Freitag, 24. Juni 2011

The Tree Of Life

Wer ist Terence Malick? In erster Linie ist er ein Regisseur, der in keine Schublade, die Hollywood in all den Jahren mal mehr mal weniger freiwillig etabliert hat, hinein passt. 1973 verblüffte er mit „Badlands“, einem ambitionierten und stilsicheren Erstling, der übrigens heute noch von tausenden Fans diskutiert und analysiert wird. Philosophen und Theologen debattierten unzählige Male die Aussagen und Botschaften dieses Films. Filmexperten sehen in „Badlands“ außerdem die perfekte Fusion aus Filmsinfonie und dem „Lovers on The Run“-Motiv und damit die Schaffung eines komplett neuen Genres. Schon damals schlug sich in Ansätzen das nieder, was Malick im Laufe seines Schaffens immer exzessiver in seine Filme einfließen ließ: Die Frage nach dem Sinn unseres Daseins und die Darstellung eines der schwierigsten Motive im Film überhaupt. Das Menschsein. Sind seine bisherigen Filme vielleicht als Experiemente zu sehen, hat Malick nun in „The Tree Of Life“ die absolute Vollendung dieses Motivs geschaffen.

Die Story ist schnell erzählt und wiederholt jenen Satz, den man immer als erstes liest, informiert man sich in Artikeln über diesen Film: Es geht um eine Familie in den 50er Jahren. Jack ist der älteste von drei Brüdern. Während die Mutter die Einstellung vertritt, dass das Leben frei ist und man nur nach dem Prinzip der Gnade leben muss, um ein guter Mensch zu sein und dabei nicht den Glauben an das Gute verliert, predigt Jacks Vater das genaue Gegenteil. Nur der Stärkere überlebt. Gute Menschen kommen nicht weit und dem Gesetz der Natur ist jeder unterworfen. Unbewusst tragen die Eltern diesen Glaubenskonflikt durch ihren Sohn aus, der zunehmend desillusioniert wird. Als Erwachsener vegetiert Jack unmotiviert vor sich hin und fällt immer wieder in Erinnerungen an seine Kindheit zurück.

Die Story mag vielleicht nichts Besonderes sein und man hat genau dieses Motiv schon unzählige Male in filmischer Form gesehen. Einem Brad Pitt traut man vielleicht auch nicht die Rolle eines gestrengen und zugeknöpften Vaters in den amerikanischen 50ern zu. Und Terence Malick hat seinen letzten Film vor beinahe 10 Jahren abgeliefert. Was zum Teufel ist also so besonders an „The Tree Of Life“? Man muss es gesehen haben, denn dieser Film ist schlicht und ergreifend überwältigend. Malick wählt einen absolut unkonventionellen Erzählstil. Es wird verhältnismäßig wenig gesprochen und über weite Passagen sind unglaublich dicht arrangierte Bildkollagen zu sehen. Malik zieht auf sehr verblüffende Art geradezu bombastische Vergleiche, wenn er die recht simple Geschichte der Familie Jacks mit der Entstehung des Lebens auf der Erde gleichsetzt und diese Metapher in einer 20-Minütigen Sequenz gipfelt, in der man Bakterien und Einzellern beim Wachsen zu sieht, bis sie schließlich als mächtige Dinosaurier über die Erde stapfen. Die Bilder und die Komposition der Gleichen geschieht voller Anmut und bildet ein nahezu Ehrfurcht gebietendes Ganzes. Man wird sich plötzlich der Dimensionen bewusst, die das Leben haben kann. Die Geschichte der Familie wird auch ungewöhnlich erzählt. Es ist fast so, als würde man als Beobachter immer mal vorbei schauen. Manchmal kommt man mitten im Gespräch dazu und verlässt die Szene wieder, bevor der Satz beendet ist. Hierbei kommt ein unglaublich dynamischer Kamerastil zum tragen, der durch einen nicht weniger dynamischen Schnitt noch verstärkt wird. Ebenso ist Kombination aus klassischen Musikstücken, zum Beispiel von Smetana und die eigens komponierte Filmmusik von Alexandre Desplat tragendes Element der gesamten Atmosphäre dieses Films.
Im Nachhinein lässt sich sehr schwer sagen, was mir so sehr an „The Tree Of Life“ gefallen hat. Es ist die Flut ein Eindrücken, der man mehr als zwei Stunden lang ausgesetzt ist und es ist das Gefühl des Gigantischem, welches man bekommt. Es ist beinahe, als habe man an einer Offenbarung des Regisseurs teil. Das ist im Übrigen einem starken sakralem Tenor geschuldet, der ebenfalls zu den Hauptmotiven des Films gehört.

