entsteht ein spannender Film. Heikel wird es bei Filmen über die neueste Geschichte. Über die DDR und ihre Geschichte gibt es unzählige Ansichten und Meinungen. Vor allem gibt es viele Zeitzeugen und wenn heute jemand einen Film über die DDR macht, muss er genau aufpassen, für welchen Aspekt er sich entschieden hat, um darüber zu berichten. Wenn man nun hört, dass der Debutant Toke Constantin Hebbeln, der im Westen geboren wurde und gerade mal 12 Jahre alt war, als die Mauer fiel nun seinen ersten Spielfilm der Problematik Stasi und Stasi-Gefängnis widmet, wird man gleichzeitig hellhörig und skeptisch.

Conny und Andi sind von Kindesbeinen an beste Freunde. Sie teilen einen großen Traum. Sie wollen aufs Meer. Das ist in der DDR allerdings nicht so einfach. Nur Bürger, die als absolut gefestigt und republiktreu gelten, dürfen auf die Überseeschiffe. So entwickeln die beiden Freunde eine totsichere Strategien. Sie heuern bei der Handelsmarine an und beginnen dort als Hafenarbeiter. Sie wollen sich immer weiter hocharbeiten, bis sie irgendwann auf die Matrosenschule, und dann schließlich irgendwann aufs Meer dürfen. Doch den beiden werden immer wieder Steine in den Weg gelegt. Nach vielen Jahren sind sie immer noch kleine Hafenarbeiter und ihrem Ziel keinen Schritt näher gekommen. Da bekommen sie das Angebot, Kollegen zu bespitzeln, denn natürlich verlockt die Anwesenheit so vieler internationaler Schiffe im Hafen den ein oder anderen dazu, darüber nach zu denken, das Land zu verlassen. Als Belohnung für lohnende Informationen sollen die beiden endlich zur See fahren dürfen.
Conny findet diesen Weg allerdings falsch und lehnt das Angebot der Stasi ab. Andi ist aus anderem Holt geschnitzt und verrät den langjährigen Kollegen Schönherr. Die beiden Freunde geraten hart aneinander und im Laufe des Streits wird Andi schwer verletzt. Conny sieht unterdessen keine andere Möglichkeit mehr und ergreift die Flucht. Andi ist mittlerweile stocksauer und will sich rächen. Er verrät auch Conny. Der wandert ein und Andi wird Stasi-Mitarbeiter. Während der eine also mit allen Konsequenzen seine Entscheidung trägt, den Traum zu verwirklichen, egal, was dafür getan werden musste, entfernt sich der andere Freund immer mehr von dem Vorhaben, aufs Meer zu fahren.
Die ersten Minuten von „Wir wollten aufs Meer“ lassen Schlimmes befürchten. Der Vorspann und die Aufmachung erinnern sehr stark an drittklassige Eigenproduktionen privater Fernsehsender. Dieser Tage lief erst ein unsägliches Liebesdrama über die Berliner Mauer auf einem der bunten TV-Sender. Dass Hebbelns Erstling allerdings kein Event-Film-Film ist, merkt man glücklicherweise relativ schnell. Im Grunde zeichnet er nämlich ein sehr nüchternes Bild der Vorgehensweise und Methoden der Stasi. Wir sehen ein System, dass davon lebt, Menschen zu beschatten und schließlich gegeneinander auszuspielen. Interessant ist aber der Gedanke, den der Film zusätzlich mit transportiert. Die beiden Hauptfiguren durchleben tragische Situationen. Keiner von beiden ist der Held oder der Schurke. Beide können einem leid tun, aber sie zeigen, dass man trotz allen Drucks von Seiten des Staates immer eine Wahl gehabt zu haben schien. Diese beiden Freunde haben ihre jeweilige Wahl getroffen und ziehen sie mit allen – teilweise unangenehmen – Konsequenzen durch. Beiden wird durch den jeweils anderen gezeigt, was ihnen passiert wäre, hätten sie sich für die andere Seite entscheiden. Daraus ergibt sich eine sehr spannende und ungewöhnliche Konstellation. Das macht diesen Film so interessant und bietet erstaunliche Perspektiven auf ein Land, welches unsere Generation eben vielleicht nur noch aus Eventfilmen von Privatsendern kennt.
Natürlich kann  sich Hebbeln nicht verkneifen, ein paar gestalterische Mittel über zu beanspruchen. So arbeitet er unentwegt mit farblichen Filtern, die die jeweiligen Situationen recht plastisch und bühnenhaft wirken lassen. Die Musik ist sehr aufregend und erinnert nicht selten an amerikanische Agenten-Thriller, was in manchen Szenen einfach unpassend und zu dramatisch wirkt. Der Film packt außerdem eine Liebesgeschichte dazu, die unnötig gewesen wäre.

„Wir wollten aufs Meer“ ist nicht perfekt, aber überraschend. Ungewohnt nüchtern werden hier beide Seiten der Stasi-Problematik dargestellt. Der Film ist weder schwarz noch weiß und das ist auch die Art und Weise, wie man aus heutiger Sicht die gesamte DDR-Geschichte betrachten sollte. Nichts war einfach und alles war wesentlich komplizierter, als wir uns das vorstellen können. Der Film lässt viel offen, inspiriert aber vielleicht dazu, sich intensiver und offener mit der neuesten Geschichte der DDR zu beschäftigen.

