Freitag, 23. Dezember 2011

Trailerpark - Batman, Beutlins und Aliens

Im letzten Post des Jahres gibt es einen kleinen Trailerpark, denn in dieser Woche gab es gleich drei heiß erwartete Vertreter, dieses einminütigen Vergnügens, welches ja letztendlich doch nur zur Folge hat, dass man sich noch viel mehr auf die Filme freut und die Wartezeit noch schlimmer wird.

Dark Knight Rises



Ich war schon immer Batman-Fan. Lange bevor Christopher Nolans erster Fledermausfilm in den Kinos lief und bevor plötzlich die ganze Welt Joker-Fan wurde. Ich erinnere mich noch, dass ich im zarten Alter von vielleicht 10 Jahren den ersten Film von Tim Burton im Fernsehen bestaunte und irgendwie sofort davon fasziniert war. Seitdem durchlief der dunkle Rächer zahlreiche Entwicklungen. Die unglaublich düstere und doch sehr ernsthaft inszenierte Machart Burtons wurde vom absoluten Gegenteil, nämlich einem knallbunten Stil und lockeren Sprüchen abgelöst. War „Batman Forever“ noch halbwegs ertragbar, ging Joel Schuhmacher mit „Batman & Robin“ komplett baden und man merkte ziemlich schnell, dass kein Publikum der Welt mehr Lust auf trashige 60er Jahre-Ästhetik hatte – zumindest nicht, wenn es um Batman ging. „Batman Begins“ lieferte einen Hoffnungsschimmer und diese Hoffnung wurde mit „The Dark Knight“ erfüllt. Der bisher letzte Film legte die Messlatte und damit die Erwartungshaltung an jegliche Nachfolger enorm hoch. Vor allem aber kann man sicher sein, dass ein derartiger Film nie wieder gelingt. Diese Woche nun erschien der erste offizielle Trailer zu „Dark Knight Rises“, der die Nolan-Trilogie beenden soll. Story-Einzelheiten sind noch nicht bekannt, aber wer sich ein bisschen mit Batman und vor allem den Comics auskennt, kann sich schon denken, was kommt, wenn er einen Blick auf den Cast und die Charaktere wirft. Einer der interessantesten Superschurken überhaupt kommt endlich nach Gotham: Bane. Außerdem gibt es eine neue Catwoman und angeblich spielt die Tchter des Schurken aus dem ersten Teil Talia al Guhl auch eine Rolle. Experten klingeln die Ohren und sofort macht sich ein Wort mit unglaublicher Penetranz und einer Mischung aus Aufregung, Skepsis und Inkontinenz erregender Vorfreude im Kopf breit: „Knightfall!“ Ob und wie es wirklich dazu kommt, erfahren wir wohl wirklich erst, wenn der Film Ende Juli in den Kinos weltweit startet. Bis dahin ist Zittern angesagt und für alle, denen die letzten zwanzig Sätze gar nichts gesagt haben, dringender Nachholebedarf in Sachen Batman-Historie.

Der Hobbit – Eine unerwartete Reise




Peter Jackson tut es wieder. Er nimmt uns auf ein neues Abenteuer mit nach Mittelerde und verfilmt die Vorgeschichte zur Herr-der-Ringe-Trilogie. „Der Hobbit“ berichtet vom ersten großen Abenteuer Bilbo Beutlins. Mit einer Gruppe von Zwergen macht er sich nämlich auf zum einsamen Berg hoch im Norden, um dort einen Drachen aus zu tricksen, um dann wiederum den Schatz zu klauen, den die Echse scharf bewacht. Das Buch gefällt mir persönlich wesentlich besser, als die Bücher zum „Herrn der Ringe“. Es ist eindeutig für etwas jüngere Leser geschrieben und hat einen völlig anderen Stil. Außerdem erleben Bilbo und seine Freunde ein sehr spannendes Abenteuer in dessen Verlauf wirklich alle wichtigen Figuren der früheren Filme eingeführt werden und kurze Auftritte pflegen. Von den alten Bekannten dürfen wir uns auf Gandalf, Elrond, Galadriel und natürlich Gollum freuen, allesamt dargestellt von den Schauspielern, die sie früher bereits mimten. Martin Freeman, den man aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ kennen könnte gibt einen überzeugenden Bilbo ab. Abgesehen davon sieht alles genau so aus, wie man es kennt und das ist einfach nur wunderschön. Es ist genau das, was wir alle wollen. Peter Jackson verändert nichts am Stil, oder an der Ästhetik. Alles ist genau, wie in der Trilogie, nur dass eben eine neue Geschichte erzählt wird. Ich freue mich unglaublich auf diesen Film, der in zwei Teilen erscheinen wird und – um die Qual zu vergrößern – in genau einem Jahr starten wird.

Prometheus



Die Alien-FIlme hatten schon immer etwas ganz besonderes an sich. Ich weiß nicht genau, woran es lag. Vielleicht war es der Gedanke, dass trotz all der Faszination, die das große Weltall birgt, etwas dermaßen Gefährliches lauert, dass man am besten keinen Fuß in dieses All setzt. Vielleicht war es die beklemmende Atmosphäre und die unglaubliche Spannung. Vielleicht war es auch diese gewisse Widerwärtigkeit, die das Alien als solches barg. Alle vier Filme waren speziell für sich perfekt. Jeder Film wurde von sehr unterschiedlichen Regisseuren produziert und deshalb waren sie auch so abwechslungsreich. Ja! Auch „Alien Resurection“ zählt für mich dazu, auch wenn ein Großteil der Fangemeinde eben diesen vierten Teil boykottiert. Zugegeben, die Story war ein bisschen an den Haaren herbei gezogen, aber wartet erstmal ab, bis ihr hört, worum es nun gehen soll. Auf der Erde wird ein Signal aus den dem Weltall empfangen. Dieses Signal wird analysiert und es ist klar: Wir sind nicht allein! Ein Schiff wird gebaut und eine Crew zusammengestellt und zu den Ursprungskoordinaten des Signals geschickt. Hier wartet ein fremder Planet, eine bestimmte Alienrasse, von der vermutet wird, dass sie irgendwas mit der Schöpfung der Menschheit zu tun hat und...tja...und was? Ridley Scott hält sich sehr bedeckt, aber er hat bereits bestätigt, dass es am Ende des Films eine eindeutige Brücke zum allerersten Alien-Film geben soll. Das heißt, man wird die Viecher irgendwie sehen, auch wenn im ersten offiziellen Trailer noch nichts davon zu sehen ist. Stilistisch beschreitet man wieder ursprüngliche Pfade. Es wird düster, spannend und schockierend mit unglaublich einprägsamen Bildern. Im August startet das Prequel und bis dahin ist wohl – wie sollte es auch anders sein – Warten angesagt.

Soweit die kleine Trailershow zum Ende des Jahres. Ich gehe jetzt und feiere Weihnachten, was ihr im übrigen auch tun solltet. Und ich wünsche auch viel Spaß dabei, einen guten Rutsch ins neue Jahr und, dass ihr auch 2012 wieder fleißig den Kineasten lest.

-Jan-

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Cheyenne - This Must Be The Place

Die Suche nach dem Sinn des Lebens hat sich schon immer sehr kompliziert gestaltet. Man muss nämlich zunächst heraus finden, nach was man sucht. „42“ mag die Antwort sein, aber wie lautet die Frage? Ihr kennt das Spiel. Man führt ein gut betuchtes Leben, weil man in den 80ern ein erfolgreicher Rockstar war. So erfolgreich, dass man jetzt Langeweile mit einer Depression verwechselt. Plötzlich stellt man fest, dass das Leben nicht so sein muss, wie es ist. Aber eigentlich ist man doch damit zufrieden, wie es ist. Oder? „This must be the place“ Oder?

Cheyenne war offensichtlich noch nie ein besonders lebenslustiger Mensch. Das ist dermaßen offensichtlich, dass es schwer fällt, etwas offensichtlicheres festzustellen. Er hat ein großes Haus, lebt mit seiner Frau zusammen, müsste glücklich sein, ist es aber nicht, weil er deprimierend sein muss. Früher hat er dadurch den großen Wurf gemacht. Hat deprimierende Songs geschrieben und wurde berühmt. Man könnte sagen, er hat Spaß am traurig sein. Andere stellen fest, er hat im Alter von 15 Jahren angefangen, sich zu schminken und hat 30 Jahre später nicht damit aufgehört. Er mag ein komischer Vogel sein, aber tief in seinem Innersten ist Cheyenne ein Kind geblieben, welches sich nie mit den großen Problemen des Lebens auseinander setzen musste, die in den späteren Songs besungen wurden. Das muss er allerdings jetzt nachholen. Sein Vater liegt im Sterben und hat der Nachwelt und seinem Sohn eine unglaublich fordernde Aufgabe hinterlassen. Cheyenne muss nach Amerika reisen und dort einen geflohenen Naziverbrecher aus Auschwitz jagen.

Sean Penn ist ein Schauspieler, der sich zuverlässig aus dem filmischen Abseits von Nebenrolle zu Nebenrolle gehangelt hat. Wenn man ganz genau aufpasst erkennt man zum Beispiel in Brian De Palmas „Carlitos Way“ zwei Dinge. Sean Penn spielt den Anwalt und besten Freund von Carlito und Sean Penn war schon immer ein guter und enorm wandlungsfähiger Schauspieler. Diese Wandlungsfähigkeit wurde 2008 mit einem Oscar für den besten Hauptdarsteller in Gus Van Sants „Milk“ honoriert. Nun setzt er als Cheyenne noch einen drauf. Man kann ein Phänomen beobachten, welches sehr selten in Filmen auftaucht, aber wenn man es erlebt, ist die Begeisterung groß. Sean Penn verinnerlicht die Rolle sehr stark und man gewinnt den Eindruck, er ist Cheyenne, ohne ihn spielen zu müssen. Dieser Eindruck verstärkt sich zum Beispiel, wenn sich Cheyenne mit realen Menschen, wie David Byrne unterhält. Obendrein erlebt Cheyenne eine aufregende aber schöne Geschichte, die sich zu einem waschechten Roadtrip quer durch die USA entwickelt. Er begegnet sämtlichen Menschen, denen man auf so einer Reise begegnen muss, erlebt alle notwendigen Dinge, die so ein Trip braucht. Trotzdem läuft der Film sehr weit fern ab jeglicher Konventlionen. Es ist kein typischer Roadmovie, aber es bietet einen unvergleichlichen Blick auf ein faszinierendes Land mit merkwürdigen aber nicht minder faszinierenden Bewohnern. Diese besondere scheinbar außen stehende Perspektive rührt daher, dass Regisseur Paolo Sorrentino kein Amerikaner ist. Der gebürtige Italiener wagt erstmals einen Blick über die Grenzen seiner Heimat und schafft ein einmaliges und sympathisches Bild und gleichzeitig einen ebenso einmaligen Charakter, der trotz seines schlichten Gemüts unglaubliche Tiefe zeigt.

„Cheyenne – This must be the Place“ macht sich gar nicht erst die Mühe, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu suchen, denn schließlich ist die Hauptfigur in New Mexico und nicht in Indien. Abgesehen davon darf man eine der schillerndsten und coolsten Filmfiguren beobachten, die seit langem über die Leinwand gewandert ist. In Verbindung mit der tollen Story ist dieser Film schon jetzt ein unsterbliches Meisterwerk.
Never For Money – Allways for Love

This Must Be The Place (I,GB, USA, 2011): R.: Paolo Sorrentino; D.: Sean Penn, Frances McDormand, Judd Hirsch, u.a.; M.: David Byrne, u.a.

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Im neuen Jahr wieder jeden Donnerstag, 12:25 auf Radio Lotte Weimar.

Montag, 12. Dezember 2011

Die Haut in der ich wohne

Pedro Almodovar ist ein Regisseur, dessen Ruhm irgendwie nicht zu seinen Filmen zu passen scheint. Fans des spanischen Filmemachers lieben seine Filme und können stets kaum die Zeit abwarten, bis sein nächstes Werk erscheint. Die Erwartungen sind immer wieder enorm hoch und man munkelt, diskutiert und fachsimpelt schon lange, bevor irgendjemand den Film überhaupt gesehen hat. Und dann sitzt man endlich im Kino und alles ist anders. Nicht, weil der Film schlecht wäre, oder man enttäuscht ist. Almodovar hat einen so bezaubernden und schlichten Stil, dass man den Eindruck gewinnt, er selbst schere sich gar nicht um die ganze Aufregung, die entsteht, wenn sein neuer Film angekündigt wird. So zumindest ging es mir nun, nachdem ich endlich „Die Haut in der ich wohne“ sehen konnte.