Abschließend ist eigentlich nur zu wiederholen: Man muss diesen Film gesehen haben. Ungeachtet dessen, was man von Terence Malick hält, ob einem der Film nun gefällt, oder ob man nichts damit anfangen kann. Dieser Film ist etwas ganz Besonderes und ich habe noch nie etwas vergleichbares gesehen. Man ist überwältigt und möglicherweise verzeiht man es sich nicht, wenn man „The Tree Of Life“ tatsächlich verpasst hat. Tue ich zum Abschied noch etwas absolut Einmaliges und Unerwartetes? Danke ich dem Regisseur für seine Arbeit? Ja! Danke Terence!

The Tree Of Life (USA, 2011): R.: Terence Malick; D.: Brad Pitt, Sean Penn, Jessica Chastain, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezension On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Freitag, 17. Juni 2011

Pirates Of The Caribbean - Fremde Gezeiten

Wenn man dieser Tage in den Nachrichten von Piratenüberfällen auf internationale Frachtschiffe hört, hat man automatisch ein bestimmtes Bild im Kopf. Eine Bande chaotischer, aber irgendwie liebenswerter Halunken klettern mit Enterhaken und Messer im Mund die Reeling hinauf. Augeklappe, Papagei auf der Schulter und wildes Geheul. Sie hissen die Piratenflagge, rauben und stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist, nur um ihren erfolgreichen Beutezug hinterher in einer ausufernden Orgie mit viel Rum ausgiebig zu feiern. Dass das nicht ganz der Wirklichkeit entspricht, weiß ich natürlich auch, aber irgendwie ist mir die Vorstellung des typischen Piraten viel lieber. Vor allem jetzt, da einer der bekanntesten Piraten der Welt wieder in See sticht und ein weiteres spannendes Abenteuer voller Gefahren zu bestehen. Sein Name: Jack Sparrow. Verzeihung! Captain Jack Sparrow.

Erinnern wir uns kurz: Am Ende seines letzten Abenteuers „Am Ende der Welt“ steht Jack ziemlich alleine da. Obwohl seine Freunde die gefährliche Reise ins Totenreich unternommen hatten, nur um ihn zu retten, zog er sich ihren Unmut durch üble Tricks und Intrigen zu. So war er verlassen und mal wieder wurde sein Schiff, die „Black Pearl“ gestohlen. Doch ist er immer noch im Besitz jeder Menge Rum und einer speziellen Karte, die ihm den Weg zur Quelle der Jugend aufzeigt. Jahre später kommt er nach London, um hier wiederum seinen Freund Gibbs zu helfen, der gerade gehängt werden soll, weil man ihn für Jack hält. In der Stadt geht das Grücht um, Jack hätte ein Schiff und suche nun eine Mannschaft. Jack selbst hat aber noch nichts davon gehört, weshalb er davon ausgeht, ein Betrüger sei in der Stadt. Der König von England hat auch davon gehört und will Jack an heuern für ihn die Quelle der Jugend zu finden, bevor die verhassten Spanier sie erreichen. Hier macht allerdings Kapitän Barbossa seinen Anspruch auf diesen Auftrag geltend, schließlich ist er hoch offiziell Freibeuter im Namen der Krone. Nach wildem Handgemenge landet Jack in einer düsteren Spielunke. Hier trifft er auf seine frühere Angebetete Angelica, die sich tatsächlich als Jack Sparrow verkleidet hat, um Männer anzuheuern. Sie wiederum arbeitet für den berüchtigten Blackbeard, der ebenfalls zur Quelle der Jugend unterwegs ist, um einer Prophezeiung entgegen zu wirken, nach der ein Einbeiniger für seinen Tod verantwortlich sein soll. Alle Parteien sind wild entschlossen und ein gefährliches Rennen beginnt. Mittendrin steht Jack, der wie immer versucht, alle Seiten gegeneinander auszuspielen, damit er letztendlich seine Ziele erreichen kann.

