Freitag, 20. Mai 2011

Brighton Rock

Wenn jemand die derzeitige Phase des Films historisch deuten und bezeichnen will, könnte er es „Die Suche nach der verlorenen Kreativität“ nennen. Die großen Highlights im Kinojahr 2010 bilden Fortsetzungen, Buchverfilmungen, Comicverfilmungen, Verfilmungen von Internetblogs oder Remakes von Filmen, die Romane verfilmt haben. Wenn es keine bereits vorhandene Vorlage ist, die auf die Leinwand gebannt wird, dann werden es haarsträubende Kombinationen unmöglicher Einzelteile. Zum Beispiel kommt bald ein neuer Film von Lars von Trier, in dem eine Hochzeitsgesellschaft von einem aus dem All heran rasenden Planeten bedroht wird. Mal sehen, wie viel Kreativität der Erstling von Regisseur Rowan Joffe zu bieten hat. „Brighton Rock“ - natürlich ein Remake.

Brighton ist ein schönes kleines Städtchen an der Südküste Englands. Hier gibt es das Meer, eine wunderschöne Strandpromenade und umher fahrende, randalierende Motorrollergangs. Moment was? Das passt aber gar nicht zum kleinen Vorzeigebadeort. Die Gegend wird leider von marodierenden Jugendlichen heimgesucht und in Brighton wurden die Bürger bisher deshalb davon verschont, weil sich das organisierte Verbrechen hier eingenistet hat. Die Mobs um den Ganoven Cyde und den Edelmafioso Corleoni haben sich zähneknirschend geeinigt und die Stadt unter sich aufgeteilt. Sie verdienen ihre Brötchen durch das Eintreiben von Schutzgeldern und so herrscht Ruhe und Ordnung in Brighton. Eines Tages kommt Cyde in arge Bedrängnis und durch Corleonis Gehilfen Fred Hale versehentlich umgebracht. Das findet Pinkie – der hoffnungsvolle Zögling von Cyde – gar nicht gut und sinnt auf Rache. Seine Freunde wollen ihm helfen, Hale und Corleoni zu zeigen, dass mit den Kollegen nicht zu spaßen ist. Sie stellen Hale nach und der flieht auf die dicht bevölkerte Strandpromenade. Dort wird er von Pinkie gestellt, der sich in seiner Wut nicht beherrschen kann und Hale umbringt. Die junge Kellnerin Rose wird Zeuge des Vorfalls und Pinkie sieht nur einen Weg, sie zum Schweigen zu bringen.

Es ist eine ganz klassische Gangstergeschichte. Überhaupt ist alles an diesem Film klassisch. Regisseur Rowan Joffe hat so viel Respekt vor dem Original von 1947, dass er teilweise komplette Sequenzen einfach übernimmt. Perspektive, Schnitt und Dialoge finden sich beinahe eins zu eins im Original wieder. Genau, wie die Darstellung der Figuren. Die Musik ist zwar neu komponiert, orientiert sich allerdings enorm stark an den Themen des Originalsoundtracks. Und so geht es weiter. Sämtliche Motive, bis hin zum malerischem Finale am nächtlichen Leuchtturm sind nach gemacht. Es ist beinahe so, als sieht man sich die alte Inszenierung eines klassischen Theaterstücks mit neuen Schauspielern an. Nun steht die Frage im Raum, ob man einen solchen Film sehen muss, und ob man ihn überhaupt genießen kann. Die Antwort fällt relativ leicht. Ich habe den Film genossen, gerade weil er den Charme eines alten Klassikers so unverblümt auf die Leinwand zaubert. „Brighton Rock“ erzählt obendrein eine sehr spannende Geschichte und ist unglaublich intensiv und hoch dramatisch geraten. Die Wenigsten der heutigen Kinogeneration dürften das Original mit Richard Attenborough kennen, werden aber den Staub, der dem Stoff anhängt bemerken. Dass sich ein Regisseur für seinen Erstling auf einen etablierten Filmklassiker ausruht ist heutzutage vollkommen legitim und wirkt auch nicht unkreativ oder aufgesetzt.