Wir wollten aufs Meer (D, 2012): R.: Toke Constantin Hebbeln; D.: August Diehl, Alexander Fehling, Rolf Hoppe, Sylvester Groth, u.a.; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 27. September 2012

Liebe

Viele regelmäßige Kinobesucher stoßen sauer auf, wenn sie an Kunst im Film oder gar Film als Kunst denken. Das liegt daran, dass die Kunst im allgemeinen immer auf der Suche nach Neuem ist. Die Kunst ist es heute nicht mehr, besonders schön malen zu können, sondern etwas zu machen, was vorher noch niemand gemacht hat. Naja. Zumindest etwas, was vorher noch niemand als Kunst verkauft hat. Das führt dazu, dass die moderne Kunst anstrengend sein kann. Oft genug wird man mit Werken konfrontiert, die man nicht versteht. Und das nervt. Moderne Regisseure, die was auf sich halten, müssen ebenfalls Kunst in ihre Filme einbauen. Gewackel, Unschärfeeffekte, Zeitlupen, Kunst fertig!
Regisseur Michael Haneke dagegen hat sich offenbar nie wirklich um die Kunst als visuelles Mittel geschert. Seine Filme zeichnen sich durch einen sehr realistischen Stil aus, ohne dokumentarisch zu wirken. Seine Kunst ist es, eine Geschichte so intensiv und dicht zu erzählen, dass man sie nie wieder vergisst.

Georges und Anne  sind seit vielen Jahren verheiratet. Sie verbringen ihre Ruhestand in einer schönen Wohnung in Paris. Gemeinsam genießen sie gutes Essen, gehen von Zeit zu Zeit ins Konzert und interessieren sich vor allem für Literatur. Anne hat früher als Klavierlehrerin gearbeitet und einer ihrer Schüler – Alexandre – ist ein weltberühmter Pianist geworden. Nach dem Konzertbesuch eines Abends geschieht etwas merkwürdiges. Anne sitzt plötzlich ganz starr da und reagiert auf nichts mehr. Georges ruft ihren Namen und schüttelt sie, doch sie ist vollkommen weg. In größter Sorge will Georges mit ihr zum Arzt. Da erwacht sie plötzlich und ist wieder, wie vorher. Sie kann sich nicht einmal mehr daran erinnern, was geschehen ist. Georges kann sie überreden, zum Arzt zu gehen. Dort wird eine verstopfte Arterie diagnostiziert und eine Operation wird anberaumt. Während der OP geht allerdings etwas schief und Anne erleidet einen Schlaganfall. Von nun an ist sie halbseitig gelähmt und Georges muss sie pflegen. Da Anne Krankenhäuser verabscheut, geschieht das bei ihnen zu Hause.
Der Alltag des Ehepaares ist von nun an von neuen Ritualen geprägt. Bei allem braucht Anne Georges Hilfe. Die ehemals so resolute und selbstständige Frau leidet sehr unter ihrem Zustand und das lässt sie ihren Mann spüren. Auch Georges leidet, und weiß bald nicht mehr, was er noch tun soll. Bei allem, was er versucht, scheint sich Anne immer weiter von ihm zu entfernen. Eines ist für ihn jedoch zu jedem Zeitpunkt klar. Er liebt seine Frau.

Eines haben alle Filme von Haneke gemeinsam: Immer, wenn ich aus dem Kino komme, bin ich vollkommen platt. Der Regisseur vermag es, die Kernbotschaft seines Filmes so klar zu definieren und vor allem darzustellen, dass man an nichts anderes mehr denken kann. Wie schon am Anfang erwähnt, verschleiert sein Stil nichts durch irgendwelche unpassenden künstlerische Einwürfe, sondern zeigt absolut alles auf eine ganz klare Weise. In einigen Filmen hat Haneke eine ganz eigene Weise bei der Darstellung von Gewalt entwickelt. In „Funny Games“ zum Beispiel gibt es keine explizite Gewaltdarstellung. Viel mehr bleibt die Kamera vor der Tür und man hört höchstens einige Geräusche. Der Zuschauer kann sich also nur vorstellen, was passiert. Das hat eine derart starke Wirkung, die das gezeigte Bild niemals erzielen könnte.
In „Liebe“ ist es so ähnlich. Den eigentlichen Krankheitsverlauf sieht man nicht. Es wird darüber geredet und das eigentlich schockierende ist, dass man den zunehmend schlechter werdenden Zustand Annes mitbekommt. Georges Verzweiflung wird – bis auf eine Schlüsselszene -  auch nie direkt dargestellt. Man merkt ihm aber an, wie sehr er damit zu kämpfen hat. Die beiden Schauspieler füllen ihre Rollen sehr präzise aus. Sie spielen eben nur so viel, wie nötig ist, um die Figuren der etwas abstrakt wirkenden Metaebene des Konstrukts eines Filmes anzupassen. Eigentlich sehen wir echte Menschen, mit echten Emotionen in einer Situation, die ebenfalls hundertprozentig realistisch ist. Es lässt sich im Grunde gar nicht beschreiben, was denn nun so eindrucksvoll an diesem Film ist und warum es so besonders ist, etwas im Kino zu sehen, das im Grunde alltäglich ist. Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Filme künstlich wirken, weil sie nun mal versuchen, die Wirklichkeit nachzumachen, oder eben darzustellen. Michael Haneke schafft es nun tatsächlich, die echte Welt in den Film zu holen. Das ist es, was den Film ausmacht. Was der Film inhaltlich und philosophisch bedeutet, muss jeder für sich selbst entdecken.