Zur Story will man gar nicht so viel sagen. Eigentlich hat man nur angst, man nehme zu viel vorweg und damit den Spaß derer, die den Film noch nicht kennen. So viel ist klar: Es geht um Robert Ledgard. Er ist Arzt und zählt zu den besten Chirurgen des Landes. In seiner eigenen Klinik behandelt er diskret und gut bezahlt ganz besondere Patienten. Zumindest glaubt das sein Team an Ärzten, die ihm stets bei Nacht und Nebel im isolierten OP assistieren. Seit einiger Zeit hat er nur noch eine Patientin, die das Haus nicht verlassen darf und die stets in einem verschlossenem Zimmer lebt. Niemand weiß, wer sie ist und was Ledgard mit ihr macht. Das Geheimnis droht aufzufliegen, als plötzlich und unverhofft der Sohn der Haushälterin an der Tür steht. Der polizeilich gesuchte Räuber scheint etwas über die Vergangenheit des Doktors zu wissen, was auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen darf.

Die Geschichte ist schräg und nimmt im Laufe des Films immer merkwürdigere Züge an. Almodovar erzählt stets Geschichten, die zwar komplex sind, aber auch klar einer geraden Linie folgen. Auch, wenn man nun durch das ungewöhnliche Setting zunächst den Eindruck gewinnt, es handele sich um etwas vollkommen neues und man überall mit Schnappatmung liest, Almodovar hätte einen harten Psychothriller gemacht, was ja nun so gar nicht zu dem Spanier passen will, ist eigentlich alles, wie gewohnt. Der Stil, der im wesentlichen durch die einprägsame Bildsprache entsteht, ist typisch für den Regisseur. Es ist toll, mit welcher Leichtigkeit hier Bilder gebaut werden, die ganz beiläufig in die Handlung einfließen. Durch die knalligen Farben und die sehr intensive Musik wird hier ein Gefühl des Bombastischen und Dramatischen geschaffen. Etwas, was die wenigsten Regisseure schaffen, ohne auf moderne, zum Beispiel digitale, Spielereien zurück zu greifen. Almodovar verzichtet nicht nur auf derartiges Werkzeug, er setzt sogar gradezu altmodische Mittel ein, die noch aus den Anfangstagen der Filmgeschichte zu stammen scheinen. Essentielle Botschaften des Films werden nicht durch gesprochene Worte, sondern durch Musik oder eben Bilder vermittelt. Das verpasst auch „Die Haut in der ich wohne“ einen altmodischen Touch, ohne dass es den Film alt macht. Apropos altmodisch: Antonio Banderas sieht mit seinen 51 Jahren immer noch so aus, als wäre er Mitte Zwanzig. Abgesehen davon spielt er den wahnsinnigen Doktor sehr überzeugend und mit einer beängstigenden Intensität.

„Die Haut in der ich wohne“ ist auf gewisse Weise ganz anders und trotzdem ein typischer Almodovar. Spannend ist, dass der Stil, den er bisher stets für ausgewachsene Dramen verwendet hat, auch hier wunderbar funktioniert. Und wenn man genau hinsieht, findet man auch hier die grundlegenden Themen wieder, die er auch sonst abhandelt. Die Frage nach dem Gewissen, danach, wie weit man für die Lebe gehen kann und nicht zu Letzt die Frage nach der eigenen Identität.

La piel que habito (ESP, 2011): R.: Pedro Almodovar; D.: Antonio Banderas, Elana Amaya, Marisa Paredes, u.a.; M.: Alberto Iglesias; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

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Donnerstag, 24. November 2011

Neustarts am 24. November 2011

Twilight 4 – Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht Teil 1
Was kann es bedeuten, wenn ein Film kommt, dessen Titel so lang ist, dass man baden gehen kann, während ihn einer herunter betet? Das Finale der Vampirsaga um Vampir Edward und Menschin Bella geht in die erste Runde und der weltweite Vampirwahn läuft zu absoluten Höchstformen auf. Ich selbst habe keinen einzigen der Filme gesehen. Völlig überkitschter Mist, der so überflüssig ist, wie alkoholfreies Bier. Doch ständig höre ich aus völlig unerwarteten Ecken, es sei gar nicht so schlecht und hätte etwas. Was es nun genau hat, kann man jedenfalls ab heute in den deutschen Kinos sehen. Das echte Finale der Reihe kommt dann im Sommer, so ähnlich, wie bei einer anderen Filmreihe, die zum Ende einen ähnlich langen Titel vorzuweisen hatte.

Der Gott des Gemetzels
Keine Angst, es handelt sich hierbei nicht um einen mittelalterlichten Schlachtfilm. Es ist auch kein Horrorfilm und auch keine undergroundige Folterorgie. Hier kommt der neue Film von Roman Polanski, der seine größten Stärken immer in kleinen kammerspielartigen Dramen einsetzen konnte. Es geht um zwei Elternpaare, deren Kinder sich auf dem Schulhof eine Prügelei geliefert haben. Grund genug, sich doch mal zu treffen und die Problematik in Ruhe zu besprechen. Finden Sie nicht? Die Story, basierend auf einem Theaterstück von von Yasmina Reza ist Klasse, die Schauspieler der absolute Wahnsinn und Roman Polanski ist seit dem faszinierend-verstörendem „Der Tot und das Mädchen“ ein absoluter Meister dieses Fachs. Der Gott des Gemetzels – Ab heute in den deutschen Kinos und demnächst auch in Weimar.

I'm not a f**king Princess

Die Pariser Schauspielerin Eva Ionesco widmet sich in ihrer zweiten Regiearbeit einem schwierigen Thema. Irgendwie bekommen wir Beklemmungen, wenn wir darüber reden müssen. Ist das, worum es hier geht noch Kunst? Wie weit darf Kunst gehen? Wie geht man mit Kunst um, die eindeutig zu weit gegangen ist? Wie weit darf man gehen, bevor die moralische Gesellschaft zurück schlägt. Diese Fragen stellt "I'm not a F**king Princess" und beantwortet sie auf eine recht eigentümlich Art.

Hanah ist Künstlerin und stellt nach mehrfachen Fehlschlägen fest, dass sie nicht als Malerin geeignet zu sein scheint. Ein befreundeter Maler schenkt ihr eine Fotoaparat und gibt ihr damit zweifelsfrei zu verstehen, auf welchem Gebiet der bildenden Kunst sie sich wohl eher betätigen sollte. Hanah kniet sich total in diese neue Welt herein. Sie arbeitet so sehr an ihrer Karriere, dass sich ihre kleine Tochter Violetta vernachlässigt fühlt. Eines Tages nimmt Hanah ihre Tochter mit in ihr Atelier, um ihr zu zeigen, womit sie so viel Zeit verbringt. Aus einem minimalem Impuls heraus, macht Hanah ein Foto von Violetta und ihr fällt in diesem Moment die prickelnde und fast schon laszive Ausstrahlung ihres Kindes auf. So geht es weiter und die Fotos werden immer aufreizender, die Posen immer gewagter und die Kunstspezialisten immer erregter, angesichts dieser tabuträchtigen, aber ästhetisch hoch anspruchsvollen Kunstfotografien. Durch die Fotos wird Violetta regelrecht zu einem Kunstobjekt: Sie scheint sich rein äußerlich in eine lebende Puppe zu verwandeln und entfernt sich so immer mehr von ihrem Leben in der wirklichen Welt.

Dieser Film polarisiert das eigene Gewissen. Einerseits kann man sich der Faszination des Kunstgedankens nicht entziehen, andererseits will man bei manchen Szenen nicht hin sehen. Regelrechte Qualen durchlebt man, wenn die Mutter die kleine Tochter auffordert, sich auszuziehen, oder sich nicht so zu haben, ihre Beine zu spreizen. Keine Angst; der Film arbeitet sehr viel mit der Vorstellungskraft des Zuschauers und Darstellerin Anamaria Vartolomei zeigt nicht annähernd so viel nackte Haut, wie seinerzeit die echte Violetta. Beeindruckend ist der innere, wie auch äußere Wandel des kleinen Mädchens. Sie wird durch ihre Mutter zu einem lebenden Kunstwerk gemacht, und weil sie es in ihren jungen Jahren nicht besser weiß, nimmt sie die Rolle der Prinzessin in sich auf. Interessant ist auch die plötzlich zuschlagende Keule der gesellschaftlichen Doppelmoral. Erst werden die pikanten Fotos von der Kunstwelt und der Öffentlichkeit gefeiert und dann wird die Künstlerin verklagt und das Jugendamt steht mit wedelndem Zeigefinger vor der Tür. Plötzlich sagen alle: „Also, so geht's ja nicht!“ Der Film setzt außerdem sehr gekonnt passende Musik ein. Während der Foto-Shootings hört man stets eine sphärische Fläche von Klängen, wohingegen während der Szenen in der echten Welt kaum Musik zu hören ist und der Lautstärkepegel der Nebengeräusche enorm angezogen wird. Durch diesen hörbaren harten Unterschied, werden diese beiden Ebenen von Violettas Wahrnehmung wirksam getrennt.

„I'm not a f**king Princess“ ist harter Tobak, der sich der Thematik auf eine Leichtigkeit nähert, die schockiert und gleichzeitig fasziniert. Der Film ist auch gleichzeitig Tabubrecher und Gesellschaftsstudie. Einfacher wird es nach dem Kinobesuch auch nicht, über das Thema zu reden. Unser Alltag hilft, es zu verdrängen, aber im Kopf hört es lange nicht auf.

My Little Princess (F, 2011): R.: Eva Ionesco; D.: Isabelle Huppert, Anamaria Vartolomei, Denis Lavant, u.a.; M.: Bertrand Burgalat; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Freitag, 18. November 2011

Neustarts am 17. November 2011

Es ist Zeit für eine neue Rubrik. Im Radio hört man schon länger die wöchentlichen Tipps, welche Filme man sich brandneu und taufrisch ansehen sollte. Ab jetzt kann man das auch auf dem Blog nach lesen.
Los geht's!

Arthur Weihnachtsmann
Kein Weihnachtsfest ohne knuddelige CGI-Kinderfilme! Gemäß diesem Vorsatz serviert uns Hollywood in diesem Jahr „Arthur Weihnachtsmann“ Es geht um den tollpatschigen Sohn des Weihnachtsmannes, der durch sein tollpatschiges Verhalten ganz schön viele tollpatschige Katastrophen verursacht und fast dafür sorgt, dass Weihnachten ausfällt. Die Story ist natürlich nicht besonders einfallsreich, oder kreativ. Aber Mann! Sehen die Viecher wieder niedlich aus. Vor allem die kleinen Gehilfengnome sind ja so was von süß. Wer sich also in eine schöne kleine vorweihnachtliche Stimmung bringen will, kann das ab heute mit „Arthur Weihnachtsmann“ in den deutschen Kinos tun.

Tom Sawyer
Hier haben wir eine Neuverfilmung des Klassikers von Mark Twain. Diesmal ist es aber eine deutsche Produktion. Das mutet ein bisschen merkwürdig an, wenn all die bekannten deutschen Schauspieler versuchen, so amerikanisch zu sein. Der Zielgruppe – Kindern nämlich – dürfte das allerdings egal sein. Wir haben schöne Kostüme, gute Schauspieler, eine tolle Landschaft; wer hätte gedacht, dass es im Harz aussehen könnte, wie in Ohio?. Tom Sawyer – Ab heute in den deutschen Kinos

Thing
Beinahe 30 Jahre nach Erscheinen des beklemmenden Horror-Klassikers von John Carpenter kommt hier kein Remake, auch kein Reboot und schon gar keine Fortsetzung. Dieser Film erzählt tatsächlich die Vorgeschichte. Wir erfahren also, wie das norwegische Forscherteam am Nordpol den Meteoriten findet und Kontakt mit dem Ding aus einer anderen Welt aufnimmt. Das Problem an dem Ding ist, dass es sich in alle Lebewesen verwandeln kann, die es berührt. Neben dem Effektefeuerwerk kann man sich also auf spannende Psychospielchen freuen und bestenfalls weiß man nie, wer nun wirklich wer ist. Hoffentlich kann der Film den hohen Erwartungen stand halten Die Version von 1982 ist nämlich einer meiner Lieblingshorrorfilme.

Das Wort zum Donnerstag

Mitte November und es sieht so aus, als wäre das Kinojahr wirklich langsam gelaufen. Ich weiß, das habe ich schon sehr oft gesagt, aber so langsam scheint wirklich die Luft raus zu sein. Na gut! Wir erwarten sehnlich den Start des neuen Cronenbergs und bei uns ist noch immer nicht der neue Almodovar gelaufen. Es gibt in meinem Bekanntenkreis ein absolutes Verbot, irgendwas über „Die Haut in der ich wohne“ zu erzählen. Nur, weil der Verleih gepennt hat, und nicht ahnen konnte, dass die paar Kopien nicht reichen, lass ich mir nicht den Spaß verderben.