In seinem Stil und seiner Art passt „Brighton Rock“ perfekt in die aktuelle Phase der Filmentwicklung. Wie auch immer man sie später nennen wird, Rowan Joffe könnte ein der Lage sein, diese Phase nicht nur zu überstehen, sondern eine neue ein zu läuten.

Brighton Rock (GB / USA, 2010): R.: Rowan Joffe; D.: Sam Riley, Helen Mirren, John Hurt, Andy Serkis, u.a.; M.: Martin Phipps; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Winter's Bone

Die Oscarverleihung ist schon eine Weile vorbei und der Wirbel und die Aufregung haben sich längst gelegt. Interessanterweise waren damals viele Zuschauer der Meinung, Natalie Portman hätte den Oscar für ihre Rolle in „Black Swan“ voll und ganz verdient. Seit ein paar Wochen läuft nun der hartnäckigste Konkurrent Portmans in den deutschen Kinos und nun sagen viele – wahrscheinlich die gleichen Leute – Jennifer Lawrence wäre viel besser und die Vergabe der Auszeichnung sei nicht nachzuvollziehen. Ob das so ist, sollte man am besten selbst entscheiden, nachdem man sich „Winter's Bone“ angesehen hat

Ree lebt mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern in einer vergammelten Hütte in einer swe trostlosesten Gegenden des amerikanischen Outbacks. Die Zeiten sind hart und es fehlt an allem. Neben der ständigen Sorge um Geld, muss sich Ree auch noch um ihre kranke Mutter kümmern. Ohne tägliche Ausflüge in den Wald, hätte die Familie wohl nicht genug Essen. Eines Tages steht der Sheriff vor der Tür und informiert sich nach dem Aufenthaltsort des Vaters. Der ist nämlich wegen Drogendelikten ins Gefängnis gekommen und nun auf Kaution wieder auf freien Fuß. Als Kautionsbürge hat er das Haus und das Grundstück der Familie verpfändet. Sollte er zu seinem Gerichtstermin nicht erscheinen, verlieren Ree und ihre Familie alles, was sie haben. Da der Sheriff in der Gegend nicht besonders angesehen ist, sieht er sich außerstande, den Gesuchten zu finden. Ree macht sich also selbst auf die Suche.