Hört sich nach einem ziemlichen Kuddelmuddel an? Ist es nicht. Die Geschichte erreicht nicht annähernd die Komplexität der beiden Vorgänger und entpuppt sich als ein typisches Piratenabenteuer. Dieser Schritt sozusagen zurück zu den Wurzeln hat der Reihe sehr gut getan. Zum Ende wurden die älteren Filme nämlich viel zu groß und hatten mit der ursprünglichen Geschichte kaum noch etwas zu tun. Im vierten Ableger der Serie nun haben wir alte Figuren, die geschickt in der Handlung weiter geführt werden, ebenso, wie einige neue Figuren, die sich ebenfalls nahtlos zu der bunten Truppe gesellen. Die Story besteht wieder aus der Mischung aus Seefahrermythologie und spaßigen Intrigen. Das grundlegende Motiv, dass prinzipiell niemandem zu trauen ist, der Pirat ist, oder zumindest mal ein Pirat war, sorgt für zahlreiche Wendungen, die der Geschichte den nötigen Drive geben. Angenehm fällt auf, dass die Optik wieder wesentlich „organischer„ geworden ist. Überbordende Spezialeffekte werden nur äußerst selten eingesetzt und man baut stattdessen auf starke Kulissen und Drehorte an Originalschauplätzen. Schauspielerisch bieten alle Darsteller solide Kost. Man stellt sich gerne vor, dass sie alle ihren Spaß hatten, vor allem Johnny Depp. Er hat mehr, als jeder andere in dieser Serie seine Rolle durch seine überzeugende Darstellung geprägt und verinnerlicht, so dass man im Film unterbewusst gar keinen Unterschied mehr zwischen Jack Sparrow und Johnny Depp macht. Soll heißen: Niemand anderes wird jemals diese Rolle spielen können.

„Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“ ist durchaus gelungen, vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich bereits um den vierten Teil der Serie handelt und man erfahrungsgemäß immer davon ausgehen kann, dass die Filme einer Reihe immer schlechter werden, je höher die Ziffer hinter dem Titel ist. Die Story wurde sinnvoll weiter geführt, die neuen Figuren passen gut zu den alten und das Feeling der alten Filme geht nicht durch zu aggressive neue Elemente unter. Fans der Piratesaga dürften den Film ohnehin schon gesehen haben, allen anderen wird ein kurzweiliger Ausflug in die gute alte Piratenzeit sicherlich auch nicht schaden.

Pirates Of The Caribbean – On Stranger Tides (USA, 2011): R.: Rob Marshall;
D.: Johnny Depp, Penelope Cruz, Ian McShane, u.a.; M.: Hans Zimmer; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Source Code

Duncan Jones überraschte und überzeugte vor zwei Jahren mit einem gleichermaßen spannenden und aufwühlenden, wie auch sinnlichem Regiedebut. In „Moon“ zeigte er, dass Science Fiction auch heutzutage nicht oberflächlich sein muss, sondern sogar überzeugende Gesellschaftskritik transportieren kann und durch die charismatische Darstellung Sam Rockwells ist hier ein Film gelungen, der lange im Gedächtnis bleiben wird. Ob das in Jones' neuen Film „Source Code“ auch gelingt? Ohne, all zu viel vorweg zu nehmen: Ja, er hat es wieder geschafft.