„Liebe“ ist einmalig. Niemals zuvor habe ich einen ähnlichen Film gesehen. Noch nie war ein Film so nah an der Wirklichkeit, ohne aufgesetzt oder abstrakt zu wirken. Noch nie habe ich so lange gebraucht, um einen Film sacken zu lassen. Mit diesem Film hat Haneke seinen Segen und seinen Fluch geschaffen, denn ich glaube nicht, dass es ihm noch einmal gelingt, ein solches Kunststück zu vollbringen.

Amour (AT/F, 2012): R.: Michael Haneke; D.: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert, Alexandre Tharaud, u.a.; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 20. September 2012

Filmkunstmesse Leipzig 2012


Die Filmkunstmesse in Leipzig ist die größte Fachmesse für Arthousekinos in Deutschland.
Die Messe bietet für Kinobetreiber und Verleihfirmen zahlreiche Seminare und Workshops, sich über Strategien bei der Vermarlktung von kleineren Filmproduktionen weiterzubilden.Zusätzlich kann man sich über neue Kinotechnik informieren. Die zunehmende Digitalisierung des Kinos stellt viele kleine Kinos vor das Problem, dass sie nicht wissen, wie das Ganze finanziert werden soll. Der wichtigste Teil der Messe aber sind die FIlme. Viele FIlme, die erst noch in den deutschen kinos anlaufen werden, erleben in Leipzig oft ihre Premieren und in zahlreichen Screenings hat man einfach schon mal die Möglichkeit, die Filme zu sehen und als Kinobetreiber zu entscheiden, ob man sie spielen will.
Und damit sind wir beim interessanten Teil der ganzen Veranstlatung.
Alles, was arthousetechnisch im nächsten halben Jahr auch nur ansatzweise interessant werden könnte, wird hier gezeigt.
So gibt es zum Beispiel die neuen Arbeiten von Francois Ozon und Oliver Stone zu sehen. Fathi Akim ist sogar selbst anwesend und hat seinen neuen Film im Gepäck.
Außerdem läuft die Neuverfilmung von Charles Dickens "Great Expectations" - mit Helena Bonham Carter und Ralph Fiennes - die bereits jetzt schon mit Preisen überhäuft wurde.
Es läuft "Die Jagd", der neue FIlm von Thomas Vinterberg.
Eröffnet wird die Messe von "Die Wand", ein atemberaubender und beeindruckender Solo-Auftritt von Martina Gedeck.
All das läuft und Jan muss draußen bleiben, der aus organisatorischen Gründen noch immer kein Badget um den Hals trägt. Aber das ist ein anderes Thema, über das sich an anderer Stelle mit hochrotem Kopf ereifert wird
Der neue FIlm von Martin MacDonagh steht auf dem Programm und heißt "Seven Psychopaths". Der "Brügge - sehen und sterben"-Regisseur schickt ein hochkarätiges Ensemble in eine turbulente Gangster-Komödie. Wir sehen Colin Farell, Sam Rockwell, Woody Harelson und Christopher Walken. Das Ganze istvöllig überzogen aber mit grandiosen Witzen und spritzigen Dialogen. Ein großer Spaß für Menschen mit einer leichten Affinität zu schwarzem Humor und ein Fest für alle Filmfans. Der Film ist nämlich vollgepackt mit skurillen Zitaten aus dem Actionkino der 70er Jahre.
Hatte ich erwähnt, dass Tom Waits auch mit spielt? Nein? Jetzt sei es erwähnt. Obwohl das eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Bei einem Film von MacDonagh, der "Seven Psychopaths" heißt, ist doch eigentlich klar, dass Tom Waits einer von ihnen ist.

Einen ganz anderen Ton schlägt "Lore" an.
Die australische Regisseurin Cate Shortland tut das, was sich offenbar kein deutscher Regisseur traut. Sie präsentiert die filmische Aufarbeitung der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland. Lore ist die Tochter eines hochrangigen Nazigenerals. Als die Eltern von den Alliierten abgeholt werden, schnappt sich Lore ihre vier Geschiwster und flieht. Auf dem Weg zur Großmutter quer durch das zerstörte Land, wird Lore mit großen zweifeln an ihrer bisher unerschütterten Überzeugung konfrontiert. Der Film gewährt einen verstörenden Blick auf eine Zeit, über die wir eigentlich gar nicht zu genau bescheid wissen wollen. Auch, wenn viele Dinge nur angedeutet werden, muss man mit Lore schreckliche Dinge durchleben. Selbst Shortland war das wohl alles etwas zu hart, denn sie weicht das ganze ab und zu mit fiebrigen und kunstvollen Einsprengseln auf, die den Zuschauer zwar etwas schonen, aber irgendwie deplatziert wirken. Dennoch ist "Lore" ein sehr beeindruckender Film mit nicht minder beeindruckenden Nachwuchsschauspielern.
Soweit ein kleiner Einblick in die unglaublich große Liste an Filmen, die in diesem Jahr in Leipzig präsentiert wurden.

Auch in ihrer zwölften Ausgabe hat die FIlmkunstmesse in Leipzig wieder gezeigt, wie viel Potential der gesamte Arthouse-Sektor birgt. Überraschendes, Beeindruckendes und viele kleine Filmperlen, die im nächsten halben Jahr laufen werden, lassen das Filmherz höher schlagen und mich regelrecht frohlockend in den kalten winter starten.
Das wird ein Fest...

"Seven Psychopaths" wird in Deutschland, vorraussichtlich unter dem Titel "Sieben Psychos", am 6. Dezember 2012 starten.
"Lore" startet am 1. November 2012. Der Film hat schon jetzt diverse Preise erhalten, unter anderem den Publikumspreis von Locarno. "Lore" wurde außerdem für die Oscars zur Nominierung eingereicht.