Zunächst muss man sich mit einer Sache abfinden. Das Gezeigte Leben und die Zustände in der Umgebung Ree's und ihrer Familie sind echt und spielen in der Gegenwart. Im Jetzt! Zu gerne führt einem das Unterbewusstsein nämlich vor Augen, dieser Film spielt in der Vergangenheit, zu Kriegszeiten, oder meinetwegen auch in einer fiktiven Zukunft. Aber diese ungastliche Gegend mit den unfreundlichen und grusligen Bewohnen existiert wirklich, auch wenn man es nicht fassen will. Die Menschen haben nur das nötigste zum Leben und verteidigen es gegen jeden, ob nun Verwandt oder Fremd. Untereinander herrscht eine ständige Feindseligkeit, und wer alleine nicht zurecht kommt, braucht nicht auf die Hilfe des Nachbarn zu hoffen. Dort herrschen ganz bestimmte Regeln. Wer sich nicht an sie hält, verschwindet spurlos. Und dieser lebensfeindlichen Umgebung muss nun ein junges Mädchen das tun, wodurch sie sich den Unmut Aller aufzieht. Sie kommt zu allen möglichen Häusern und stellt unbequeme Fragen. Die Antworten werden ihr verwehrt, weil ihr Onkel einen schlechten Ruf hat oder ihr Vater vielen Menschen Geld schuldet oder weil sie selbst den Ruf hat, viel über andere Menschen zu reden. Und wer redet, verschwindet spurlos. Regisseurin Debra Granik zeichnet ein gleichermaßen trostloses und beängstigendes, wie auch faszinierendes und intensives Bild des Lebens im Outback. Die Atmosphäre ist unglaublich dicht und der Film lässt wenig Hoffnungsschimmer. Viel mehr zieht er das Schreckliche und Unfassbare konsequent durch und peinigt den Zuschauer mit Bildern verbitterter und verwahrloster Menschen, die sich untereinander behandeln, als lebten sie im finsteren Mittelalter. Haben wir uns zum Beispiel bei den Simpsons über die Hinterwäldler lustig gemacht, wird dieses Bild auf erstaunliche Art und Weise korrigiert. Erst sagt man: „Die sind ja, wie bei den Simpsons“ und dann merkt man: „Das ist aber gar nicht lustig, wie die leben müssen“ „Winter's Bone“ beeindruckt außerdem durch Gründlichkeit. Das Zusammenspiel von Ästhetik, Musik und Darstellern ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und verdient an sich schon Anerkennung. Um abschließend auf die Darstellung einer Jennifer Lawrence zu kommen: Sie spielt sehr gut und ihre Rolle trägt im Prinzip den gesamten Film. Dennoch vollzieht ihre Figur keine Entwicklung, was im Grunde den ganzen Film noch tragischer macht. Nichts an ihrer Lebenssituation wird sich je ändern und im besten Fall besteht der Status Quo. Betrachtet man Lawrence' bisherige Rollen, so findet man die üblichen Stationen der Karriere einer amerikanischen Jungschauspielerin. Der Oscar wäre sicher verfrüht gewesen und man sollte abwarten, wie sie sich in ihren nächsten Projekten schlägt.

„Winter's Bone“ ist ein intensives Drama, welches einen kompromisslosen und schockierenden Blick in eine andere Welt gewährt, die aber bei genauerer Betrachtung nicht so weit weg ist, wie man es sich angesichts dieser Bilder wünscht.

Winter's Bone (USA, 2010): R.: Debra Granik; D.: Jennifer Lawrence, Shirley Waggener, Garret Dillahunt, u.a.; M.: Dickon Hinchliffe; Offizielle Homepage

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Mittwoch, 4. Mai 2011

Thor

Was hat Stan Lee genommen? Man könnte sich manchmal fragen, zu welchen geheimen Astralwegen und Kanälen der Comicautor Zutritt hatte. Kein anderer Kollege im Comicbusiness kann ähnlich viele Charaktere und dazu gehörige Serien vorweisen. Im „Wir verfilmen alles!“- Wahn, dem die Filmwelt derzeit unterliegt ist es natürlich kein Wunder, dass Stan Lee's Schöpfungen längst den Weg auf die große Leinwand gefunden haben. Wurden zunächst die weitgehend bekannten Serien um Spider-Man, Wolverine und den X-Men adaptiert, kramt man heutzutage etwas tiefer. Heraus kommen so illustre Gestalten, wie Captain America, Iron Man oder der Donnergott Thor

Da hat Thor aber mächtig Mist gebaut. Eben wurde er noch als großer Held gefeiert und auch noch zum Nachfolger des amtierenden Götterkönigs Odin erklärt, da vermasselt er auch schon alles. Es herrschte zähneknirschender Frieden zwischen der Götterwelt Asgard und der Eisriesenheimat Jötunheim, aber durch sein vorschnelles Auftreten und seiner arroganten Haltung provozierte Thor eine neue Auseinandersetzung. Im Zorn verbannt Odin unbeugsamen Sohn auf die Erde, beraubt ihn seines Hammers und seiner Kräfte. Hier soll er als Mensch lernen, verantwortungsvoll und weise zu handeln. Er soll eben genau die Tugenden lernen, die ihn eines Gottes würdig machen. Auf der Erde trifft er die Astrologin Jane, durch deren Hilfe er seinen Hammer zurück bekommen will. Allerdings hat die geheimnisvolle Organisation Shield bereits einen Blick auf die wertvolle Waffe geworfen. Zu Hause in Asgard laufen die Dinge auch nicht gut. Der böse Götterbruder Loki hat das Ruder übernommen, nachdem Odin in eine Art göttliches Koma gefallen ist. Er schmiedet finstere Pläne, die nicht nur Asgard in einen neuen Krieg stürzen könnten.

