Freitag, 15. April 2011

The Fighter

Was haben wir mit ihm gelitten. Er war kleine Mann von der Straße, der es schaffte, sich nach ganz oben zum Star-Boxer zu kämpfen. 1975 eroberte Rocky die Kinokassen und Herzen der Zuschauer im Sturm. Das Verprügeln von Rinderhälften traf genau ins Schwarze und schaffte es, fünf mal fortgesetzt zu werden. „Rocky“ war eine erfundene Geschichte, doch gab es in dieser Zeit auch echte Boxer in echten Boxringen. Die wahre Geschichte von Micky Ward und seinem Bruder Dicky wurde jetzt aufwändig von David O. Russell verfilmt und trägt den Titel „The Fighter“

Micky ist Straßenarbeiter in Lowell und ist relativ unzufrieden mit seinem Leben. Die einzige Möglichkeit, dem Alltag zu entkommen, bietet sich ihm im Boxring. Sein Bruder Dicky trainiert ihn und seine Mutter organisiert die Kämpfe, aus denen er mal mehr, mal weniger erfolgreich hervor tritt. Dicky war früher selbst ein überaus erfolgreicher Kämpfer, dessen Glanzzeit allerdings schon lange vorbei ist und er nun mit dem Absturz in den Drogensumpf ringt. Micky hadert mit seiner Situation. Er ist seiner Familie sehr verbunden und fühlt sich verpflichtet, mit ihnen an seiner Karriere zu arbeiten. Andererseits merkt er, dass er auf diese Weise nicht weiter kommt. Dann geschehen zwei Dinge. Micky lernt die hübsche Barkeeperin Charleene kennen und sein Bruder Dicky kommt wegen zahlreicher Delikte in den Knast. Unter hartnäckigem Zureden seiner neuen Freundin, packt Micky die Gelegenheit beim Schopf und sucht sich neue Manager und Trainer, durch deren Hilfe er tatsächlich immer weiter kommt, bis der Weltmeistertitel winkt. Die Familie fühlt sich ausgeschlossen und schmiedet nun Pläne, den Boxersohn wieder zu holen.

Wie schon angedeutet, ist das Motiv nicht ganz neu. Kleiner Mann von der Straße will Boxer werden und trainiert einfach so lange, bis er Weltmeister wird. Es ist das ultimative Symbol für das Erfüllen von Lebensträumen und für das Schulterklopfen, dass man dafür benötigt. „The Fighter“ gibt sich keine Mühe, zu verbergen, dass er in genau diese Kerbe schlägt. Der Weg des Kämpfers Micky ist mit Hindernissen gepflastert und auch wenn es dramaturgisch überzeugend immer wieder zu Tiefpunkten und Rückschlägen kommt, zweifelt man als Zuschauer keine Sekunde lang daran, ob es Micky nun schafft oder nicht. Auch das Motiv des großen Bruders, der früher ein Held war und jetzt nur noch der drogenabhängige Klotz am Bein ist, hat man schon des öfteren gesehen. Um den Eindruck noch zu verstärken, hat sich Regisseur David O. Russell für einen Stil entschieden, der an alte Fernsehaufnahmen aus den 70er Jahren erinnert, was die ästhetische Brücke zu „Rocky“ noch ausbaut. Trotzdem ist „The Fighter“ durchaus sehenswert. Das ist allerdings weniger der Story, als viel mehr den überragenden Leistungen der Darsteller zu verdanken. Mark Wahlberg scheint als wortkarges und eintöniges Muskelpaket perfekt besetzt zu sein, denn er schafft es, sogar mich zu überzeugen. Größere Überraschungen bieten allerdings die Nebendarsteller. Christian Bale und Amy Adams wachsen über sich hinaus und spielen auf eine Weise, wie sie noch nie vorher zu sehen waren. Gerade in der letzten Zeit ist die Diskussion entflammt, Bale als ernstzunehmenden Schauspieler, oder als Hungerkünstler mit Körperfetisch zu betrachten ist. In „The Fighter“ beweist ein Stück weit, dass er beides unter einen Hut zu bringen vermag. Schön ist auch, dass die ganze Atmosphäre des Films sehr authentisch wirkt. Man merkt dies an Szenen, in denen die Familie ganz normal und zwanglos plaudert. Die Art und Weise, wie die Dialoge geführt werden, klingt sehr echt und gar nicht konstruiert, was zeitweise den Eindruck erweckt, man sieht sich einen Dokumentarfilm an.

„The Fighter“ ist ein guter Film und auch, wenn das grundlegende Motiv der Story nicht neu ist, birgt er lauter angenehme Überraschungen. Nicht zu Letzt die, dass auch wahre Geschichten unter Umständen ein Happy End haben können.

The Fighter(USA, 2010): R.: David O. Russell; D.: Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams, u.a.; M.: Michael Brook; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Mittwoch, 13. April 2011

Sucker Punch

Worauf hab ich Bock? Ich möchte gerne mal wieder einen vollkommen überflüssigen und gleichermaßen spaßigen Film sehen. Ein Film, der die Grundidee des Kinos schamlos und konsequent umsetzt, nämlich mich als Zuschauer zu unterhalten. Ich habe keine Lust, mir knüppelharte Folterszenen anzusehen, ebenso wenig wie aufgesetzte und überkitschte Teeny-Komödien über das Saufen und Fressen am Campus. Mir steht nicht der Sinn nach Historienschinken oder Polit-Thriller. Dass die Welt ein schlechter Ort ist und es nicht mehr lange gut gehen kann mit uns, weiß ich doch auch so und ich möchte mich gerne mal für eine kleine Weile davon ablenken lassen. Wie gerufen kommt Zack Snyder mit „Sucker Punch“ im Gepäck.