Was bleibt

"Der deutsche Film..." Ich habe keine Ahnung, wie viele Rezensionen an dieser Stelle schon mit diesen Worten begonnen haben. Filme aus Deutschland sind wichtig, präsentieren sich aber stets mit einer sehr stark schwankenden Qualität. Es ist also ein Unterschied, ob der Regisseur hinter einem Projekt nun Marcus H. Rosenmüller heißt, oder Til Schweiger. Neben zahlreichen völlig überbewerteten Romantic Commedys aus deutschen Landen, gibt es - Gott sei Dank - immer wieder kleine Perlen, die die große Bürde auf sich genommen haben, die Ehre des deutschen FIlmes zu verteidigen. So auch der neue Film von Hans-Christian Schmid "Was bleibt"

Marko hat es derzeit nicht besonders leicht. Die Beziehung zu seiner Freundin ist grade dabei, in die Brüche zu gehen und Markos Sohn leidet schon jetzt sehr unter der bevorstehenden Trennung seiner Eltern. Dann trudelt eine Nachricht seines Vaters ein. Irgendetwas wichtiges scheint passiert zu sein und die Eltern trommeln die ganze Familie und einige Freunde zusammen, für ein Treffen und eine kleine Feier.
Nachdem alle im Elternhaus eingetroffen sind, stellt sich heraus, dass es eine reine Familienveransstaltung wird und die große Ankündigung eigentlich eher eine Nebenrolle spielt. Der Vater hat seinen erfolgreich laufenden Verlag abgegeben. Gitte, die Mutter von Marko hat allerdings den größeren Hammer auf Lager. Seit vielen Jahren ist sie psychisch schwer krank und hat nun die Medikamente abgesetzt. Sie glaubt, auch ohne sie gut leben zu können. Die Familie ist da anderer Ansicht. Günther - der Vater - hält das für einen großen Fehler und nimmt sich vor, siene Frau noch vorsichtiger zu behandeln. Das wiederum führt dazu, dass Gitte sich ausgeschlossen fühlt. Das alles ist aber nur der Gipfel einer sehr langen und traurigen Familiengeschichte. all das bricht nun über Marko herein, der merkt, dass seine eigene Familie vielleicht noch gerettet werden kann.

Hans-Christian Schmid ist auch ein Regissuer, dessen Arbeiten einer stark schwankenden Qualität unterliegen. "23" zählt unter Fans zu  denausführlichsten Retrospektiven zum Thema Illuminaten und Verschwörungstheorien. "Crazy" wiederum war filmisch eher schwach, hat aber einen unglaublichen Erfolg gefeiert, weil die klischeebeahftete Komödie über kleine Jungs, die auf einem Internat langsam zu großen Jungs werden, bei der Zielgruppe irgendwie genau ins Schwarze getroffen hat. Über den Wahrheitsgehalt solch martialischer Riten, wie Kekswichsen wird noch heute heiß diskutiert.
"Was bleibt" wirkt auf den ersten Blick ganz anders, entpuppt sich aber schnell als perfekte Stilschablone für die Arbeiten von Hans-Christian Schmid.
Der Film fährt den gewohnten reduzierten Stil - unvermeidlich ist natürlich die Wackelkamera - und legt den Fokus auf die Figuren.
Corinna Harfouch ist eine wunderbare Schauspielrin, die ihre Rollen stets enrom überzeugend zu spielen versteht, es aber auch immer wieder sehr verblüffend meistert, ihre ganz persönliche Noite mit einzubringen.
Auch Lars Eidingers Darstellung ist sehr gelungen und es macht große Freude, den Schauspieler bei der Arbeit zu beobachten. Er ist eben einfach ein sympathischer Typ und versteht ebenfalls, diese Eigenschaft in seine Rolle mit einfließen zu lassen.
So positiv diese beiden Schauspieler auffallen, wirkt der Rest des Ensembles irgendwie hölzern und gekünstelt. Viele Szenen im Film sollen sehr alltäglich, also echt, wirken. Durch das hölzerne Spiel einiger Figuren wirkt es aber irgendwie falsch oder unpassend. Man hat nicht den Eindruck, dass die einzelnen Familienmitglieder wirklich unter der Situation leiden. Vor allem Jacob nervt schon fast durch seine komische Gestik, und seine Art zu sprechen klingt, wie auswendig gelernt.
Abgesehen davon ist der Film allerdings sehr rund und erzählt eine traurige Geschichte, die packt und mitfühlen lässt.

Einen dicken Kloß im Hals habend, verlässt man das Kino und ist doch gleichzeitig froh darüber, mal wieder ein solches Erlebnis gehabt zu haben. Filme, die derart gekonnt mit den Emotionen spielen können, gibt es nicht oft. Wenn es sie gibt, dann kommen sie oft aus Deutschland. Mission geglückt?

Was bleibt (D, 2012): R.: Hans-Christian Schmid; D.: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Sebastian Zimmler, u.a.; M.: The Notwist; Offizielle Homepage

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Montag, 10. September 2012

Kineast auf der Filmkunstmesse 2012

Nächste Woche geht es wieder los. Die sympathische Messe für Arthousekino lädt zum 12. Mal nach Leipzig ein. Nachdem ich im letzten Jahr sehr gute Erfahrungen gesammelt habe, wird in diesem Jahr alles ein bisschen anders. Ich habe durch glückliche Umstände die Möglichkeit, wesentlich mehr Filme sehen zu dürfen. Deshalb werden die Beiträge in diesem Jahr etwas anders gestreut. Der Tickercharakter vom letzten Jahr fällt diesmal flach und die Filme, die ich gesehen habe, werden viel ausführlicher besprochen werden. Am 17. September geht's los und ich bin sehr gespannt, was es nach so großartigen Filmerlebnissen im letzten Jahr („Melancholia“, „Drive“, etc.) diesmal zu erleben gibt.