Aber irgendwie sind die Höhepunkte des Jahres 2011 vorbei. Es gab sehr viele Filme, die unglaublich gut waren. Man musste manchmal ein bisschen auf sie warten, und einige Filme über sich ergehen lassen, die weniger gut waren. Los ging's gleich mit einer Enttäuschung, aber keiner Überraschung. „Die Chroniken von Narnia – Die Reise auf der Morgenröte“ war genau so schwach, wie man es angesichts der schwachen Vorgänger erwarten durfte. Kein würdiger Abschluss, aber wenigstens ist es jetzt vorbei. Das Jahr der Fortsetzungen machte seinen Namen alle Ehre und warf gleich darauf den dritten Teil der Focker-Filme mit Robert De Niro und Ben Stiller ins Rennen. Auch hier gab es wenig Überraschungen, man war aber angemessen unterhalten und freute sich über gut gelaunte Superschauspieler. Dann wurde die Geduld wirklich heraus gefordert. „The Green Hornet“ von Michel Gondry bot nicht mehr als unteren Durchschnitt mit völlig alberner und überzogener Geschichte und blöden Figuren. Ein saudummer Film, dessen Überflüssigkeit nur noch von der Penetranz des Hauptdarstellers Seth Rogan übertroffen wurde. Gott sei Dank blieb mir gar nicht so viel Zeit, mich darüber zu ärgern, denn dann kam mit „Black Swan“ der erste richtige Höhepunkt im Jahr. Ich war so begeistert, dass ich schon angst bekam, das neue Jahr hätte all sein Pulver bereits im Januar verschossen und ich müsste mich den Rest von 2011 nur noch mit Gurken herum ärgern.

Der Februar belehrte mich eines Besseren. „Hereafter“, „127 Hours“ und „The King's Speech“ belohnten die Wartezeit und nährten die Freude, ins Kino zu gehen. Und dann gab es einige Ankündigungen, die mich ziemlich aufgeregt machten. Der neue Coen-Film stand vor der Tür und von „True Grit“ versprach ich mir einen intensiven und super spannenden Neo-Western mit einem fantastischen Jeff Bridges. Dass, meine Erwartungen nicht erfüllt wurden, ist nicht dem Film vorzuwerfen, aber irgendwie bin ich noch immer nicht ganz versöhnt. Das zeigt mal wieder, wie unterschiedlich der Eindruck, den man durch einen Trailer gewinnt im Vergleich zum eigentlichen Produkt sein kann. Nächster persönlicher Höhepunkt bildete „Sucker Punch“. Den Ankündigungen entsprechend sollte es ein Actionreißer werden, in dem heiße, knapp bekleidete Mädels massenhaft Monster metzelten. Und genau das war es auch. Welche kosmische Bedeutung Zack Snyder auch immer in sein Werk hinein gedichtet haben wollte, ich habe sie nicht gesehen und war deshalb auch nicht entttäsucht darüber. Im Gegenteil. Derartig kurzweilige Unterhaltung habe ich lange nicht mehr genießen dürfen. Es ist der perfekte Film, einfach nur abzuschalten und zu gaffen.
Anschließend gab es, eine kleine Durststrecke zu absolvieren. „World Incasion: Battle Los Angeles“ war Mist. Jaja. Alle haben's gewusst, aber ich wollte mich auf was cooles freuen. Schwamm drüber! „Thor“ war mittelmäßig okay. Viele gute Ansätze und Ideen aber viel verschenktes Potential. Eine Krankheit, die vielen Marvelverfilmungen innewohnt, die in letzter Zeit heraus kamen. Dann gab's Gänsehaut mit einem schockierend ehrlichen „Winter's Bone“, der ohne jeden Vorbehalt in die Schublade „Böse Filme“ geschoben werden muss. Im Juni war ich eigentlich den ganzen Monat über ziemlich platt. Schuld daran war der neue Film von Terence Malick. „Tree Of Life“ jagt mir immer noch wohlige Schauer über den Rücken, wenn ich nur daran denke. Ein unglaublich intensiver Film, der viel mehr erzählt, als man fassen kann. Dieser Film war die größte Überraschung und traf vollkommen unverhofft. Im Juli ging dann eine filmische Ära zu Ende, die vor zehn Jahren begann. Der letzte Film der Harry Potter Reihe lief an. Relativ ernüchtert von den letzten Vorgängerfilmen, war ich vom letzten Teil doch recht angetan. Ein würdiges Ende mit viel Tragik und Epicness. So muss es laufen. Abschluss heißt allerdings auch Abschluss. Wehe, es kommen irgendwelche Fortsetzungen oder Spin-Offs. Die werden dann wild entschlossen boykottiert. Der August bot mit „Super 8“ eine nostalgische Reise in die Vergangenheit und ließ feststellen, das J.J. Abrahms ein verlässlicher Filmemacher ist und man freut sich mehr als nur ein bisschen auf seine nächsten Projekte.

Im September ging es nach Leipzig zur Filmkunstmesse. Hier gab es einige sehr schöne Filme zu sehen, die mittlerweile angelaufen sind, oder erst noch kommen. Das absolute Highlight hier war der neue Film von Nicolas Winding Refn „Drive“. Dieser Film zählt für mich zu den Besten, die ich je gesehen habe. „Drive“ wäre ganz sicher der beste Film des Jahres 2011 gewesen. Allerdings startet er erst im Januar 2012 und wird somit automatisch zum besten Film nächsten Jahres gekürt. Ich kann mir im Moment nichts vorstellen, was dieses Werk übertreffen könnte. Ein schönes Festivalerlebnis bot das Preview von „Melancholia“. Lars von Trier konnte ich bis her nie so richtig genießen, aber diesmal hatte er es irgendwie geschafft. Der Film war klasse und mittlerweile dürfte ihn wohl jeder Interessierte gesehen haben.

2012 wird wieder die übliche Mischung aus lang angekündigten Blockbustern und vielen kleinen Filmen bieten. The Dark Knight Rises ist da ein wichtiger Fixpunkt, dem ich schon jetzt entgegen fiebere. Abgesehen davon bleibe ich einfach dabei, mich auf gute Filme zu freuen und hoffe, es ist nicht zu viel Mist dabei. Aber das Jahr ist lang und Überraschungen gibt es immer. Und dieses Jahr ist auch noch nicht vorbei. Es sind immerhin noch sechs Wochen, in denen viel passieren kann.

Mittwoch, 16. November 2011

Der Doppelmoppel

Ihr vermisst die letzte Rezension zu "Tyrannosaur"? Darauf müsst Ihr nicht warten, denn sie ist längst online. Den Film habe ich bereits im September auf der Filmkunstmesse in Leipzig gesehen und ihn jetzt zum Start im Sender besprochen. Da ich dachte, es wäre ein bisschen sinnlos, den gleichen Text zwei mal zu posten, spare ich mir das, und verweise an dieser Stelle auf den Artikel aus Leipzig. Viel Spaß beim nochmaligen Lesen.

Zur Rezension über "Tyrannosaur - Eine Liebesgeschichte" geht's hier!

Mittwoch, 9. November 2011

Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn

Manchmal ist es schon lustig, was uns mit schlichten Werbeslogans eingetrichtert wird. Wenn man jetzt ganz unverbindlich fragt, wer denn einer der berühmtesten Comichelden der Welt ist, kommt man wahrscheinlich auf Superman, oder Batman. Vielleicht sogar Spider-Man, oder neuerdings auch Captain America. Doch die amerikanischen Superhelden sind nicht der Anfang der Comicgeschichte. Bereits 1929 erblickte der vom belgischen Zeichner Herge erfundene Reporter Tim und sein verdammt smarter kleiner Knuddelhund Struppi das Licht der Comicwelt und entwickelte sich tatsächlich zu einem der beliebtesten und bedeutendsten Figuren der europäischen Comickultur. Nun hat sich Steven Spielberg dieses Monstrum aus Superlativen geschnappt und verfilmt. Und das Ergebnis ist – gelinde gesagt – beeindruckend.

Tim ist ein aufgeweckter junger Reporter, der stets neugierig auf der Suche nach einer packenden Story durch die Weltgeschichte wandert. Eines Tages findet er auf einem Flohmarkt das Modell eines alten Schiffes – der Einhorn. Zunächst ist er nur von dessen Detailreichtum und Schönheit verzaubert. Doch als er es kaufen will, tauchen gleich zwei fremde Männer auf, die das Modell um jeden Preis haben wollen. Tim bleibt hart und behält das Schiff. Kaum zu Hause angekommen, erwacht bereits die Neugier und Tim versucht, heraus zu bekommen, was es mit dem Schiff auf sich hat. Als dann noch eingebrochen wird und das Model verschwindet, weiß er, es muss sich um ein großes Geheimnis handeln. Die Spur führt zu den Haddocks, einem altehrwürdigen Geschlecht echter Seebären, doch der einzige noch lebende Vertreter der Familie ist verschwunden und der merkwürdige Herr Sakharine hat irgendwas mit der ganzen Geschichte zu tun. Ehe es sich Tim versieht, ist er in ein aufregendes und gefährliches Abenteuer verstrickt.

Bei all den Comicverfilmungen, die am laufenden Band erscheinen, kann man schnell den Überblick verlieren, ganz zu schweigen vom Interesse. Für viele ist der neue Spielberg also wahrscheinlich lediglich nur ein weiterer Comicfilm unter vielen. Doch gibt es einen Unterschied. Spielberg hat nicht umsonst die Finger von all den Superhelden gelassen, die derzeit im Expressverfahren und nach Schema F auf die Leinwand flattern. Spielberg hat sich eine ganz besondere Vorlage ausgesucht und sie auch in etwas ganz besonderes verwandelt. Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat er keine neue Story für den Film erfunden, sondern hält sich eins zu eins an die papierne Vorlage. Die Rechnung dahinter ist ganz einfach. Die Dramaturgie und Spannungskurve, die schon in Comicform funktioniert hat, funktioniert auch auf der Leinwand. Hier wird nichts hinzu gedichtet und es werden auch keine krampfhaften Storykapriolen vollführt, nur um etwa möglichst viele Figuren zu zeigen, obwohl diese in der Vorlage noch lange nicht auftauchen. Im Gegenteil; man lässt sich sogar relativ viel Zeit, die Figuren dieser Geschichte zu etablieren und auszubauen. Die Charaktere sind natürlich recht einfach gestrickt und behalten ihre comichafte Natur. Das ist natürlich auch dem Look des Films geschuldet. Die ersten Trailer ließen vermuten, es handele sich um eine Realverfilmung. Allerdings ist alles – also wirklich alles am Computer entstanden. Die zahlreichen, nicht unbekannten Schauspieler mimen die Figuren mit Hilfe der immer besser entwickelten Motion-Capturing-Technik, die man seinerzeit sehr eindrucksvoll bereits an Gollum bestaunen durfte. Kein Wunder also, dass Andy Serkis auch wieder mit von der Partie ist und den bärbeißigen, aber herzensguten Kapitän Haddock spielt. Das ganze Verfahren wurde soweit perfektioniert, dass man vor Staunen den Mund nicht zu bekommt. Es sieht wirklich alles unglaublich toll aus. An vielen Stellen fühlt man sich sogar genötigt, Vergleiche zu Camerons „Avatar“ zu ziehen. Tricktechnisch liegen Tim und Struppi in diesem Vergleich sogar eine Nasenlänge vorn.

„Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn“ macht großen Spaß und Spielberg und Jackson haben es nicht nur vollbracht, eine schöne Adaption einer bekannten Comicgeschichte zu basteln, sie haben ihren ganz typischen Stil mit eingebracht und mehr als einmal kommt – sagen wir mal – Indy-Feeling auf. Die Bilder sehen geil aus. Also wirklich geil. So geil, dass man sich fragt, ob es mit echten Schauspielern und echten Kulissen nicht noch geiler ausgesehen hätte. Mal sehen, was der zweite Teil bringt. Der kommt irgendwann in den nächsten Jahren, müsste konsequenter Weise „Der Schatz Rackhams des Roten“ heißen und diesmal unter Regie von Peter Jackson entstehen.

The Adventures Of Tintin – The Secret Of The Unicorn (USA, 2011): R.: Steven Spielberg; D.: Jamie Bell, Andy Serkis, Daniel Craig, u.a.; M.: John Williams; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

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Donnerstag, 27. Oktober 2011

The Guard - Ein Ire sieht schwarz

Es gab schon allerlei merkwürdige Filmpärchen, die allein wegen ihrer, oft übertrieben dargestellten Gegensätze für Lacher gesorgt haben. Dieses Konzept bot in den letzten Jahren Stoff für viele, meist platte Komödien, die allein durch ihre Masse auffielen und im Gespräch blieben, selten aber wirklich anspruchsvoll unterhalten konnten. Genau an solche Filme denkt man nun auch, wenn man den Trailer zu „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ betrachtet.

