Freitag, 29. Oktober 2010

Wall Street - Geld schläft nicht

Eben gab es an dieser Stelle die Rezension zu Oliver Stones "Wall Street" aus dem Jahre 1987. Um den neuen Wall- Street-Film sehen zu können, der seit vergangenem Donnerstag in den deutschen Kinos läuft, hätte man meiner Meinung nach erst den Vorgänger sehen sollen. Nachdem ich das erledigt hatte ging ich bestens gewappnet ins Kino.

Zur Erinnerung: Am Ende vom ersten Teil stand Gordon Gecko vor Gericht, wegen illegaler Insider Geschäfte und dem Tätigen nicht gedeckter Leerverkäufe. Er wurde dafür sehr hart bestraft und wanderte 8 Jahre ins Gefängnis. Nun kommt er wieder raus und stellt fest, die Welt hat sich nicht nur weiter gedreht, sondern sich auch ordentlich verändert. Die Dinge, für die er bestraft worden ist, scheinen längst zur Normalität des Aktiengeschäfts zu gehören. Gecko fristet nun das Dasein einer alt gewordenen Legende. Er veröffentlicht ein Buch über die Gier des Menschen und ist ein gern gesehener Gast in Talkshows, hat aber seine einstige Größe und das Leben, dass er so geliebt hat eingebüßt. An der Börse geht es derweil drunter und drüber. Der junge und hoffnungsvolle Broker Jake arbeitet für eine Agentur, die das gleiche macht, wie seinerseits die Agentur von Bud Fox. Aktien beobachten, Investoren finden und sie bei der Stange halten. Jake lebt mit Geckos Tochter Winnie zusammen. Bei einer Lesung seines Buches lernt Gordon seinen künftigen Schwiegersohn kennen. Er durchschaut ihn sofort und wittert eine Chance, seine kaputte Beziehung zur Tochter durch den jungen Jake wieder zu reparieren. Jake hält das für eine gute Idee und hofft, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Einerseits hilft er seiner Liebsten, ihre Familiengeschichte aufzuarbeiten, andererseits hofft er durch Gecko auf ein paar heiße Tipps im Aktiengeschäft. Doch Gordon Gecko wäre nicht er selbst, wenn er nicht längst einen ausgeklügelten Plan auf Lager hätte.

Wenn früher eine Ankündigung für einen neuen Film von Oliver Stone lief, bekam man immer Bauchschmerzen, denn er schaffte es stets, hoch sensiblie Themen schonungslos und schockierend darzustellen. Ganz klar war hier die Provokation das Hauptmotiv. Heute hat Stone viel von seinem Biss verloren und arbeitet Themen mit durchaus hohem Provokationspotential sehr brav und leise auf. Sei das George W. Bush, oder das World Trade Center. Man könnte jetzt fragen, warum Stone sich einen 20 Jahre alten Film schnappt, um ihn nun fortzusetzen. Die Finanzkrise mag der Auslöser gewesen sein, doch kommt der Film ein bisschen zu spät. Die Wogen sind bereits geglättet und das Thema wurde tausendfach auch im Kino abgehandelt. Und da liegt der Hund begraben. Anstatt neue und schockierende Einzelheiten über Machenschaften am Aktienmarkt zu präsentieren, konzentriert sich der Film auf die Lebensgeschichte Gordon Geckos, der vor allem eines gelernt hat, nämlich, dass sich die Welt so verändert hat, dass er in ihr nur noch zum alten Eisen gehört. Zusätzlich wird die Geschichte des ersten Filmes noch einmal erzählt, nur dass es neue Menschen gibt, die im Grunde genau so aussehen und die selben dämlichen Fehler machen, wie damals. Die Message könnte also sein, dass es trotz aller Änderungen immer noch genau so läuft, wie seit eh und je. Ich habe aber viel mehr gesehen, dass die alte Schule heutzutage nicht mehr das ist, was sie mal war. Oliver Stone mag sich handwerklich weiter entwickelt haben, hat aber das Potential dieses Reboots eines absoluten Filmklassikers nicht nur ungenügend ausgeschöpft, sondern sogar nicht einmal erkannt.