Freitag, 7. September 2012

Total Recall

Da haben wir es doch mal wieder.: Die Einfallslosigkeit erreicht neue Ebenen und man hat sich in Hollywood offensichtlich auf das Neuauflegen von Märchenklassikern festgelegt. Gestern wurde der erste Trailer von „Hänsel & Gretel Hexenjäger“ veröffentlicht und hat für vielerlei Kopfschütteln gesorgt. Es ist kein Wunder, dass angesichts solcher völlig bekloppter Entgleisungen lieber auf Nummer sicher gegangen wird, und man sich auf das Produzieren von Remakes konzentriert.
Besonders das Actionkino aus den späten 80ern und frühen 90ern erlebt derzeit eine Wiederauferstehung, oder eben Leichenfledderei, je nach Ansicht.
Regisseur Len Wiseman, der in der letzten Zeit hauptsächlich durch Leichenfledderei des „Underworld“-Franchise von sich Reden machte und ein eher unterdurchschnittliches „Stirb langsam 4.0“ abgeliefert hatte, geht nun wacklige Schritte in der zwiespältigen Ruhmeshalle der Remakes und läuft derzeit mit seiner Neuauflage des Verhoeven-Trash-Klassikers „Total Recall“ in den deutschen Kinos.

Wir sind in einer düsteren Zukunft. Die Erde ist nach irgendwelchen Kriegen nahezu unbewohnbar. Es gibt noch zwei Flecken, die von Menschen bevölkert sind. Lediglich im ehemaligen Großbritannien und in Australien ist Leben überhaupt noch möglich. In Europa haben es sich die Reichen und Schönen der Welt gemütlich gemacht und auf der anderen Seite der Welt, ist die Arbeiterklasse der neuen Gesellschaft untergebracht. Durch einen großen fahrstuhlartigen Schacht pendeln die Arbeiter regelmäßig quer durch den Planeten, um in riesigen Fabriken zu arbeiten und zu malochen. Dass dieses System nicht nur Freunde hat, ist klar. Besonders in der Kolonie gibt es große Schwierigkeiten mit dem Widerstand, der vom mysteriösen Matthias angeführt wird.
Das kann Kanzler Cohaagen nicht akzeptieren, denn es geht auch um einen Riesenhaufen Geld und Macht.
Douglas Quaid ist ein einfacher Fabrikarbeiter, der aber irgendwie das Gefühl hat, für mehr bestimmt zu sein. Er kriegt diesen Gedanken nicht aus seinem Kopf und auch seine wunderschöne Frau Lori kann ihn nicht so recht trösten. Außerdem wird Doug von merkwürdigen Träumen geplagt. Eines Tages erfährt Doug von einer Firma namens Rekall. Diese Firma hat sich darauf spezialisiert, Erinnerungen zu implantieren, so dass man, zum Beispiel, einen super teuren Urlaub machen kann, ohne wirklich weg zu fahren. Außerdem kann man Dinge tun, die man in der Wirklichkeit nie tun qüesw. Doug besucht Rekall und nach anfänglicher Skepsis entscheidet er sich für ein ganz besonderes Angebot. Er will Geheimagent sein. Das Programm sieht alles vor, was das Herz begehrt.  Eine ausgewachsene Verschwörung, massenhaft böse Jungs, das hübsche Mädchen von Nebenan und die unvermeidliche Femme Fatale. Doug hofft, dass ihm dieses Erlebnis ein bisschen Abwechslung bringt und greift zu. Und damit gehen die Probleme los.