Gerry Boyle ist Polizist in der Provinz. Vor allem aber ist er, wie viele andere auch ein Ire. „Polizist“ ist seine Berufsbezeichnung, aber egal, ob er die Uniform trägt oder nicht: Er ist irischer, als U2 und Kerrygold zusammen. Im Laufe vieler Dienstjahre hat er nicht viel Aufregendes erlebt. Hin und wieder ein paar besoffene Kids, die sich mit ihren Sportwagen um Bäume wickeln und Leute, die spurlos verschwinden, ihre Autos aber am Selbstmord-Hot-Spot des Dorfes abstellen. Eines Tages kommt der FBI-Agent Wendell nach Irland. Er kündigt die Ankunft einer großen Ladung Koks aus Kolumbien an. Die irischen Hintermänner der Drogentransaktion sind bekannt und nun gilt es, mittels gezielter Ermittlungsarbeit und gründlicher Befragung der Einheimischen, den Zeitpunkt und den Ort der Übergabe heraus zu finden. Boyle hat allerdings mit einem Mord in einem Ferienhaus zu tun und nimmt sich außerdem seinen freien Tag. Nicht nur, dass er sich sehr unkooperativ verhält, er macht auch noch durch sehr unangemessene rassistische Bemerkungen gegenüber seines schwarzen FBI-Kollegen auf sich aufmerksam. Aber so sind Iren nun mal.

Eines merkt man ganz schnell: Der irische Humor ist für unsere Verhältnisse sehr bissig und schwarz. Vor allem kommen die Schläge ganz unerwartet und insgeheim gluckst man auch bei den härtesten Rassistensprüchen. Boyle lässt derartige Bemerkungen mit einer Beiläufigkeit vom Stapel, dass man sich stets vor lauter Überraschung am Guinness verschluckt. Trotz des derben Tons, ist der Film sehr präzise und sauber gemacht. Es gibt stets ganz klare Bilder und fast schon klinisch-perfekte Kamerafahrten. Die raue irische Landschaft bietet einen krassen Kontrast zu diesem sauberen Stil. Sehr klar umrissen und präzise gespielt sind auch die Figuren im Film. Die Rollenverteilung ist völlig klar. Es gibt den typischen Antihelden, es gibt den typischen Recht schaffenden, moralisch gefestigten Helden, es gibt die trotteligen Dorfpolizisten, typische Frauen, weniger typische Frauen und ganz klassische Bösewichte. Diese klaren Charakterdefinitionen verwischen aber immer wieder und sehr coole Dialoge machen alle Figuren – ob Gute oder Böse – sehr sympathisch. Das macht es manchmal schwer, sich als Zuschauer für eine Seite zu entscheiden und das sorgt für eine ungewohnte Dynamik in der Story. Brendan Gleeson und Don Cheadle zeigen in dieser Zusammenarbeit, wie gut sie mit Gegensätzen umgehen können und beweisen einmal mehr, dass sie gute Schauspieler sind.

„The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ ist eine Komödie mit bitterbösen Einwürfen, bei denen man manchmal fast peinlich berührt ist, dass man sie trotzdem so witzig findet. Ansonsten ist der Film absolut untypisch für alle Genreschubladen, in die man ihn vielleicht vorher stecken wollte. Es ist kein typischer Gangsterfilm und auch keine typische Buddykomödie. Es ist wohl einfach nur ein irischer Film.

The Guard (IRL, 2011): R.: John Michael McDonagh; D.: Brendan Gleeson, Don Cheadle, Mark Strong, u.a.; M.: Calexico; Offizielle Homepage

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Freitag, 21. Oktober 2011

Contagion

Erinnert ihr euch noch an die Schweinegrippe? Oder wie lief das bei der Vogelgrippe? Nicht zu vergessen, die alljährliche Warnung vor irgendeinem Bazillus, der uns immer wieder und ständig ans Leder will. Doch ist das auch wahr? Nicht wenige vertreten da die Meinung, dass dieses ganze Theater lediglich Panikmache sei, um den multinationalen Pharmakonzernen die Taschen voll mit Geld zu schaufeln. Also ignoriert man diese ganzen Impfungen und tut einfach das, was man schon immer getan hat, wenn man sich eine Erkältung eingefangen hat. Aber was ist, falls es doch mal ernst wird?

Beth Emhoff ist viel unterwegs und ist gerade von einer Geschäftsreise aus China ins nordamerikanische Heimatstädtchen zurück gekehrt. Allerdings fühlt sie sich nicht so gut, schiebt das Unwohlsein aber der Erschöpfung und dem Jetlag zu. Ihr Ehemann kann allerdings gar nicht so schnell gucken, so schnell bricht sie plötzlich unter Krämpfen zusammen, fällt anschließend ins Koma und stirbt nur wenige Stunden später. Die Ärzte haben gar keine Zeit, sich all zu lange darüber zu wundern, denn überall auf der Welt erkranken die Menschen an einem unbekannten, aber unglaublich aggressiven Virus und sterben den Ärzten in einem nie da gewesenem Tempo unter den Händen weg. Wissenschaftler begeben sich nun auf die fieberhafte Suche nach einem Gegenmittel, während überall die sozialen Strukturen aus den Fugen geraten. In Städten sind die Menschen nun den Gefahren von Paniken, Unruhen und Plünderungen ausgeliefert und müssen sich zusätzlich des Krankheitserregers erwehren.

Steven Soderbergh ist kein Künstler. Er ist purer Handwerker und hat auch nie Zweifel darüber aufkommen lassen. Eben weil er sich auf das Handwerk konzentriert und sich nicht durch solchen Firlefanz, wie Ästhetik, oder gar dem Kreieren metaphorischer Sinnbilder ablenken lässt, hat er ironischer Weise einen ganz eignen und typischen Stil geschaffen. Bei Soderbergh ist immer alles ganz klar und detailliert dargestellt und dieser Stil funktioniert gut, egal, ob er nun eine Komödie oder einen Thriller produziert. Ganz schlicht und nüchtern – ja geradezu kalt – berichtet der Film von den Ereignissen und sorgt so für ein Gefühl der Echtheit, welches man bei diesem Thema vielleicht gar nicht so intensiv erleben möchte. Logische Konsequenz dieses Konzepts – und vielleicht der einzige kleine Wermutstropfen: Insgesamt hätte ich mir den Film spannender gewünscht. Eigentlich ist man ja froh, dass es eben kein reißerischer und übertriebener Actionfilm geworden ist, aber wenn man sich an Dustin Hofmann in „Outbreak“ erinnert, vermisst man bei „Contagion“ schon ein bisschen das aufregende Gefühl des Hin-und Herrutschens im Kinosessel. Ebenso schlicht, wie der Erzählstil des Films, sind die Darstellungen des sagenhaften Casts. Alle Darsteller scheinen perfekt für die jeweilige Rolle besetzt zu sein – selbst Gwyneth Paltrow – und füllen diese Rollen entsprechend überzeugend. Und durch den Verzicht auf allerlei Schmuckwerk funktioniert dieser Film so gut. Dieser fast schon dokumentarische Stil sorgt eigentlich für die meiste Gänsehaut. Wir haben Angst vor Finanzkrisen, Terroristen oder Außerirdischen? Es reicht ein kleiner verdammter Bazillus, den man einatmet, um den ganzen Planeten leer zu fegen. Das finde ich gruslig.

„Contagion“ tickt anders, als Genre-Brüder. Das merkt man spätestens dann, wenn eine der Hauptrollen bereits nach etwa drei Minuten das Zeitliche segnet. Obendrein bietet der Film eine unverhohlene und sehr mutig inszenierte Gesellschaftskritik und durch das starke und massenwirksame Szenario kommt diese Kritik sogar bei einer sehr großen Zahl von Menschen an und verbreitet sich vielleicht. So ähnlich, wie ein Virus.

Contagion (USA, 2011): R.: Steven Soderbergh; D.: Matt Damon, Kate Winslet, Gwyneth Paltrow, u.a.; M.: Cliff Martinez; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 19. Oktober 2011

Restless

Gus Van sant ist ein regisseur, der sich stets für die einfachere Lösung entscheidet, wenn er einen Film macht. Nie wird es bei ihm spektakuläre Actionszenen oder noch nie dagewesene Spezialeffekte geben. Er schafft es aber immer, trotz – oder wegen – seines schlichten Stils, einen enormen Tiefgang zu erzielen. Er widmet sich immer in erster Linie den Menschen in seinen Geschichten. Immer geht es um ihre Gefühle, darum, wohin sie von ihren entscheidungen gebracht werden. Das war bei „Good Will Hunting“ so, ebenso bei „Elephant“ und so ist es auch in seinem neuen Film „Restless“

Es geht um Enoch, der ein bisschen seltsam ist. Er spricht mit dem Geist eines japanischen Kamikazepiloten und besucht gerne Beerdigungen völlig fremder Menschen. Er kann nicht genau sagen, was ihm daran so fasziniert. Eines Tages trifft er auf einer Trauerfeier Annabel. Sie teilt seine Vorliebe für Trauerfälle, interessiert sich im Gegensatz zu Enoch nicht für den Tod, sondern für alle Facetten des Lebens. So ist sie zum Beispiel eine leidenschaftliche Vogelkundlerin und zeichnet gerne. Überhaupt scheint sie mit ihrem wachen Verhalten den etwas in sich gekehrten Enoch aus der Reserve zu locken. Zwei Dinge sind schnell klar. Die beiden verlieben sich und trotz ihres Glücks hat alles einen ganz furchtbar tragischen Haken.

Gus Van Sant hatte zusammen mit Matt Damon und Ben Affleck mit „Good Will Hunting“ einen wunderbaren kleinen Film geschaffen, der irgendwie perfekt die Waage hielt zwischen einer ganz zarten, anmutigen Schönheit und tiefer Tragik. Besonders die Stimmungen und Dialoge zwischen den Figuren waren gleichermaßen voller Hingabe und etwas, was man irgendwie schwer fassen konnte. Ganz klar war die Botschaft. Das Leben schenkt dir nichts und du musst es selbst in die Hand nehmen. Bei „Good Will Hunting“ bestand die Tragik noch in dem Umstand, dass die Hauptfigur es eben einfach nicht in die Hand nahm und sich ihr Lebensglück aus Stolz immer wieder versagte. Bei „Restless“ funktioniert es ein bisschen anders. Hier gibt es nicht einmal die Möglichkeit, etwas in die Hand zu nehmen. Hier steht ein junges und glückliches Liebespaar ganz alleine der geballten Macht der höheren Gewalt gegenüber. Klingt sehr nach einer typischen Tragödie. Aber der Film handelt all diese schwermütigen Themen auf eine dezent lockere und sehr natürliche Art und Weise ab. Eben wieder diese anmutige Schönheit und die leise Tragik, die in perfekter Harmonie Hand in Hand gehen. Die beiden Hauptdarsteller Henry Hopper und Mia Wasikowska spielen ganz dezent und schlicht, schaffen es aber auf überzeugende Art, den beiden klar umrissenen Figuren Leben ein zu hauchen. Eigentlich straft jede weitere Hervorhebung einer Sache, die mir besonders aufgefallen ist, den ganzen Stil des Films Lügen, denn eigentlich gibt es nichts, was hervorstechen kann. Alles ist ein stimmiges Ganzes. Eine schöne Geschichte, mit tollen Schauspielern, schöner Musik und einem talentierten Regisseur, der das Gefühl für die Geschichte nie aus den Augen verliert.

„Restless“ ist schön, aber auch tragisch. Es geht um das Finden des Glücks und das Festhalten des Selben. Und wie kein anderer Film, erinnert uns „Restless“ daran, dass alles irgendwann endet. Wie in einem Elliot Smith Song.