"Wall Street - Geld schläft nicht" ist nett an zu schauen, fesselt aber bei weiten nicht so, wie seinerzeit das Original. Der Film avanciert zum Lückenbüßer bis zum nächsten echten Blockbuster und im Nachhinein hat man eher das Gefühl, dass er überflüßig war. Da helfen auch nicht solide Darstellungen von Michael Douglas und Shia LaBeouf und ein Gastauftritt von Charlie Sheen. Schade eigentlich.

Wall Street – Money never sleeps (USA, 2010): R.: Oliver Stone; D.: Michael Douglas, Shia LaBeouf, Carey Mulligan; M: Craig Armstroung; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr, live auf Radio Lotte Weimar.

Mal wieder gesehen - Wall Street

Michael Douglas. Cool. Ein Schauspieler, dessen größte Stärke immer seine intensive Ausstrahlung war. Ein Blick von Michael Douglas macht alle schauspielerischen Unzulänglichkeiten wett. Shia LaBeouf. Hmm. Den können ganz viele nicht leiden. Milchbubi. Vorzeigerebell mit goldenem Löffel unterm Kissen. Nervbacke. Aber ich mag ihn irgendwie. Klar ist er jung, aber ich halte ihn für einen fähigen Schauspieler. Irgendwas muss ja dran sein, sonst würde er nicht ständig Rollen in großen Produktionen spielen. Der Trailer zu „Wall Street - Geld schläft nicht“ ist dermaßen nichtssagend, dass man Angst bekommt, nicht zu verstehen, worum es überhaupt geht. So geht es mir jedenfalls. Um „Wall Street“ von 2010 sehen zu können, muss man vorher „Wall Street“ aus dem Jahre 1987 gesehen haben.

Und darum geht's: Bud Fox ist ein junger Aktienbroker, der für eine Agentur Charts analysiert und diverse Aktien den Kunden der Agentur schmackhaft macht. Das läuft ungefähr so: Bud beobachtet einen Kurs. Bud denkt sich, das könnte toll werden und ruft seinen Klienten an. Läuft alles gut, ist der Kunde zufrieden, der Chef ist noch zufriedener und Bud ist ungefähr zwanzig Jahre älter geworden, bevor das Ganze wieder von vorne los geht. Wie viele andere an der Wall Street, hat auch Bud ein Vorbild. Gordon Gecko ist eine absolute Legende. Keiner versteht die Aktien so gut wie er, und Verluste sind ihm fremd. Bud versucht nun, an Gecko heran zu kommen, um für ihn zu arbeiten und von ihm zu lernen. Da er sehr hartnäckig ist, schafft er es tatsächlich eines Tages in Geckos Büro und verschafft ihm durch einen Tipp einen stattlichen Gewinn. Gecko stellt Bud nun an und nimmt ihm gleichzeitig unter seine Fitiche. Bei einem Empfang lernt Bud die atemberaubende Carolyn kennen und verliebt sich in sie. Das Leben beginnt nun, schön zu werden. Er arbeitet für Gecko und lebt mit der Frau seiner Träume zusammen. Doch die Aufträge für seinen Mentor bringen Bud regelmäßig an die Grenzen der Legalität und er beginnt, sich zu verstricken. Außerdem hat Carolyn eine Affäre mit Gecko selbst. Es lässt sich unschwer erahnen, dass dies nicht lange gut gehen kann.