Wie sollte man sich ein Remake angucken? Das hängt im Wesentlichen davon ab, was hier neu aufgelegt wurde. Zu viele Gedanken sollte man sich darüber aber nicht machen. Die meisten Remakes sind nämlich tatsächlich überflüssig und reichen qualitativ sehr selten an das Original. Apropos Original: Bevor man den neuen Film sieht, kann man sich natürlich den alten Schinken ansehen. Dieser Film ist natürlich alt und im Falle eines Science Fiction Filmes ist er technisch längst überholt. In manchen Filmen sieht man, wie man an die Grenzen des Machbaren gestoßen ist und ist vielleicht gespannt, wie man die entsprechende Szene mit moderner Tricktechnik gemacht hat. Beim Betrachten des alten Filmes achtet man auf die Atmosphäre und welche Elemente im Vordergrund sind. Also, was den Film zu dem macht, was er ist.
Im Falle von Paul Verhoevens „Total Recall“ von 1990, sind die prägenden Elemente ganz schnell ganz klar. Aus regelrecht jeder Pore des Films dringt der Koloss Arnold Schwarzenegger. Daneben gibt es eigentlich nur noch Action und eine Frau mit drei Brüsten. Damit sind auch die Prioritäten des Regisseurs dargelegt. Trotzdem gelingt noch der faszinierende Story-Zwist, dass man eigentlich nie so richtig weiß, ob all die Ereignisse nun wirklich stattfinden, oder lediglich in Dougs Kopf.
Len Wisemans Film nun ist viel aufwändiger produziert. Mit beeindruckenden Special-Effects wurde hier eine sehr detaillierte Zukunftswelt geschaffen. Alles ist irgendwie übereinander gestapelt und vermittelt ganz gut den Eindruck einer überbevölkerten Stadt. Einige Ecken sehen zwar exakt so aus, wie in „Blade Runner“, aber das ist okay. Schließlich basiert auch dieser Film auf einer Kurzgeschichte des Blade-Runner-Autoren Philip K. Dick. Die Charaktere sollen viel mehr Tiefe zeigen, als im Original. Das gelingt eher weniger gut und hält eigentlich nur den Flow des Filmes auf. Die Action-Szenen sind sehr schick, allerdings sieht man sich zu schnell an ihnen satt und irgendwann scheint der Film nur noch aus unendlichen Ballereien zu bestehen. Nüchtern betrachtet liefert Len Wiseman also nur Action und die Frau mit drei Brüsten – ohne Arnie. Und damit sind wir beim großen Problem dieser Neuauflage. Schwarzenegger-Filme ohne Schwarzenegger können einfach nicht funktionieren. Durch diesen Darsteller haben alle Filme einen bestimmten Touch bekommen, den man entweder mochte, oder nicht. Arnie gab selbst den allergrößten Mistfilmen noch eine besondere Note.
Egal, was diese besondere Note ausgemacht hat, ernst durfte man das nie nehmen. Aber Len Wiseman nimmt es ernst. Kein hintergründiger Sarkasmus mehr und keine Seitenhiebe auf die heutige Gesellschaft. Keine raffinierte Szene, in der ein Schweißtropfen zum Schlüsselsymbol avanciert. Stattdessen nimmt man lieber Dubstep.
Wie guckt man also am besten ein Remake? In diesem Fall wohl gar nicht.

„Total Recall“ fängt sogar ganz gut an. Der Film bietet einige Ansätze, die er dann aber nicht verfolgt. Technisch beeindruckt Len Wiseman allemal. Er gibt sich so viel Mühe, diese Welt überzeugend aussehen zu lassen und erzielt dabei verblüffende Ergebnisse. Dann lässt er das Potential wirkungslos verpuffen, weil er eben die stumpfsinnige Geschichte eines zwanzig Jahre alten, trashigen Actionfilmes nach erzählen will. Eigentlich - wenn man sich das mal genau betrachtet - ist das eine völlig bekloppte Idee!

Total Recall (USA, CAN, 2012): R.: Len Wiseman; D.: Colin Farrell, Kate Beckinsale, Jessica Biel, Bill Nighy, u.a.; M.: Harry Gregson-Williams; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 16. August 2012

Prometheus - Dunkle Zeichen

Der Weltraum. Die letzte Grenze. Jedoch liegt es in der Natur des Menschen, seine Grenzen auszuloten und sich immer weiter zu entwickeln. Die Grenzen, die sich dem Menschen in den Weg stellen, sind nur die, die er sich selbst auferlegt – und seien es nur die Grenzen der eigenen Fantasie. Durch das ständige Fragen und Forschen, werden Grenzen auch überschritten und so ist auch der Weltraum längst nicht mehr so, wie ihn Gene Roddenberry einst beschrieb. Science-Fiction-Filme gab es schon immer. Einer der ersten Filme überhaupt berichtet von der Reise zum Mond, lange, bevor Neil Armstrong seinen berühmten Satz über große und kleine Schritte zur Erde sandte. Viele nachfolgende SciFi-Werke hatten vor allem die Faszination gemeinsam, die eine Reise ins All bedeutet. Es ist eben eine neue Welt, in der es allerlei aufregende Abenteuer zu bewältigen gilt. Ridley Scott veränderte 1979 mit „Alien“ alles. Das Weltall war plötzlich ein sehr gefährlicher Ort, in dem Wesen existierten, deren Kraft und Ausdauer nur noch von ihrer Boshaftigkeit übertroffen wurde.
„Alien“ machte unfassbare angst und inspirierte zugleich einige andere Regisseure zu grandiosen Sequels. Die Serie hat in den letzten Jahren allerdings sehr gelitten. Diverse Versuche, Spin-Offs in Videospielästhetik und mit arg bemühten Klassentreffen mit anderen Filmmonstern zu etablieren, scheiterten an der Fantasielosigkeit der Filmemacher. Höchste Zeit, dass sich Scott selbst zurück meldet, um das Alien-Universum erneut unsicher zu macht.

Wir befinden uns auf der Erde, viele Jahre vor den Ereignissen des ersten Filmes. Eine Gruppe von Forschern rund um die Wissenschaflterin Elizabeth Shaw, hat eine waghalsige Theorie aufgestellt. Mehrere archäologische Funde unterschiedlicher prähistorischer Zivilisationen zeigten immer wieder die gleichen Motive, obwohl die verschiedenen Völker absolut keine Berührungspunkte haben konnten. Die Piktogramme stellen eine Sternkarte mit Koordinaten dar und dort hin wollen die Forscher fliegen. Man erhofft neben der Entdeckung einer außerirdischen Rasse, auch Hinweise auf die Entstehung der Menschheit zu finden. Weitere Thesen des Forscherteams gehen nämlich davon aus, dass wir von Fremden erschaffen wurden.
Die Firma „Weyland Industries“ finanziert den Bau eines neuen Schiffes und den gesamten Flug in die Tiefen des Alls. Nach einer Flugzeit von mehr als zwei Jahren, erreicht man das Ziel und landet. Auf der Oberfläche sieht es ganz so aus, als wäre alles buchstäblich ausgestorben. Nachdem allerdings Beweise gefunden wurden, die die Thesen der Wissenschaftler untermauern, beginnen, merkwürdige Vorfälle die Crew immer mehr zu beunruhigen.
Bald wird klar, dass es auf dem entlegenen Planeten doch noch etwas Lebendiges zu geben scheint. An dieser Stelle wird das Team auf eine harte Probe gestellt. Während Dr. Shaw einige sehr beunruhigende Entdeckungen macht, und sie eigentlich so schnell, wie möglich wieder weg will, hat der Android David andere Pläne. Er scheint eher dafür sorgen zu wollen, dass das, was da noch lebt, an Bord der Prometheus gelangt. Während sich die Crew gegenseitig sabotiert und verdächtigt, springen plötzlich die Bewegungsmelder an.