„Thor“ ist der nächste Streich in einer ganzen Filmreihe, die im ganz großen Stil das Marvel-Franchise noch weiter ausbauen soll. Ähnlich, wie in den Comics, in denen die Figuren der unterschiedlichsten Serien ständig aufeinander treffen, soll nun auch im Film ein sogenanntes Crossover stattfinden. Die Vorbereitungen dafür laufen seit dem ersten Iron Man Film 2008. Hier wird bereits das erste Mal von der geheimen Schutzbehörde Shield gesprochen und im zweiten Teil wurden dann sogar schon prägende Figuren, wie Nick Fury und Black Widow eingeführt. Wie geht’s nun weiter? Thor ist der nächste im Bunde, in diesem Jahr wird noch die neue Verfilmung von „Captain America“ anlaufen und im nächsten Jahr gipfelt das ganze dann in „Die Rächer“, einem Superheldenteam, welches sich dank seiner Beliebtheit nicht hinter X-Men, Fantastic Four, oder der Justice League verstecken muss (Oha! Die wurde auch noch nicht verfilmt...). Nun aber kurz noch zu Thor. Bei aller Skepsis war ich relativ angetan. Das hochtrabende Göttersetting wirkt etwas steif und so, als würde man einen alten Schinken aus den 60er Jahren sehen. So einen Film, der sich trotz seiner albernen Kostüme und der Pappmachékulisse sehr ernst genommen hat. Nach ungefähr einem Drittel wird aber dieser bierernste Aspekt der Story enorm aufgeweicht. Es gibt zahlreiche sehr lustige Begegnungen mit Thor und der normalen Erdbevölkerung. Insgesamt ist der Tenor des Films enorm locker und man muss sich nicht selbst daran erinnern, eine Comicverfilmung zu sehen.

„Thor“ ist durchaus gelungen, fängt die ohnehin ungewöhnliche Atmosphäre des Comics perfekt ein und trumpft neben erstklassigen Schauspielern auch noch mit extrem hübschen Special-Effects auf. Insgesamt lässt sich aber nicht der Eindruck verwehren, man sieht hier nur den Auftakt eines viel spektakuläreren Abenteuers. Wollen wir hoffen, man hat nicht das gesamte Pulver schon für die Sequels verschossen und „Die Rächer“ werden wirklich großartig. Man ist gespannt.

Thor (USA, 2011): R.: Kenneth Branagh; D.: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Anthony Hopkins, u.a.; M.: Patrick Doyle; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezension On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Montag, 2. Mai 2011

Four Lions

Vor beinahe einem Jahr habe ich an dieser Stelle bereits das Bild des Arabers in Hollywoodfilmen thematisiert. Der von Medienwissenschaftler Jack Shaheen produzierte Dokumentarfilm „Reel Bad Arabs“ bot viel Stoff zum nachdenken und -haken. Seit ein paar Tagen läuft nun ein Film, dem seine Kritiker vorwerfen, er zeichne eine verhöhnende Karikatur von arabischen Terroristen, verharmlose den Terrorismus an sich und verunglimpfe obendrein noch die Opfer. Andere sehen in dem Film eine bitterböse Satire, die unserem Zeitgeist entspricht und unbedingt gesehen werden muss. Muss sie wirklich? Hier ist „Four Lions“

Omar reicht es. Er kann die Unterdrückung und die Diskreminierung der Moslems weltweit nicht mehr länger mit ansehen. Er will sich dem heiligen Krieg anschließen, um der Gesellschaft zu zeigen. Zusammen mit seinen Freunden, Waj und Faisal, will er nach Pakistan in ein Ausbildungslager der Mujahedin fahren. Barry, der zum Islam konvertiert wurde, soll so lange zu Hause bleiben und die Stellung halten, sowie ein Ziel aussuchen. Im Ausbildungscamp geht einiges schief und sie werden mit Schimpf und Schande davon gejagt. Um seine Freunde nicht zu enttäuschen, tut Omar so, als hätte er vom Emir einen Auftrag erhalten. Nach langem Hin und Her einigt man sich schließlich auf ein Anschlagsziel. Nun muss nur noch der Spregstoff besorgt werden.