Restless (USA, 2011): R.: Gus Van Sant; D.: Henry Hopper, Mia Wasikowska. Ryo Kase, u.a.; M.: Danny Elfman; Offizielle Homepage

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Dienstag, 4. Oktober 2011

Melancholia

Bundesstart: 6. Oktober 2011

Über Lars von Trier muss man an dieser Stelle gar nicht mehr viel sagen. Oft gelobt und noch öfter diskutiert, hat er sich in der Filmwelt einen festen Platz als ambitionierter Künstler geschaffen. Seine Filme heben sich stets von allem anderen ab und lassen sich schwer in eine bestimmte Genre-Schublade stecken. Es gibt viele Fans, die seine Arbeiten abgöttisch lieben und es gibt mindestens genau so viele Menschen, die oft nichts damit anfangen können. Ich zähle mich eher zu Letzreren. Anstatt mich darüber aufzuregen, erkenne ich von Triers Werk als abstrakte Kunst an, die das Medium Film nicht nur auf unkonventionelle Weise nutzt, sondern es jedes Mal aufs neue zu revolutionieren versucht. Genug der Wortklaubereien und Zeit für Klartext: Hier kommt „Melancholia“

Justin ist frisch verheiratet und ist mit ihrem Bräutigam auf dem Weg zur Hochzeitsfeier. Diese findet im nagelneu errichtetem Familienanwesen ihres Schwagers John statt. Die ganze Familie ist versammelt. Die Stimmung ist gedrückt, denn das Brautpaar hat sich verspätet und es gilt ein langes Programm zu absolvieren. Während des Essens, des Tanzes und des Anschneidens der Hochzeitstorte werden viele Reden geschwungen und schnell wird klar, dass die Familie tief gespalten ist und Justin zum Dreh- und Angelpunkt des familiären Glücks geworden ist. Sie sieht sich also enormen Druck ausgesetzt und ist sich sicher, diesem nicht standhalten zu können. Ihre Schwester Claire sorgt sich derweil um etwas völlig anderes. Aus den Tiefen des Weltalls kommt der Planet Melancholia auf die Erde zugerast. Auch, wenn die Wissenschaftler allesamt versichern, der Planet würde die Erde nur knapp passieren und das Ereignis als spektakuläres Naturschauspiel feiern, verbreitet die Ankunft des Planeten eine gedrückte Stimmung und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die gesamte Hochzeit unter keinem guten Stern steht.

Die beiden Storyteile sind sehr simpel und durch lediglich sehr groben Elementen miteinander verbunden. Trotzdem hängt alles zusammen und ist mit schlichten, aber wirkungsvollen Bildern untermalt. Die Einführung des Films ist in hochauflösender Suprazeitlupe gedreht und bildet den visuellen Höhepunkt des gesamten Films. Hier tobt sich von Trier richtig aus, nur um dann die eigentliche Geschichte in einem sehr harten Dogma-Stil zu erzählen. Durch den reduzierten Stil haben allerdings die Schauspieler alle Möglichkeiten, sich zu entfalten und sie liefern allesamt eine sehr intensive Darstellung ab. Sie wirken in diesem Film ganz natürlich. Man bekommt den Eindruck, ganz normale Menschen zu beobachten und keine Schauspieler, die so tun, als wären sie ganz normale Menschen. Das hätte ich Kirsten Dunst zum Beispiel nicht zugetraut. Doch besonders sie wächst enorm über sich hinaus und vermittelt eine tiefgespaltene Person, die im Verlauf des Films unglaublich viele Facetten des menschlichen Verhaltens zeigt. Trotz des abstrakten Stils des Films, wird die Geschichte auf sehr klare Weise erzählt. Die Story ist sowieso das Wichtigste und gewinnt immer mehr an Intensität und man ist förmlich zum Zerreißen angespannt. Das ist eine Eigenschaft, die fast alle von Trier-Filme teilen. Ob der Mann jetzt Künstler, oder Visionär ist, er weiß, wie man Geschichten erzählt. Das führt mich zu der Vermutung, dass er durch seinen unkonventionellen Stil bewusst provoziert. Andere Regisseure seines Formats haben diesen radikalen Kunststil nämlich wesentlich konsequenter durchgezogen.

„Melancholia“ ist anders. Anders, als andere Filme und anders, als „Antichrist“, der schockierende von Trier-Vorgänger. Doch auch hier verarbeitet der Künstler tief verwurzelte Depressionen, die durch die unglaublichen Dimensionen des Filmes sogar noch intensiver rüber kommen, als bei all seinen Filmen davor. Unabhängig davon, ob man alles versteht, oder ob man von Triers Auffassung über das Leben und der Menschheit teilen kann, „Melancholia“ ist beeindruckend. Auf gewisse Art der Höhepunkt von Triers' Schaffens. Doch auch hier gilt die Regel des schwer Einzuordnenden. Superlative funktionieren hier nicht, denn der Film lässt sich eigentlich mit nichts vergleichen.

Melancholia (DK, S, GB, 2011): R.: Lars von Trier; D.: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, John Hurt, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

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Freitag, 30. September 2011

Der große Crash - Margin Call

Kaum ein anderes Thema prägt unsere täglichen Nachrichten derzeit mehr. Finanzkrisen und Börsencrashs. Fotos von entsetzten Gesichtern der Broker zieren die Tageszeitungen und Oliver Stone sieht sich genötigt nach zwanzig Jahren eine Fortsetzung seines Wall Street Thrillers „Wall Street“ zu drehen. Doch auch andere Filmschaffende beschäftigen sich mit der Thematik. Regieneuling JC Chandor inszenierte nun auf Initiative Kevin Spaceys und Jeremy Irons '„Der Große Crash – Margin Call“ und stellt die Ereignisse um den Lehmann Crash 2008 nach.

New York, vor drei Jahren. Bei einem Bankenkonzern werden zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Eine Prozedur, welche oft vorkommt und bei welcher die Firma sehr effizient und routiniert vor geht. Diesmal trifft es auch den Abteilungsleiter für Risikomanagement, Eric. Bevor er geht, drückt er einen der jüngeren Mitarbeiter noch ein paar Daten in die Hand. Nach Analyse dieser Daten stellt sich heraus, dass sich die Firma offensichtlich verspekuliert hat und kurz vor dem Zusammenbruch steht. Auch etwas, was jeden Tag passieren kann in diesem Geschäft. Allerdings hat es diesmal niemand kommen sehen. Schnell werden die Bosse zusammengetrommelt und man entscheidet sich für eine sehr folgenschwere Lösung.

Die Einzelheiten des gesamten im Film beschriebenen Vorgangs kapiert wahrscheinlich kein Mensch, der sich nicht mit dem ganzen Aktiengeschäft auskennt. Das trifft auf so ziemlich jeden Menschen zu, den ich kenne. Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, wie jemand mit reinen Fantasiebeträgen reich werden kann. Offensichtlich geht es aber, denn die Figuren im Film haben allesamt ein nettes Sümmchen auf ihren Konten angehäuft. An dieser Stelle unternimmt der Film auch gar keinen Versuch, dem Zuschauer die Komplexität und Verworrenheit der Wall Street näher zu bringen. Hin und wieder kommen einem dramaturgische Kniffe zu Hilfe. Zum Beispiel weiß man, dass man über den eben gehörten Satz schnell noch mal nachdenken muss, wenn die Musik einsetzt. Außerdem führen die Figuren an manchen Stellen erläuternde Gespräche. Das sind Zugeständnisse an den Zuschauer, die allerdings nicht unpassend oder zu konstruiert wirken. Insgesamt hat der Film einen sehr zugänglichen Ton, was nicht zu letzt der geradezu sagenhaften Riege an hochkarätigen Schauspielern zu verdanken ist. Kevin Spacey, Demi Moore, Jeremy Irons, Paul Bettany und Zachary Quinto sind allesamt gute Schauspieler, und dem Zuschauer diese Geschichte zu vermitteln, ist vielleicht ihre größte Herausforderung gewesen. Man fragt sich natürlich, wie es denn sein kann, dass einige einzelne Menschen mit derartig großen Beträgen hantieren können, und damit ein ganzes Finanzsystem zu Fall bringen können. Der Punkt ist, dass es so bombastisch und kompliziert anmutet und sich kein normaler Mensch damit auseinander setzen will. Paul Bettany sinniert sogar: „Die Menschen wollen das. Sie geben uns einen Haufen Geld, damit wir das tun, was wir tun.“ Überhaupt wird immer nur von „der Sache“ oder „dem Geschäft“ gesprochen, was die gesamte Problematik der allgemeinen Unwissenheit unterstreicht. Selbstverständlich wird auch der moralische Aspekt „der Sache“ angesprochen, der manchen Figuren mehr und anderen weniger zu Schaffen macht. Aber egal, welche Skrupel diese Figuren auch haben mögen, nichts hindert sie daran, alles zu tun, da sie letztlich alle auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.

„Der große Crash – Margin Call“ ist auf den ersten Blick nichts Besonderes. Solche Szenen und Gespräche hat man schon in „Wall Street“ und zahlreichen ähnlichen Filmen gehört und gesehen. Interessant ist allerdings die Botschaft, die dahinter steht, die sich dem Zuschauer erst viel später erschließt. Egal, wie groß „die Sache“ auch ist, nichts verhindert den großen Crash und der nächste wartet schon. Und noch eine Sache ist absolut sicher. Kein Börsencrash der Welt hat bis jetzt dafür gesorgt, dass sich irgendwas verändert. Und diese Erkenntnis gibt nun vielleicht ein paar Menschen mehr zu denken.

Margin Call (USA, 2011): R.: J.C . Chandor; D.: Kevin Spacey, Jeremy Irons, Paul Bettany, Zachary Quinto, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Freitag, 23. September 2011

Filmkunstmesse Leipzig - Donnerstag



Der letzte Abend in Leipzig. Morgen geht es wieder nach Hause. Auch, wenn die Filmkunstmesse für mich nicht ganz so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt hatte, war es eine schöne Woche und ich habe einige hochinteressante Filme sehen können. Zeit für ein kleines Resumé.
Das Highlight für mich war auf jeden Fall „Melancholia“ (*), was man ja bereits gestern an einem leicht verzückten Tonfall bemerkt haben dürfte. Auch der Eröffnungsfilm „Habemus Papam“ war eine angenehme Überraschung. Das ist sowieso das, was am meisten Spaß macht. Man bekommt gute Filme zu sehen, die man überhaupt nicht auf dem Zettel hatte und sie machen Spaß. Insgesamt hinterlässt die Organisation des Festivals leider einen leicht fahlen Nachgeschmack. All diese Veranstaltungen, zu denen man als akkreditiertes Mitglied der Presse nur halb oder gar keinen Zutritt hatte machen keinen besonders guten Eindruck. Natürlich muss man anmerken, dass es sich um eine Fachmesse für die Branche handelt. Aber wenn man sich entscheidet, diese Messe zu öffnen, dann doch bitte richtig. Leipzig ist ein guter Standort und die Filmauswahl ist hervorragend. Es wäre schade, wenn dieses Potential verschenkt werden würde und ich hoffe sehr, dass die Filmkunstmesse in den nächsten Ausgaben offener wird, und so auch die Möglichkeit erhält, zu wachsen.

19:45 Uhr



Bei der Vorstellung der Programmkinostudie 2011 wurde immer wieder der deutsche Film erwähnt, und wie wertvoll Programmkinos für den deutschen Film wären. Also suche ich mir für heute einen entsprechenden Film aus. In der Schauburg wird der neue Film von „Friendship!“ - Regisseur Markus Goller gezeigt.
„Eine ganz heiße Nummer“ ist der Titel und er spielt in einem kleinen bayrischen Dorf. Hier hat die Finanzkrise zugeschlagen und die Glashütte des Ortes muss geschlossen werden, so dass viele Einwohner ihren Job verlieren. Aber auch der ansässige Lebensmittelladen hat zu kämpfen, denn die Einwohner fahren lieber zum nächsten Supermarkt, weil es dort natürlich billiger ist. Die drei Damen des Ladens, Waltraud, Maria und Lena versuchen nach Kräften, den Laden zu halten, doch da flattert ein Brief von der Bank ins Haus. Der Kredit wird gekündigt und sie müssen sehr schnell sehr viel Geld auftreiben. Maria wird indes ständig von einem obszönen Anrufer belästigt und da kommt ihr eine Idee, mit der die anderen beiden zunächst gar nicht einverstanden sind und von der das Dorf natürlich auch absolut nie etwas erfahren darf, schon gar nicht, da sich der Dekan zum Besuch angekündigt hat.

Der Film funktioniert nach dem gleichen Prinzip, wie schon „Sommer in Orange“ oder „Kalender Girls“ und lebt vor allem von den starken Kontrasten, die natürlich zahlreiche skurrile und komische Situationen provozieren. Das ganze in enorm ausgeprägter bayrischer Mundart, ergibt eine lockere Komödie, die zu unterhalten versteht. Schön ist, dass man Gisela Schneeberger wieder sieht, die ich zu Letzt in Gerhard Polts „Man spricht Deutsh“ erlebt habe und der diese Rolle wie auf den Leib geschneidert ist, Lustig sind auch die ersten Gehversuche als Telefonistinnen, die vor allem durch den Dialekt enorm großen Spaß machen. Auch, wenn der Film nicht die gleiche Intensität und Rafinesse, wie seinerzeit „Friendship“ erreicht, ist er eine liebenswerte kleine Komödie geworden, die ganz frech an den Stellen weiter geht, vor denen „Sommer in Orange“ ganz brav halt gemacht hat.
„Eine ganz heiße Nummer“ läuft ab dem 27. Oktober in den Kinos und ist – wie sollte es auch anders sein – sehr zu empfehlen.
Nett war außerdem, dass Regisseur Markus Goller selbst anwesend war, sich den Film mit dem Publikum zusammen angesehen hat und anschließend sehr sympathisch Fragen beantwortet hat. So kam dann doch am letzten Abend noch einmal richtiges Festivalfeeling auf.