Ach Alien. Was bist du für ein merkwürdiges Ding? Dein Körper scheint nur aus Klauen und Zähnen zu bestehen und du bist komplett mit Schleim bedeckt. Außerdem hast du regelrecht perverse Fortpflanzungsgewohnheiten. Du lässt ein handförmiges Krabbelvieh aus einem Ei hüpfen. Das Ding saugt sich am Gesicht des Opfers fest und legt ein Embryo ab. Wenn das Vieh gewachsen ist, sprengt es die Brust des Opfers und hüpft raus. Dann geht es nur noch ums Überleben und Töten. Urinstinkte treiben dich an und du könntest die perfekte Waffe sein, wärst du nicht so unberechenbar bösartig. Die ganze Galaxis scheint das zu wissen, außer die dummen Menschen.
Das alles konnte man noch nicht wissen, als der erste „Alien“-Film in den Kinos lief. Ein großer Teil der Spannung entstand dadurch, dass man das Alien gar nicht richtig gesehen hat. Man wusste im Grunde nur, es ist da und keiner der Besatzung der Nostromo hat auch nur den Hauch einer Chance. Die Spannung wurde noch erhöht durch die beklemmende Atmosphäre eines riesigen Raumschiffs, dass in den unendlichen Weiten des Alls doch nur ein winzig kleiner Punkt war. Die Dimensionen des Dramas im Bezug auf die Dimensionen der Umgebung, erzeugten ein deprimierendes Gefühl der absoluten Hoffnungslosigkeit.
„Prometheus“ nun will im Grunde kein „Alien“-Film sein. Scott baut aber die perfekte Bühne dafür. Alle Elemente sind bekannt. Das riesige Schiff mit langen und verwinkelten Gängen lässt sofort nostalgische Gefühle aufkommen. Die Besatzung verbringt den größten Teil der Reise in Stasiskammern. Nur der Android David ist wach und passt auf. Der zeigt immer wieder, dass er wirklich nur eine künstliche Person ist, gleichzeitig  aber zum Beispiel ein enorm einprägsames Charaktergesicht besitzt. Mit leicht süffisanten Ausdruck verkündet er also, er habe keine Emotionen. Wer's glaubt? Waren doch in den früheren Filmen die Androiden Ash und Bishop mit die interessantesten Figuren der ganzen Reihe. An dieser Stelle hat Michael Fassbender übrigens erneut Gelegenheit, sein schauspielerisches Talent, überzeugend zu zeigen.
Beeindruckend ist auch Noomi Rapace, die seit der schwedischen Version von „Verblendung“ nicht wirklich tolle Rollen ergattert hat. Hier avanciert sie auf faszinierende Weise zur neuen Ripley, die aber dennoch ihre ganz eigenen Charaktereigenschaften ausbauen kann.
Und da haben wir die Bühne. Alles ist bereit für den perfekten „Alien“-Film. Und genau an dieser Stelle biegt Scott ab.
Als hätte er plötzlich keine Lust mehr und als würde er lieber eine andere Geschichte erzählen wollen. Interessanterweise wirkt das nicht krampfhaft, sondern sehr gekonnt. Die Dramaturgie des Filmes ist gut ausgearbeitet und schafft es, selbst gestandene „Alien“-Fans, die sich total gut auskennen, zu überraschen. Abgesehen davon funktioniert „Prometheus“ trotzdem immer noch irgendwie als Prequel. Scott hat es allerdings so konstruiert und konzipiert, dass man die Geschichte von Dr. Shaw auch vom eigentlichen Franchise los gelöst betrachten kann. Auf der anderen Seite geht es wiederum nicht, ohne die bekannten Versatzstücke. Ein interessantes Bild. Ridley Scott wollte vielleicht einfach wieder mit den Elementen spielen, die er einst selbst etabliert hatte, ohne unbedingt die Geschichte fortsetzen zu wollen.

„Prometheus“ ist ein Fest für die Fans. Neben den bekannten Elementen und Motiven ermöglicht die aktuelle Tricktechnik obendrein noch fantastische Bilder. Und auch, wenn dieser Film als so etwas ähnliches, wie eine Vorgeschichte im „Alien“-Universum angesiedelt ist, muss man die alten Filme nicht zwangsläufig gesehen haben. Ganz abseits des Franchises ist „Prometheus“ ein großartig inszenierter und unglaublich spannender Science-Fiction-Film. Für mich einer der Höhepunkte des Kinojahres 2012. Je größer die anfängliche Skepsis ist, desto größer ist die Begeisterung nach dem Kinobesuch.