Das Thema ist schwierig. Egal, wie man es anpackt, es besteht immer die Gefahr, dass es jemanden nicht gefällt und ihn im schlimmsten Fall auch noch beleidigt. Ist es geschmacklos, über Selbstmordattentäter zu lachen? Ist es politisch korrekt, über tölpelhafte Möchtegern-Dschihadisten zu lachen? Diese Fragen werden in der öffentlichen Diskussion über diesen Film gestellt, seit er vor einem Jahr zum Fantasy Filmfest lief. Dass dieser Film allerdings gar keinen Zweifel bei diesen Fragen aufkommen lässt, vergisst man bei dieser Diskussion. Wirklich lachen kann man nämlich nicht, und die Protagonisten sind nicht tölpelhaft, allenfalls sind sie verwirrt. Der Film ist erschreckend realistisch und es werden genau die Dinge angesprochen, über die wir - gerade heute – nach denken müssen. Über Diskriminierung und Fremdenhass. Über Vorurteile und, wie unsere Gesellschaft allgemein mit Terrorismus umgeht. Die Figuren im Film wissen gar nicht so richtig, warum sie sich in die Luft jagen wollen, sind aber durch ihren Glauben vollkommen davon überzeugt, dass es richtig ist. Ihnen kommt auch nicht der Gedanke, dass es falsch sein könnte, Unschuldige Menschen zu töten. Trotzdem sind es ganz normale Typen, die dem Zuschauer auch noch sympathisch sind. Es gibt Szenen im Film, die lustig gemeint sind, es aber eigentlich nicht sind. Viel mehr ist alles an dieser Geschichte tragisch und verwirrend. Trotzdem lacht man. Auf dem Plakat steht, es sei eine Komödie, also lache ich! Basta!

„Four Lions“ bietet einen einzigartigen Blick auf die Problematik des Terrorismus. Fragen, die man hat, werden nicht beantwortet und man hat oft das Gefühl, man versteht vieles nicht. Ich aber hatte nie den Eindruck, der Film macht sich über Araber oder Terroristen lustig. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich über diese Menschen so gut wie nichts weiß und das ist vielleicht das größte Problem von allen.

Four Lions (GB, 2010): R.: Christopher Morris; D.: Riz Ahmed, Kayvan Novak, Nigel Lindsay, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

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World Invasion: Battle Los Angeles

Hollywood findet Krieg toll. Man kann Krieg intensiv und fulminant inszenieren, man kann den Patriotismus zelebrieren, als würde es kein Morgen geben und man kann ohne Anstrengung massenweise neue Helden schaffen. Das Problem ist, dass Krieg eigentlich was Schlimmes ist. Menschen sterben, alles wird zerstört und niemand lernt aus einem Krieg, sonst würde es nicht ununterbrochen auf der Erde krachen. Mittlerweile scheint es wieder viel leichter zu sein, einen echten Krieg zu machen, als einen überzeugenden Filmkrieg zu inszenieren, wie nicht zu Letzt der neue Film von Jonathan Liebesman „World Invasion: Battle Los Angeles“ beweist.