Das war es von der Filmkunstmesse in diesem Jahr. Auf dem Blog wird es noch ein bisschen weiter gehen und all die Filme, die jetzt in aller Kürze besprochen wurden, begegnen uns natürlich wieder.

Eine ganz heiße Nummer (D, 2011): R.: Markus Goller; D.: Gisela Schneeberger, Bettina Mittendorfer, Rosalie Tomass, u.a.; M.: Peter Horn u,a,; Offizielle Homepage

Kineast On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

(*) Freitag Vormittag durfte ich noch unverhofft „Drive“ sehen. Die Sache mit dem Highlight ist also nicht mehr ganz so eindeutig. Dazu dann später mehr...

Donnerstag, 22. September 2011

Filmkunstmesse Leipzig - Mittwoch

12:00 Uhr

Der dritte Tag in Leipzig verwöhnt wieder mit perfektem spätsommerlichen Wetter und das motiviert. Auf einen dezenten Hinweis eines Hörers hin werden die letzten Kleinigkeiten an der Technik gefixt, so dass diese kurz vor Toresschluss dann endlich so funktioniert, wie sie soll.

17:00 Uhr

Per Mail flattert eine Einladung herein. Der Vorstand der Filmförderungsanstalt – kurz FFA – stellt die Programmkinostudie 2011 vor. Hier wird in Statistiken und Zahlen dargelegt, wie viele Programmkinos es in Deutschland gibt, wie viele Arthousefilme im Jahr in entsprechenden Kinos laufen, wie viele Zuschauer in Arthousefilme und -kinos gehen, wie alt diese Zuschauer sind, wie viel sie im Kino essen und trinken, und und und... Enorm viele Zahlen, die insgesamt ein sehr interessantes Bild ergeben, nämlich, dass es Programmkinos vorwiegend in großen Städten gibt, dass der Marktanteil insgesamt in diesem Jahr ein bisschen zurück gegangen ist, dass Kunstfilme, oder eben Arthousefilme ihre größten Erfolge in reinen Programmkinos erzielen, und dass es trotz einer zunehmenden Digitalisierung des Kinos – nicht zu Letzt durch 3D – es vor allem die Filme sind, die auf derartige technische Spielerein verzichten, die von den meisten Zuschauern am besten bewertet werden. Im Zusammenhang damit, ruft der Veranstalter der Filmkunstmesse Leipzig, die AG Kino, übrigens zu einem Umrüstungsstopp in allen Mitgliedstheatern auf. Der Grund hierfür ist, dass einige Verleihfirmen in letzter Zeit gerne Kinos vernachlässigt haben, die noch nicht über digitale Ausrüstung verfügen, sich nun aber immer noch weigern, die anfallenden Umrüstungskosten für die Lichtspielhäuser zumindest teilweise zu tragen. Die Ergebnisse der Studie und alle Zahlen und Statistiken einzeln abrufbar, findet ihr hier.

20:30 Uhr

Foyer Schauburg

Wie gestern angekündigt, mache ich mich auf den Weg, um mir „Melancholia“ anzusehen. Auch, wenn mir von Triers letzter Film „Antichrist“ nicht gefallen hat, kam ich nicht umhin, mich vom Hype um sein neues Werk anstecken zu lassen. Der letzte Trailer versprach unglaublich tolle Bilder und sofort musste ich an „Tree Of Life“ denken. Also auf zur Schauburg, ein weiteres sehr sympathisches Kino in Leipzig. Hier erwartet mich eine große Menschenmenge, die sich um den Eingang und die Kasse des Kinos drängt. Offensichtlich wollen all diese Menschen in den gleichen Film. Es heißt Schlangestehen und dann heißt es „Wir sind voll“. Resigniert will ich schon gehen, da verkündet jemand das unerwartete Auftauchen weiterer sechs Tickets. Unglaubliche Szenen spielen sich ab, die nicht weiter vertieft werden müssen. Fakt ist: Ich bin der letzte Mensch, der in den Saal eingelassen wird und noch während ich meinen Platz in der ersten Reihe suche, starrt mich Kirsten Dunst in Supra-Zeitlupe an und dazu erklingt das Tristan-Thema von Richard Wagner. Und dann geht es los und hört erst nach zwei Stunden auf. An dieser Stelle will ich gar nicht mehr verraten, denn irgendwie braucht der Film auch noch eine Weile, um sich zu setzen. Nur so viel: Es ist ein beeindruckender Film und Lars von Trier hat sein Talent für das Tragische und für das Kreieren einprägsamer Bilder weder verloren noch neu erfunden. Kirsten Dunst liefert eine sehr beeindruckende Leistung ab, die nicht umsonst mit der Palme D'or des Cannes honoriert wurde.

Im Schaukasten: Melancholia

All zu lange muss das Publikum nicht mehr warten, denn „Melancholia“ startet am 6. Oktober auch in Weimar und spätestens dann wird es hier einen ausführlichen Beitrag dazu geben. Um im Tonus der letzten Tage zu bleiben: Es wird dringend empfohlen, den Film zu sehen
Morgen stehen einige Filme auf dem Programm, deren Titel mir noch nicht viel sagen, und ich weiß noch nicht, für welchen ich mich entscheiden werde. Einfach überraschen lassen.

Melancholia (DK, S, GB, 2011): R.: Lars von Trier; D.: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, John Hurt, u.a.; Offizielle Homepage

Der Nächste Kineast: Freitag, irgendwann zwischen 10:00 und 13:00 Uhr, auf Radio Lotte Weimar

Mittwoch, 21. September 2011

Filmkunstmesse Leipzig - Dienstag


12:00 Uhr

Nach dem gestrigen Debakel mit der Technik, wird heute als erstes das Equipment gesichtet, getestet, dran herum gespielt und letztendlich sogar einigermaßen zum Laufen gebracht. Tagsüber wird ein bisschen in der Stadt herum gefahren und das spät sommerliche Wetter versöhnt etwas mit dem Umstand, dass man nun doch plötzlich viel mehr Zeit hat, als ursprünglich gedacht.

22:15 Uhr


Dann geht es wieder in die Passagenkinos in der Innenstadt, eine Einrichtung, die es mir irgendwie angetan hat. Es hat alles ein ganz besonderes Flair, welches irgendwie an goldene, längst vergangene Tage denken lässt. Auch ist die Filmauswahl, die hier in der Regel präsentiert wird, sehr interessant und hebt sich angenehm von anderen mainstreamiger geprägten Multiplex-Kinos ab. Hier fand gestern bereits die Eröffnungsveranstaltung statt und hier hin verschlägt es mich auch am heutigen Abend.
Es wird „Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte“ gezeigt, der Regie-Erstling des englischen Schauspielers Paddy Considine. Considine ist hierzulande nicht all zu bekannt, hat aber bis heute in knapp 30 – überwiegend britischen – Produktionen mitgespielt. Beim diesjährigen Sundance Festival gewann er den World Cinema Regiepreis und der Film gilt schon jetzt als ein absolutes Highlight der britischen Filmkultur.

„Tyrannosaur“ erzählt von Joseph, der alleine in einem verwahrlosten Vorstadtviertel lebt. Er ist stets stark gerizt und stürzt sich, ohne große Überlegungen in jeden sich bietenden Konflikt. Er sieht in seiner ständigen Wut selbst ein Problem und weiß nicht, wie er sie beherrschen soll. Eines Tages kommt er in den Laden von Hannah. Sie betreibt eine Art An- und Verkauf für die ärmeren Bewohner des Viertels, lebt selbst allerdings in gut betuchten Verhältnissen. Sie ist sehr gläubig und fühlt sich berufen, sich Joseph anzunehmen und sich um sein Seelenheil zu kümmern. Der sieht in ihren Ansichten allerdings bloß Konfliktpotential und fackelt nicht lange, ihr kräftig vor den Kopf zu stoßen. Bald stellt sich allerdings heraus, dass Hannah mit ihrem Leben und ihrer Ehe mit einem ziemlich gestörten Ehemann ganz und gar nicht zufrieden ist und Joseph merkt, dass er wohl doch etwas für sie empfindet, und sei es nur Reue.

Was sich zunächst anhört, wie eine ganz normale Liebesgeschichte, entpuppt sich schnell als einer der ehrlichsten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Es fällt auf, dass jüngst viele, sehr harte und deprimierende Filme aus Großbritannien kommen. Man denke bloß an „Harry Brown“ und im letzten Jahr an „Fish Tank“. Angesichts der heftigen Krawalle, die das Land erschütterten, dürfte wohl jeder mitbekommen haben, dass auf der Insel einiges im Argen liegt. „Tyrannosaur“ nimmt den Zuschauer an die Hand, führt ihn mitten hinein, und lässt ihn dann dort stehen. Man bekommt die gesamte und ungeschönte Wahrheit zu sehen. Vielen Menschen geht es schlecht und sie leben am Existenzminimum, wohin gegen ein kleiner Teil der Bevölkerung ein wohlhabendes Leben führen darf. Das ganze Land ist voller Kontraste und die prallen in diesem Film ungehemmt aufeinander. Die beiden Hauptdarsteller Peter Mullan und Olivia Colman liefern unglaublich detailierte und intensive Darstellungen ab und Regisseur Paddy Considine unterstützt diese starke Leistung mit einem unglaublich nahen Stil. Dieser Film deprimiert und fasziniert zugleich und auch wenn nicht viel Schönes zu sehen ist, schafft er ein Quasi-Happy-End, ohne gekünstelt, oder aufgesetzt zu wirken.

Ganz sicher ist „Tyrannosaur“ ein großes Highlight in diesem Restkinojahr, das lange im Gedächtnis bleiben wird und das schaffen nur Filme, die über etwas Wahres und Echtes berichten. An dieser Stelle also der gleiche Text, wie gestern. Ab 13. Oktober läuft der Film in den deutschen Kinos und wird dringend empfohlen. Das war's vom Messe-Dienstag. Morgen wird es um die filmgewordene Traurigkeit gehen, denn ich werde mir Lars von Trier's Melancholia ansehen. Bis dann.

Tyrannosaur (GB, 2011): R.: Paddy Considine; D.: Peter Mullan, Olivia Colman, Eddie Marsan, u.a.; M.: Dan Baker; Filmstartsseite

Der nächste Kineast: Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Dienstag, 20. September 2011

Filmkunstmesse Leipzig: Montag


16:00 Uhr

Nachdem die Anreise souverän absolviert ist, und an der Pressestelle das sogenannte Badget abgeholt ist, wird zunächst das Programm studiert. Erste große Ernüchterung: Zu den meisten Vorführungen hat die Presse keinen Zutritt. All die viel versprechenden Titel und Filme, auf die ich mich eigentlich am meisten gefreut habe, sind den Branchenbesuchern – also Kinobetreibern und Vertretern von Filmverleihen vorbehalten. Hier wird ganz gut deutlich, welche Ursprünge dieses Festival hat. Eigentlich nur als Fachmesse gedacht, sprach sich die Veranstaltung immer mehr herum und wurde nun auch für Publikum und Presse geöffnet. Ein paar Perlen sind dann doch dabei: So wird unter anderem die diesjährige Überraschung aus Großbritannien „Tyrannosour“ gespielt und das Außenseiterprojekt „This Must Be The Place“ mit Sean Penn, welches schon jetzt viel zu viel Berühmtheit für diesen Status erlangt hat. Wen wundert's? Es geht um Rock'n'Roll!