Die kleine großbeaugte und blondbehaarte Baby Doll hat ein Problem. Die Mutter stirbt und hinterlässt in ihrem Testament alles ihren beiden Töchtern. Das findet der Stiefvater gar nicht dufte und bringt kurzerhand zunächst die jüngere Schwester um und will sich anschließend Baby Doll selbst vorknöpfen. Die wehrt sich erfolgreich und überlebt, bis die Polizei eintrifft. Alles ist gut. Pustekuchen! Der böse Stiefvater erzählt den Polizisten, Baby Doll sei verrückt geworden, hätte ihre kleine Schwester getötet und wäre dann auf ihn losgegangen. Baby Doll wird nun in die nächstbeste Irrenanstalt verfrachtet und soll dort mittels Logotomie in hirnloses Gemüse verwandelt werden. Ein Wimpernschlag und plötzlich sind wir an einem völlig anderen Ort. Baby Doll ist in einem Edelpuff und wurde von einem bösen Priester hier her geschafft. Der Puffbesitzer will sie aufmotzen für einen ganz besonderen Kunden. Doch Baby Doll verbündet sich mit den anderen Mädels, um einen Fluchtplan auszutüfteln. In einer Vision erklärt ihr ein alter und weiser Krieger, wie sie die Dinge beschaffen kann, die ihr zur Flucht verhelfen sollen. Während sie tanzt, sollen alle abgelenkt sein und die anderen sollen die begehrten Teile klauen. Immer wenn Baby Doll tanzt, geht’s in eine pompöse Fantasy-Welt, in der gegen allerlei Monster gekämpft werden muss, um an das jeweilige Artefakt heran zu kommen. Schritt für Schritt kommen die Mädchen ihrem Ziel immer näher.

Zack Snyder ist ein Perfektionist, was die visuelle Präsentation seiner Filme angeht. Während „Dawn Of The Dead“ durchaus noch als vorsichtiger Gehversuch des Regie-Frischlungs zu betrachten ist, tobt er sich seit „300“ in einem wahren Orgasmus perfekter Bilderfluten ungehemmt aus. Bisher hat er sich stets mehr oder weniger populäre Vorlagen geschnappt und sie auf die Leinwand gebannt. „Sucker Punch“ ist nun der erste Snyder-Film, bei dem er sich auch für die Story und das Drehbuch verantwortlich zeigt. Der Grundtenor des Films ist klar. Heiße Mädels in knappen Outfits kämpfen gegen überdimensionierte CGI-Monster. Dass es da nur so kracht und splattatert, ist auch absehbar. Und das ist auch die große Stärke des Films. Wir haben klassische Charaktere, die einer klassisch gradlinigen Story folgen und in unglaublich bombastischen Actionszenen ganz klassische Prügelportionen verteilen. Es gibt in einer utopischen Version des ersten Weltkriegs Zombiesoldaten, die mit Dampf und Zahnrädern angetrieben werden. Wir haben eine mittelalterliche Burg, die von tausenden griesgrämigen Ork-Viechern bewohnt ist. Es gibt einen rasenden Güterzug, der eine tickende Bombe an Bord hat, die es zu entschärfen gilt. Und, um das Menü noch abzurunden: Es gibt einen Drachen! Action! Man kommt kaum zum atmen, während der Kampfszenen. Alles ist überdimensioniert und einfach nur bombastisch. Die Mädels sehen heiß aus, haben immer einen coolen Spruch parat und Riesenwummen. „Sucker Punch“ ist der fleischgewordene Traum aller kleinen und großen Jungs. Es ist die Offenbarung einer ganzen Generation Action liebender Schlachtplattenfans. Es ist der Beweis, dass gradlinige und fulminante Action manchmal wichtiger ist, als eine anspruchsvolle Story. Es ist die Katharsis für das hochtrabende Kunstfilmchen. Es nimmt mich mit in eine unglaubliche Welt, in der alles in Zeitlupe abläuft. Ich schwebe durch ein Universum aus Licht, Feuer und Lärm. Ich schwebe mit den holden Kriegsmaiden und sie vergöttern MICH! Denn ICH bin SUCKER PUNCH!

Trotz seiner bildgewaltigen Präsentation lässt der Film offensichtlich noch genug Raum für die eigene beflügelte Fantasie. „Sucker Punch“ ist großartige Unterhaltung für den kleinen Geist. Ein Rezept, dass wunderbar funktioniert und sofort Lust auf mehr Snyder macht. Bald dürfen wir uns ja auch auf seinen „Superman“ freuen. Das dürfte dann das nächste Fest für die verkümmerten Sinne werden.

Sucker Punch (USA, 2011): R.: Zack Snyder; D.: Emily Browning, Abbie Comish, Carla Cugino, u.a.; M.: Tyler Bates; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 auf Radio Lotte Weimar.