Als hätten die Amerikaner nicht schon genug Probleme, kommen nun auch noch unbekannte Flugobjekte auf die Küstenstädte zu geflogen. „Bloß ein paar Meteoritenschauer“, heißt es, doch das klassische Argument wird durch nicht minder klassisches Gegenargument ausgehebelt: „Sie werden langsamer.“ Schnell ist klar, es handelt sich um künstliche Objekte und verwackelte Fernsehlivebilder bestätigen die Vermutung, dass dieser Angriff von außerhalb der Erde zu erfolgen scheint. Die Aliens haben es offensichtlich auf unser Wasser abgesehen, deshalb konzentrieren sie ihre Angriffe zunächst auf die Küstenregionen. Eine Einheit von US-Marines unter dem Kommando von Sergant Nantz erhält den Auftrag in Santa Monica einen massiven Luftschlag der Airforce vorzubereiten. Sie sollen die betroffenen Gebiete evakuieren. Da trifft wenige Stunden vor dem Angriff ein Notruf mitten aus dem Feindgebiet ein. Hier sitzen Zivilisten fest. Nantz und seine Truppe ziehen zur Rettung los, die außerirdischen Invasoren machen es ihnen allerdings beinahe unmöglich, ihren Auftrag rechtzeitig auszuführen.

Wie beschreibt man diesen Film am besten? Eine Mischung aus Found-Footage-Movie und Call Of Duty? Wir haben eine Science-Fiction-Geschichte, die auf Realismus getrimmt wurde. Die Story einer Invasion aus dem All, der wir Menschen nichts entgegen zu setzen haben, ist nun wirklich nicht neu und wurde allein in diesem Jahr schon mehrfach filmisch umgesetzt. Die Idee, alles herunter zu brechen und den Zuschauer ganz nah heran zu holen ist zwar gut, gab es aber auch schon und wurde vor allem schon viel besser umgesetzt. Es ist noch nicht lange her, da wurde man im Kino von „District 9“ genau durch dieses Konzept gleichermaßen fasziniert, wie auch schockiert. „World Invasion“ ist wie ein uninspirierter Abklatsch und glänzt obendrein noch durch zahlreiche Logik- und Continuity Fehler. Außerdem krampft der Film so sehr um die Realismusschraube herum, dass es schon wieder lächerlich ist, wenn Sgt. Aaron Eckhart von seinen traumatischen Erlebnissen im Irak-Krieg berichtet, während die fliegenden Untertassen über die Stadt sirren. Genauso lächerlich ist es, dass die Army ihre gesamte Verteidigungsstrategie auf der These fußt, die Angreifer hätten nur Bodentruppen und keine Fluggeräte. Selten dämlich und diese dämliche Strategie wird nur noch durch ihr fulminantes Scheitern übertroffen. Außerdem ist es sehr anstrengend, den Film zu sehen. Über weite Passagen wackelt die Kamera ununterbrochen, oder das Bild ist überbelichtet und die durchaus schick gemachten Special-Effects verfehlen ihre Wirkung, weil man sie schlicht und ergreifend nicht sieht. Realismus auf voller Dröhnung, aber die ganze Zeit läuft diese patriotische Siegesmusik im Hintergrund. Regelrecht störend ist mal wieder das verherrlichende Bild des amerikanischen Militärs. Die Dialoge sind gespickt mit Soldatenjargong, der dann aber dem unbedarften Zuschauer sofort erklärt werden muss. So, wie bei der Sendung mit der Maus.

„World Invasion: Battle Los Angeles“ ist enttäuschend, weil es ein geklautes Konzept als innovativ bewirbt und es dann nicht einmal schafft, dieses Konzept halbwegs überzeugend umzusetzen. Der Film scheitert nicht ganz so erbärmlich wie „Skyline“ vor einem halben Jahr, aber es kann nur schlimmer werden. Der Titel lässt da noch die ein oder andere Fortsetzung befürchten, die wohl nicht lange auf sich warten werden lässt.

World Invasion: Battle Los Angeles (USA, 2011): R.: Jonathan Liebesman; D.: Aaron Eckhart, Michelle Rodriguez, Ramon Rodriguez, u.a.; M.: Bryan Taylor; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.