20:00 Uhr

Vom Schaukasten abfotografiert: Habemus Papam

Nach der ersten Aufregung und der ersten Beruhigung widme ich mich dem Eröffnungsfilm. Ein Titel, von dem ich vorher noch nichts gehört hatte, den man sich allerdings merken sollte, bis er in Deutschland demnächst startet. „Habemus Papam“ heißt er, hat einen etwas unglücklichen deutschen Titel bekommen und bildet das neue Werk des gefeierten italienischen Regisseurs Nanni Moretti. Es geht um Kardinal Melville, der nach dem Tod des Papstes zu dessen Nachfolger gewählt wird. Also eigentlich wurde er ja von Gott erkoren, dieses ehrenvolle, höchste Amt ausüben zu dürfen. Allerdings ist Melville ein sehr sensibler Mensch, der lieber in den Tag hinein lebt und Gott auf seine liebenswerte Art dient. Er ist mit dieser Aufgabe völlig überfordert und weigert sich schlicht, seine Pflichten als neuer Pontifex zu erfüllen. Der Vatikan ist völlig ratlos und lässt einen Psychologen kommen, da ist der heilige Vater allerdings schon ausgebüxt. Dieser Film wurde in Italien ein absoluter Überraschungserfolg und selbst viele Wochen nach Kinostart, werden die Schlangen an den Kinokassen nicht kürzer. Grund hierfür ist wohl, dass einschlägige, katholische Zeitungen des Landes den Film verrissenen und behaupteten, er würde ihre Religion beleidigen. Die Wogen versuchte Radio Vatikan zu glätten, indem verlautbart wurde, der Film wäre sehr menschlich und würde das Amt des Papstes keinesfalls ins Lächerliche ziehen. Dem kann ich nur zustimmen. Mit sehr schlichten Bildern werden viele fremdartig anmutende Szenen dargestellt, etwa die Wahl des Papstes, welche ja stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt findet, oder eine skurrile Volleyball-Meisterschaft im Hof der Sixtinischen Kapelle. Melville wird sehr gekonnt und gründlich von Hauptdarsteller Michel Piccoli verkörpert und all das, was den Film eigentlich zur Komödie machen sollte wirkt einfach nur schön und so, als habe man an etwas besonderem Teil.
„Habemus Papam“ ist ein kleiner Film, der sich einer faszinierenden Thematik widmet und das Kunststück vollbringt, den Quasigott Papst, zu dem zu machen, was er eigentlich ist: Ein Mensch. Der Film hat in Deutschland am 13. Dezember Bundesstart und wird hiermit ausdrücklich empfohlen.

Passagenkino Leipzig

3:34 Uhr...

Nach stundenlangen Kämpfen mit der mitgebrachten Technik ist der Radiobeitrag für Dienstag endlich fertig. Das Ergebnis ist nicht besonders befriedigend, denn das eingebaute Laptopmikrofon bietet nicht die gewünschte Klangqualität. Morgen ist auch noch ein Tag und der verspricht hoffentlich zumindest den Sieg über die Technik. Drückt die Daumen!

Habemus Papam (I, 2011):R.: Nanni Moretti; D.: Michel Piccoli, Jerzy Stuhr, Nanni Moretti, u.a.; M.: Franco Piersanti; Offizielle Homepage.

Der nächste Kineast im Radio: 21.09.2011 um 11:35 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Donnerstag, 8. September 2011

Midnight in Paris

Er ist ein wahres Phänomen der Filmgeschichte. Seit mehr als 40 Jahren ist er unermüdlich dabei, neue Filme zu schreiben, zu produzieren und hin und wieder in ihnen mit zu spielen. Es geht stets um die Wirren menschlicher Beziehungen, und diese Wirren werden in verstrickten Dialogen ausdiskutiert, bis es kein Halten mehr gibt. Habe ich in den letzten Jahren seine Filme gelangweilt, ja sogar erbost verlassen, betrachte ich Woody Allens neuen Film „Midnight in Paris“ fast als Friedensangebot.

Gil und Inez sind frisch verlobt und besuchen die französische Hauptstadt. Während Gil vom faszinierenden Flair der Stadt der Liebe begeistert ist, schwärmt Inez eher für Modebouthiquen und Einrichtungshäuser. Inez' Eltern sind auch in Paris und sie fühlen sich gar nicht wohl, denn der Vater – ein republikanischer Hardliner – nimmt den Franzosen ihre Außenpolitik dermaßen übel, dass er die Stadt abgrundtief zu hassen beginnt. Die Letzten im Bunde sind Paul und Carol, ein befreundetes Paar, welches ebenfalls in Paris verweilt, um Urlaub zu machen. Paul ist ein echter Klugscheißer, wie er im Buche steht und hat zu allem und jeden einen belanglosen Kommentar parat. Bei derartiger Gesellschaft beginnt Gil, sich schnell zu langweilen, sucht er doch eigentlich Inspiration für seinen Roman. Doch keiner seiner Freunde teilt seine nostalgische und romantische Ader. Eines Abends steuert Gil nach einer Weinverkostung leicht beschwipst durch die pittoresken Straßen auf der Suche nach seinem Hotel. Als es Mitternacht schlägt hält plötzlich ein altmodisches Auto und dessen Insassen laden ihn ein, zu einer ganz besonderen Party zu fahren. Plötzlich landet Gil im Haus von Scott und Zelda Fitzgerald und trifft dort nicht nur Ernest Hemmingway, sondern sogar Gertrude Stein und Pablo Picasso, die allesamt seine ganz persönlichen Helden sind. Er verbringt eine rauschende Nacht und am nächsten Morgen glaubt er, er hätte alles geträumt.

Wer in den letzten Jahren den Blog verfolgt hat, weiß vielleicht jetzt schon, wie mir „Midnight in Paris“ gefallen hat. HA HA! Irrtum. Entgegen aller Erwartungen war ich nämlich recht angetan und sogar fast schon amüsiert über den neuen Film. Auch, wenn es im Kinosaal um mich herum ununterbrochenes Gekicher und Gegluckse gab, und ich mich nicht getraut habe, zu fragen, was gerade so lustig sei, fühlte ich mich hier seit langem mal wieder wohl in einem Woody Film. Woody Allen hat eben eine sehr altmodische Art, Filme zu machen und Geschichten zu erzählen. Dass sein Konzept nicht mehr zeitgemäß ist, merkt man jeder Minute des Films an. Aber er ist eben Woody Allen. Er geht auf die 80 zu und es sind wohl keine Quantensprünge mehr zu erwarten und den großen Wurf, hat er doch in all den Jahren und ebenso vielen Filmen längst absolviert. Mich störte, dass seine Filme immer einfallsloser wurden. Oberflächliche Figuren, die sich stundenlange belanglose Debatten über Seeigelzefish lieferten. Furchtbar. Mit dem Element der Reise in die Vergangenheit kommt nun endlich etwas Abwechslung rein, so albern und unrealistisch es auch sein mag. Es ist schon fast niedlich, auf welch plumpe Art die mäßig kostümierten und geschminkten Berühmtheiten in die Handlung eingeführt werden und entbehrt nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik. Hier blitzt auch hin und wieder Allens Talent für die alte Komödie durch, welches er in seinen nächsten Filmen vielleicht ein bisschen mehr einfließen lassen sollte. Außerdem sind zahlreiche hochkarätige Schauspieler zu sehen, die in ihren Rollen sehr viel Spaß zu haben schienen, inklusive Owen Wilson als Gil. Es gibt einige lustige Situationen, in denen Gil mit Hemingway über seinen Roman und mit Salvador Dali über die Ästhetik von Nashörnern diskutiert. Die Gespräche in der Gegenwart sind eher Allen-untypisch, wischt er doch all die Kleinigkeiten, die sonst stets Gegenstand ewiger Gespräche waren rotzfrech und fast schon schnoddrich zur Seite.

Trotz all der positiven Dinge, die mir plötzlich an seiner Arbeit auffallen, ist „Midnight in Paris“ immer noch ein typischer Allen-Film, auch wenn ich mir mittlerweile von einigen Allen-Experten bescheinigen ließ, dass ihnen dieser Film nicht besonders gefallen hat. Darin kann ich nur Gutes erkennen und freue mich nun fast schon auf den nächsten Streich. Der kommt nächstes Jahr, trägt den etwas kryptischen Titel „The Bop Decameron“ und zeigt Jesse Eisenberg und Ellen Page. Yay!

Midnight in Paris (USA, F, 2011): R.: Woody Allen; D.: Owen Wilson, Rachel McAdams, Kathy Bates, Adrien Brody, u.a; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Kineast On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Dienstag, 6. September 2011

Kineast bei der Filmkunstmesse Leipzig 2011


Vom 19. bis zum 23. September findet in Leipzig die 11. Filmkunstmesse statt, ein festival, welches sich wachsender Beliebtheit sowohl bei Fachbesuchern, wie auch dem öffentlichen Publikum erfreut. Ich werde da sein und mir das ganze Theater mal ansehen. Neben zahlreichen Filmen, deren Titel ich noch nie vorher gehört habe, die aber allesamt interessant zu werden versprechen, freue ich mich schon jetzt auf einige Filme besonders. Es wird unter anderem der neue David Cronenberg ("A Dangerous Method"), wie auch der diesjährige Cannes-Regiepreis-Gewinner "Drive" gezeigt.

Hier wird es jeden Tag eine Art Live-Ticker geben, der die Impressionen der Messe und erste Eindrücke von den gesehenen Filmen nach lesen lässt.
Ich freu mich wie ein Honigkuchenpferd und es werden ein paar schöne Tage im schönen Leipzig werden.

Los geht's dann ab Montag (19.09.) Nachmittag.
Bis spätestens da hin.

Montag, 5. September 2011

Mein bester Feind

Wir mögen spannende Geschichten. Geschichten, in denen die unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften unter besonderen, vielleicht sogar extremen Umständen mit ihren eigenen Dämonen konfrontiert werden, sind immer die besten und bieten guten Stoff, der es wert ist, ebenso spannend und gut verfilmt zu werden. Diese Voraussetzungen bringt auch der neue Film von Wolfgang Murnberger „Mein bester Feind“ mit. Was fängt der gefeierte Regisseur von solch heiß diskutierten Filmen, wie „Silentium“ und „Der Knochenmann“ mit diesen Zutaten an?

Wien 1930. Die jüdische Familie Kaufmann gehört zu den angesehensten Bürgern der Stadt und betreibt eine international hoch anerkannte Galerie. Der Sohn Victor ist ihr ganzer Stolz und bereitet sich darauf vor, das Familiengeschäft zu erben. Leicht hatte es die Familie in der letzten Zeit aber nicht. Ihre Zweigstelle und Wohnung in Nürnberg mussten sie wegen der aufkommenden Anfeindungen gegen die jüdische Gemeinde räumen und Deutschland verlassen. In Wien haben sie nun Ruhe gefunden und hoffen natürlich, diese Ruhe so lange wie möglich erhalten zu können. Eines Tages taucht dann Rudi auf. Er ist der Sohn des Hausmädchens der Familie und ist bei den Kaufmanns aufgewachsen. Er gehört praktisch zur Familie. Bei einer Vernissage wird das Gerücht geäußert, die Familie sei in Besitz einer lange verschollenen Zeichnung Micheangelos. Das erweckt das Interesse der Nazis, die mittlerweile vor den Toren Wiens stehen. Mussolini hat sich nämlich für einen Staatsbesuch in Berlin angekündigt und um die Allianz zu festigen, will Hitler ihm diese Zeichnung übergeben. Hier kommt Rudi ins Spiel, denn der hegt heimlichen Hass gegen die Familie Kaufmann. Sein Leben lang fühlte er sich unter den Scheffel gestellt und hatte immer das Gefühl, im Schatten der reichen Herrschaften zu stehen. Er wird Mitglied der SS und verrät dem Kommandanten, wo sich das Versteck der Zeichnung befindet. Die Zeichnung wird beschlagnahmt und die Familie kurzerhand ins KZ geschickt. Bei einem vorbereitenden Besuch einer italienischen Delegation stellt ein Kunstexperte allerdings fest, dass es sich bei der beschlagnahmten Zeichnung um eine Fälschung handelt. Rudi bekommt nun nachdrücklich den Auftrag, die echte Zeichnung zu besorgen und begibt sich deshalb ins KZ, um den dort inhaftierten Victor aufzusuchen. Der ist natürlich gar nicht begeistert, seinen Peiniger und ehemaligen besten Freund wieder zu sehen.

Ohne irgendein Gefühl des Bedauerns oder schlechten Gewissens könnte ich jetzt hier die gesamte Handlung des Filmes, inklusive des leicht vorhersehbaren Endes nach erzählen. Insgesamt hat der Film bei mir nämlich keinen so guten Eindruck hinterlassen. Die Figuren sind allesamt oberflächlich konzipiert und bei den beiden Hauptcharakteren fragt man sich andauernd nach deren Motiven und Gedanken. Außerdem ist die Verlagerung eines spannenden Katz-und-Maus-Spiels in die Geschichte der Nazidiktatur auch eher verunglückt. Durch das ständige Hin und Her zwischen den beiden Kontrahenten mit haarsträubenden Situationen von Rollentausch über unlautere Verhörmethoden und Verfolgungsjagden gerät die Darstellung des eigentlich ernsten historischen Hintergrunds sehr verharmlosend. Auch nimmt man Georg Friedrich seinen plötzlichen und radikalen Sinneswandel nicht recht ab und Moritz Bleibtreu behält einen neutralen Gesichtsausdruck bei, ob es nun um das Anziehen einer SS-Uniform und das sich Ausgeben als Nazisoldat geht, oder das Leben im KZ; Bleibtreu guckt immer gleich. Er ist durchaus ein guter und fähiger Schauspieler, der aber stets einen bestimmten Typ Menschen spielen kann, der in seinen Eigenschaften wahrscheinlich im Wesentlichen Bleibtreus eigenem Charakter entspricht. Und das kann er eben nicht abstellen, wenn er mal eine andere unterschiedliche Figur spielen muss. Das hat man im Übrigen auch schon in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ gesehen. Bleibtreus Darstellung von Goebbels war sicher wohl vorbereitet und mit viel Mühe erarbeitet, überstieg aber seine Fähigkeiten.