Alles beginnt in einem Zug. Captain Stevens erwacht und weiß zunächst nicht, wo er ist. Ihm gegenüber sitzt die bildhübsche Christina, die ihn gut zu kennen scheint, auch, wenn er sie noch nie gesehen hat. Schnell wird klar, woran das liegt. Stevens befindet sich im Körper eines anderen. Allerdings hat er keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte und was er in diesem Zug macht. Viel Zeit zum Überlegen hat er nicht, denn der Zug explodiert wenige Minuten später und mit Stevens kommen alle Insassen ums Leben. Nun erwacht er in einer Art Kapsel, angeschlossen an allerlei Gerätschaften und auf einem Bildschirm erscheint die kühle Major Goodwin. Sie stellt ihm allerlei Fragen und macht merkwürdige Konzentrationstests, ohne jedoch seine Fragen zu beantworten. Bald stellt sich heraus, dass es sich um ein neuartiges Experiment handelt. Durch modernste Computer ist man in der Lage, Captain Stevens in die Erinnerungen eines der verstorbenen Insassen des Zuges reisen zu lassen. Er hat nun den Auftrag, nach Hinweisen auf den Hergang der Explosion und den Täter zu suchen, um ein weiteres, noch viel größeres Attentat zu verhindern. Er hat dafür allerdings lediglich acht Minuten Zeit. Bevor er es sich versieht, wird Stevens erneut weg geschickt und landet wieder in dem Zug gegenüber der bildhübschen Frau.

Wie schon so oft in zahlreichen Science-Fiction-Filmen gesehen, stellt auch „Source Code“ die Frage nach der Wirklichkeit. Ist das, was um dich herum geschieht echt, oder nur eine Illusion? Diese Kernaussage des Films kommt allerdings ganz langsam und Stück für Stück an die Oberfläche, denn zunächst ist man voll und ganz vom Attentatsplot gefesselt. Erst nach einer Weile dämmert es dem Zuschauer, zusammen mit Captain Stevens, dass es sich hierbei um wesentlich größere Dimensionen handelt, als zunächst angenommen. Jones verbindet diese beiden Handlungsstränge so geschickt, dass man ein kleine Portion der eigenen Fantasie nutzen muss, um dahinter zu steigen. Der Film nimmt einen an die Hand, allerdings ohne einen mit der Nase drauf zu stupsen. Es ist eine sehr gründlich und clever konstruierte Geschichte. Visuell unterscheiden sich die beiden Ebenen der Geschichte auch sehr stark. Im Zug ist alles sehr nah. Die Enge der Fahrgastkabinen lässt nur die Darstellung von einzelnen Körperpartien zu. Nie sieht man den ganzen Menschen. Auch die Geräusche sind sehr intensiv und man achtet auf jedes Detail im Hintergrund. Die andere Ebene scheint weitläufiger zu sein. Ein großes Büro, voll gestopft mit Computern und Wissenschaftlern und im Kontrast dazu eine feuchte und dunkle Kapsel, in der Stevens eingesperrt zu sein scheint. Dazu kommt die sehr intensive und packende Musik von Chris Bacon und die kraftvolle Darstellung von Jake Gyllenhaal und Vera Farmiga. Förmlich alles an diesem Film schreit: „Ich bin anders, als andere Filme!“

„Source Code“ ist wahnsinnig spannend und trabt bis zum schockierenden Ende zur absoluten Höchstform auf. Nach „Moon“ hätte man nicht geglaubt, dass Duncan Jones ein weiteres gesellschaftskritisches Science-Fiction-Kunststück gelingen würde, doch auf den Mann scheint Verlass zu sein und hiermit empfehle ich ohne jeden Vorbehalt, den Film anzusehen.

Source Code (USA, 2011): R.: Duncan Jones; D.: Jake Gyllenhaal, Vera Farmiga, Michelle Monaghan, u.a.; M.: Chris Bacon; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.