Prometheus (USA, 2012): R.: Ridley Scott; D.: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron, u.a.; M.: Marc Streitenfeld; Offizielle Homepage

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Freitag, 10. August 2012

Ted

Seth MacFarlane ist ein witziger Mann. Nach dem Besuch des Kent-Internats studierte er Filmwissenschaften und machte seinen Abschluss im Bereich Animation. Schnell wollte er das Erlernte in die Tat umsetzen und arbeitete unter anderem für Hanna-Barabara-Productions und Cartoon Network.
1999 ging seine eigene Serie „Family Guy“ auf Sendung und versammelte gleichermaßen Verehrer und Kritiker um sich. MacFarlane bedient sich eines sehr bissigen und satirischen Humors, der stets mit dem guten Willen und dem Geschmack der Zuschauer spielt. Nichts und niemand ist vor ihm sicher. Zusätzlich werden regelmäßig Filmzitate aufs Korn genommen. Diese Mischung verleitet viele dazu, die Serie mit den „Simpsons“ zu vergleichen. Doch „Family Guy“ ist etwas eigenes und hat auch seinen ganz eigenen Humor. Jetzt hat MacFarlane seinen ersten Kinofilm gemacht, der entgegen früherer Ankündigungen kein „Family Guy“-Film geworden ist, sondern etwas Neues.

Johnny hat als kleiner Junge keine Freunde. Seine Eltern sind verbohrt und konservativ und während all seine Freunde die tollsten Spielsachen unter dem Weihnachtsbaum finden, bekommt Johnny einen...Teddy. Johnny freut sich tatsächlich sehr über das Geschenk und die Eltern können gar nicht fassen, wie dumm, oder genügsam ihr Sohn ist. Doch Johnny ist weder das eine, noch das andere, er ist höchstens ein bisschen naiv. Er wünscht sich jedenfalls ganz fest, dass sein neuer Teddy lebt und mit ihm reden könnte.
Da es in der Welt nichts mächtigeres gibt, als einen Kinderwunsch – abgesehen vielleicht von einem Apache-Kampfhubschrauber – geht Johnnys Wunsch in Erfüllung und sein Teddy erwacht zum Leben.
Die beiden werden beste Freunde und daran hat sich auch nach 27 Jahren nichts geändert.
Johnny hat allerdings mittlerweile eine Freundin, die die Beziehung etwas ernsthafter angehen will. Doch, solange Ted bei Johnny lebt, wird dieser nie erwachsen. Also muss Ted ausziehen und sich einen Job suchen. Kein einfaches Unterfangen für einen pöbelhaften Plüschteddy mit einem echten Drogenproblem.

Seth MacFarlane macht es in seinem Regiedebut ganz ähnlich, wie in der Fernsehserie. Er entwickelt Figuren, die in ihrer Umgebung total unpassend wirken, was aber im Film oder in der Serie niemanden aufzufallen scheint. In der Serie ist es völlig normal, dass ein Baby oder ein Hund spricht und Auto fährt. Genau so verhält es sich mit Ted. Er mag ein Teddybär sein, aber er hat ganz normale menschliche Verhaltensweisen und allein dieser Kontrast ist ein großer Hingucker.
Abgesehen davon ist dieser Bär total witzig. Ein niedliches Plüschtier entpuppt sich als bitterböser und sarkastischer Prolet, der säuft, kifft und sich Prostituierte einlädt. Diese starken Charaktereigenschaften wirken sich positiv auf die Hauptfigur aus, lassen aber die menschlichen Nebenfiguren relativ farblos da stehen. Gegen Ted haben sie einfach keine Chance und Möglichkeit, mehr als bloß schablonenhafte, stereotype Figuren zu sein. Dafür machen aber Mark Wahlberg und Mila Kunis einen passablen Job und man kann ihnen an sich nicht vorwerfen, dass sie im Angesicht des Teddys zurück treten.
Die Sprüche und Witze entsprechen dem bissigen Humor, den man bei Seth MacFarlane kennt, ebenso, wie Zitate aus allen möglichen und unmöglichen Filmklassikern.
Es gibt auch einige echt gelungene Cameo-Auftritte, alter und neuer Stars. Technisch ist der computeranimierte Teddy ebenfalls gelungen. Seine Bewegungen und vor allem die Mimik sind sehr detailliert und zeigen eine enorme Hingabe beim Entwickeln der Figur. Dafür hapert es an manch anderer Stelle. Eine Auto-Verfolgungsjagd wurde mit einfachen Digitalkameras gefilmt und wirkt dadurch schon sehr plastisch und durch den etwas hektischen Schnitt geht viel von der Atmosphäre – die wahrscheinlich bedrohlich, oder zumindest spannend sein sollte – einfach flöten.

Wer aber braucht schon besonders dichte Atmosphäre, wenn er einen sprechenden, sauwitzigen und so dermaßen niedlich aussehenden Teddybären hat? „Ted“ ist eine Komödie, die in alle Richtungen austeilt und wem der bissige Humor MacFarlanes zu sehr auf das zarte Gemüt schlägt, sollte den Film auslassen. Ha! Nur, weil er im Kino läuft, zieht MacFarlane doch nicht die Krallen ein. Der Mann, der den medialen Shit-Storm erfunden hat, oder zumindest eine neue Daseinsebene dieses neuartigen Phänomens ergründet hat, stürmt einfach immer weiter und weiter. Geht auf die Barrikaden, wenn ihr glaubt, es würde etwas nützen. Mit größter Sicherheit landet ihr dann in einer der nächsten Folgen von „Family Guy“.

Ted (USA, 2012): R.: Seth MacFarlane; D.: Mark Wahlberg, Mila Kunis, Seth MacFarlane, u.a.; M.:Walter Murphy; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

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