„Mein bester Feind“ ist unausgegoren und oberflächlich und wirkt obendrein noch verharmlosend. Von bitterböser Satire und dem inneren, wie auch äußeren Kampf zwischen Gut und Böse oder Richtig und Falsch ist hier leider nichts zu spüren und Murnberger bietet mit diesem Film nur noch einen blassen Schatten seiner selbst. Schade, denn die Kombination der Darsteller und der einzelnen Sotryteile hätte wesentlich spannender sein können. So wird hier lediglich Potential verschenkt. Nochmal Schade!

Mein bester Feind (AT/D, 2011): R.: Wolfgang Murnberger; D.: Moritz Bleibtreu, Georg Friedrich, Ursula Strauss, u.a.; M.: Yariv Vaknin; Offizielle Homepage

In Weimar. lichthaus

Kineast On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Sommer in Orange

Der Sommer ist da! Auch, wenn wir sehr lange darauf warten mussten, werden wir jetzt dafür mit der vollen Ladung belohnt. Doch was ist das? Wieder scheint es Stimmen zu geben, die nicht zufrieden zu stellen sind. Es wäre zu warm? Wann regnet es denn endlich? Früher war alles besser! Früher war alles besser? Ja, auch was das angeht, musste ich mich belehren lassen und erfahren, dass heutige Sommer doch gar nix mehr sind im Vergleich zu den Sommern der wilden 80er. Damals hat man es noch verstanden, einen richtigen Sommer zu zelebrieren und die Farbe des Sommers war damals nicht langweiliges Lavendel, sondern Orange!

Eine Gruppe Bahgwan Sonnenanbeter kommt aus der grauen und tristen Großstadt Berlin ins ländlich idyllische Talbichl mitten in Bayern. In Zeiten der Teilung und des kalten Krieges sollte man sich über jene stets freundlich gesinnte Menschen eigentlich freuen können. Als sie jedoch das Therapiezentrum Talbichl eröffnen wollen und ihren täglichen Ritualen nach gehen, sind die Bewohner des vorwiegend katholisch geprägten Dorfes verunsichert. Nicht nur das vermeintliche Lotterleben dieser Tunichtgute, auch die Freizügigkeit der Sonnenanbeter sorgt für ständige Schocks. „Ja wer kümmert sich überhaupt um die Kinder? Was sind die? Vegetarier? Soll das heißen, die essen kein Würstel zum Kartoffelbrei? Das schmeckt doch gar nicht. Und überhaupt! Diese bunten Klamotten. Sowas haben wir in unserer Jugend nicht getragen und wenn meine Kinder in so einem Aufzug nach Hause kämen, würde ich denen dir Hammelbeine lang ziehen. Und überhaupt! Wie die alle aussehen. Die sehen doch aus wie Terroristen. Ja Ja! Terroristen sind das. Ganz bestimmt. Und, was die für Gesänge ausstoßen. Nicht, dass es am Ende gar Teufelsanbeter sind. Und überhaupt! Die haben doch den ganzen Tag nichts besseres zu tun, als splitterfaser nackt durch den Garten zu hüpfen. Wenn die Kinder das sehen, dann ist doch klar, dass die völlig durchdrehen und nur noch Flausen im Kopf haben...“

Marcus Rosenmüller kommt aus Bayern und hat sich bereits in seinem letzten Film „Die Perlmutterfarbe“ mit der Kultur seiner Heimat auseinander gesetzt. Diesmal lässt er diese Kultur auf extreme Kontraste prallen. Die zugeknöpften und konservativen Dorfbewohner aus dem tiefsten Bayern treffen auf die freikörperkulturell veranlagten Sonnenanbeter, die der freien Liebe frönen und ihr Schakkra pflegen, als gäbe es kein Morgen. Zusätzlich dreht sich aber auch alles um die Frage nach der eigenen Identität, der vor allem die zugezogenen Kinder nach gehen. In der Schule zwischen all den Dorfkindern, finden diese mit ihren ungewöhnlichen Sichtweisen kaum Anschluss und versuchen nun, sich zu integrieren. Das wiederum findet deren Mutter gar nicht in Ordnung. Rosenmüller pflegt hier wieder ein Motiv, welches er häufig einsetzt. Er rückt Kinder in den Fokus und sie übernehmen die Hauptrollen. Dadurch wird die ohnehin verwirrende Situation noch komplexer, da man alles aus Sicht der Kinder dargestellt bekommt. Das macht die Geschichte enorm dynamisch und abwechslungsreich und verstärkt den ohnehin krassen Kontrast zwischen diesen beiden Welten noch um ein Vielfaches. Erstaunlich ist, dass es die recht charismatischen Darsteller, wie Petra Schmidt-Schaller oder Oliver Korittke schaffen, sich zurück zu nehmen und die Bühne tatsächlich den Kindern überlassen können.

„Sommer in Orange“ ist ein netter kleiner Film, dessen Hauptmotiv natürlich die großen Unterschiede zwischen den Lebenseinstellungen der Sonnenanbeter und der bayrischen Dorfbewohner ist. Der Film gibt sich keine große Mühe, noch mehr dazu zu packen und nutzt dieses eine Motiv voll aus. Das nimmt ihm etwas an Originalität und macht ihn manchmal etwas zu vorhersehbar. Trotzdem ist es solide Unterhaltung. Nicht mehr zwar, aber immerhin auch nicht weniger.

Sommer in Orange (D, 2011): R.: Marcus H. Rosenmüller; D.: Petra Schmitt-Schaller, Oliver Korittke, Georg Friedrich, u.a.; M.: Gerd Baumann; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Kineast On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Montag, 22. August 2011

Planet der Affen - Prevolution

Es ist immer wieder der Affe. Immer wieder werden unsere nächsten Verwandten im Tierreich als Motiv für mehr oder weniger spannende Geschichten verwendet. Sei das King Kong, als Urmonstrosität des Films schlechthin, oder die Vorabendserie „Unser Charly“, in der ein abgerichteter Schimpanse das Leben in einer typisch deutschen Bilderbuchfamilie genießt. Ein echtes Phänomen bietet da die Filmreihe rund um den Planeten der Affen. 1968 landete Charlton Heston nach einem missglückten Weltraumflug auf jener Welt, die der Erde ganz ähnlich war und musste feststellen, dass hier die Affen das Sagen hatten und die Menschen in Käfigen und Zoos lebten. Nach vier Fortsetzungen, die immer verworrener und trashiger wurden, endete die Serie, um 2001 neu gestartet zu werden. Hier versuchte Tim Burton, die Story mit einem düsteren Touch zu versehen, fuhr außerdem unglaublich detaillierte Affenkostüme und Masken auf und ließ das Ganze letztlich doch zu einem oberflächlichen Actionstreifen verkommen, der an den Kassen schweren Schiffbruch erlitt. Zehn Jahre später rechnete wohl niemand mit einer ernst zu nehmenden Fortsetzung der Reihe, denn trotz ihrer relativen Bekanntheit, sind sich Fans und Kritiker einig: „Planet der Affen“ war nie wirklich gut und hat den Status des soliden Durchschnitts selten überflügeln können. Grund genug also, sich den neuesten Ableger „Planet der Affen – Prevolution“ mit einer gesunden Portion Skepsis zu nähren.

Will ist Wissenschaftler und Hirnforscher. Er hat ein neuartiges Mittel entwickelt, welches ein krankes Gehirn dazu bringt, neue Hirnzellen zu generieren. Dadurch soll zum Beispiel Alzheimer geheilt werden. Bevor das Präparat in den Handel kommen kann, muss es natürlich ausgiebig getestet werden. Dazu werden in Wills Labor zahlreiche Affen gehalten – vorwiegend Schimpansen. Eine Affendame spricht besonders gut auf das Mittel an und zeigt eine enorm gesteigerte Intelligenz. Doch bevor es zur Präsentation vor den Geldgebern gehen kann, dreht das Tier durch und greift seine Pfleger an. Im Eifer des Gefechts wird sie getötet und ihr aggressives Verhalten dem Medikament in die Schuhe geschoben. Will entdeckt allerdings den wahren Grund. Die Affendame hat ein Junges bekommen und wollte es lediglich verteidigen. Will nimmt sich des Affenbabys Caesar an und lässt es zu Hause einziehen. Der Kleine zeigt sehr schnell eine enorme Intelligenz, die weit über das kognitive Verhalten seiner Artgenossen oder gar gleichaltriger Menschen hinaus geht. Nach einigen Jahren gibt es allerdings ein Unglück. Wills verwirrter Vater bekommt Ärger mit dem spießigen Nachbarn, der enorm gereizt und aggressiv auftritt. Caesar beobachtet den Streit und greift den Nachbarn an, um Wills Vater zu beschützen. Caesar wird nun in ein Tierheim gesteckt, wo er das erste Mal mit anderen Affen in Kontakt kommt und außerdem das erste Mal merkt, dass die meisten Menschen ganz und gar nicht freundlich mit Tieren umgehen. Bald ersinnt er einen Plan, sich und seinen misshandelten Mitaffen zu helfen.

„Gott sei Dank ist die Brücke ganz geblieben“. Mein Papa vertritt da die Einstellung, sich keine Filme anzusehen, in denen die Golden Gate Bridge in San Francisco beschädigt, oder gar zerstört wird. Wenn es nur darum geht, kann ich ihm „Prevolution“ schon mal bedenkenlos empfehlen, auch, wenn es zwischendurch knapp wird und schlecht aussieht für die schönste Brücke der Welt. Muss man diesen Film so oberflächlich bewerten? Man muss nicht, aber man kann. „Prevolution“ hat viele gute Ansätze, die der Film aber irgendwie nicht weiterführt. Das fängt bei den Charakteren an, geht mit der visuellen Darstellung weiter und endet mit der Story. Der Reihe nach: Alle Figuren, einschließlich des Hauptaffen, sind nur oberflächlich und substanzlos entwickelt. Es ist fast so, als hätte man eine Schablone für typische Charaktere genommen und diese eingebaut, ohne dass den Figuren eine tiefere Bedeutung zugestanden wurde. Was die Darstellung der Affen angeht, haben WETA mal wieder großartige Arbeit geleistet. Die Mimik und Gestik sind unglaublich gründlich animiert und mit Hilfe des Meisters der Motion-Capturing-Methode Andy Serkis nahezu perfektioniert worden. Das Design der Tiere ist allerdings zu fett geraten. Die Affen sehen doch zu unrealistisch aus. Sie sind viel zu groß und mächtig und man sieht sofort, dass es sich um unechte Tiere handelt. Der Hauptkritikpunkt ist die Oberflächlichkeit der Story. Gerade auf dem Gebiet der Forschung mit Menschenaffen wurden in den letzten 30 Jahren enorm viele Erkenntnisse gesammelt, so dass man den Science-Fiction-Part der Geschichte getrost durch echte Fakten hätte ersetzen können. So wirkt das ganze insgesamt übertrieben und unrealistisch und eben so, als hätte man sich nicht ausreichend Gedanken gemacht, wie man dieses vielseitige Thema umsetzen könnte. Doch Halt! Will dieser Film ein exaktes Spiegelbild der heutigen wissenschaftlichen Kenntnisse über Menschenaffen reflektieren? Viel mehr erzählt „Prevolution“ doch die Vorgeschichte eines abgefahrenen Science-Fiction-Films, in der die Affen als Fleisch gewordene Katharsis der Menschheit auftreten, und wir gezeigt bekommen, wie sehr wir unser Schicksal vielleicht jetzt schon aus der Hand gegeben haben und uns von Technik und Wissenschaft abhängig gemacht haben. So ist der Film auch mit liebevoll und clever eingebauten Zitaten auf die alten Filme durchsetzt und sogar der berühmte Heston-Satz wurde in einer verblüffend wirkenden Schlüsselszene verwendet.

„Planet der Affen – Prevolution“ ist gute Unterhaltung und auch, wenn er die eigentliche Thematik nicht mehr als oberflächlich anreißt, kann man diesen Aspekt vielleicht ausblenden. Wenn man der Film nämlich in Hinblick auf die gesamte Serie bewertet, haben wir hier tatsächlich den besten Teil, der den Titel „Planet der Affen“ trägt und man darf gespannt sein, wie es in den kommenden Filmen weiter geht. Vielleicht bieten die Fortsetzungen dann auch den entsprechenden Tiefgang auf thematischer Ebene.

Rise Of The Planet Of The Apes (USA, 2011): R.: Rupert Wyatt; D.: James Franco, Freida Pinto, Andy Serkis, u.a.; M.: Patrick Doyle; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Kineast On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.