1987 warb 20th Century Fox wie folgt für "Wall Street": "Nach Platoon führt uns Regisseur Oliver Stone in den nächsten Krieg in einem Dschungel, härter als alle anderen der Welt." Aus heutiger Sicht hinkt dieser Vergleich mächtig, aber für Stone war es beinahe die selbe Liga. Als provokanter Regisseur suchte sich Stone stets Themen heraus, die besonders den Amerikanern weh taten. Später änderte er seinen Stil und provozierte durch Bilder. "Wall Street" schildert nun den ganz normalen Alltag an der Börse. Mit sämtlichen Abgründen und Intrigen, die nun mal dazu gehören. Heute bereitet es keine großen Schwierigkeiten mehr, sich vorzustellen, dass es wirklich so läuft, aber 1987 schlug der Film ein, wie eine Bombe und löste weltweite Diskussionen über die Vorgehensweise und Reglementierungen an Börsen aus. Wie im Film, wird über Millionenbeträge beim Frühstück entschieden und ist man zunächst noch fasziniert von der Art und Weise, mit welcher Sicherheit und Beiläufigkeit mit Zahlen jongliert wird, bekommt man bald mit, dass hinter jedem Geldbetrag auch eine Existenz steht, die gleichzeitig mit den sinkenden Aktienkursen baden geht. Michael Douglas ist als großmächtiger Gordon Gecko ohne Gewissen absolut großartig und man merkt ihm den Spaß und die Freude an dieser Rolle förmlich an. Charlie Sheen ist cool und spielt hervorragend den etwas grünen Neuling, der beginnt zu lernen. Noch cooler allerdings ist, dass Martin Sheen den Vater von Bud spielt und dieser das absolute Gegenteil von Gordon Gecko darstellt. Während Gecko eindeutig zu den oberen Zehntausend gehört, ist Buds Vater ein hart arbeitender Flughafentechniker, der allerdings keinerlei Perspektiven hat und für immer der kleine Mann bleiben muss.

"Wall Street" ist ein interessanter aufregender und nicht zu letzt provokanter Film, den man gesehen haben sollte, nicht zuletzt eben, um den neuen Film zu verstehen. Und was ich von dem halte, kommt im nächsten Post.

Wall Street (USA, 1987): R.: Oliver Stone; D.: Charlie Sheen, Michael Douglas, Martin Sheen, u.a.; M.: Stewart Copeland.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Vorschau - Weihnachten 2010

Eine Gute Nachricht: Seit dem 7. Oktober läuft endlich "The Road" in deutschen Kinos. Die schlechte Nachricht: Alle, die nicht zufällig im Großraum Frankfurt wohnen, werden nicht in den Genuss kommen, diesen Film zu sehen. Nach beinahe dreijähriger Wartezeit stehe ich fassungslos vor den Schaukästen der Weimarer Kinos. Kein "The Road". Geschichte vorbei.
Nun kann man sich einbuddeln, die Schlechtheit und Ungerechtigkeit der Welt verfluchen, sämtliche Kinobetreiber auf den schnellsten Weg zur Hölle wünschen und letztlich einen einsamen Hungertot sterben, oder nicht. Ich entschied mich für "oder nicht" und blicke stattdessen nach Vorne. Was gibt es in diesem Jahr noch an sehenswerten Kinofilmen?

Unglaublich, aber sowas kann nur in Kalifornien passieren. Als Filmquerulanten Rodrigez und Tarantino 2007 ihr Trashfilmrevival "Grindhouse" feierten, tauchte im Vorprogramm von "Planet Terror" der Faketrailer zu einem weiteren Grindhousefilm auf. "Machete" war witzig, so lange es dauerte, und hatte in seinen 2 Minuten alles, was ein trashiger Actionfilm brauchte. Daraufhin bildete sich eine große Fancommunity, die Rodrigez bekniete, den Film zu produzieren. Zunächst glänzte der mit Konsequenz und sagte, "Machete" wird für immer das bleiben, was es ist: Ein Trailer.
Pustekuchen. Jetzt ist es soweit und der Film wurde tatsächlich gedreht. Nicht nur mit Danny Trejo, dem mexikanischsten Mexikaner, der je nicht in Mexiko geboren wurde, sondern auch mit Jessica Alba, Michelle Rodrigez, Steven Segal und Robert DeNiro.
Das Machwerk feierte im September Weltpremiere in LA und wird im November nun auch endlich bei uns laufen. All zu große Spannung ist nicht angebracht, denn es wird albern, trashig und brutal. Aber irgendwie ist das ja auch genau das, was wir von Robert Rodrigez erwarten.

Augen geradeaus: Die kleinen Kinder, die keine kleinen Kinder mehr sind, nehmen ihr letztes Schuljahr in der Zauberschule Hogwarts in Angriff. Zum lernen werden sie kaum Zeit haben, denn es wird sich der große finale Kampf um das Geschick der Welt entfesseln. Die Bücher und FIlme wurden zunehmend tragischer und Teil 6 endete schlimmer, als man es haben wollte. Dieser Trend wird im letzten Film, der uns in zwei Teilen kredenzt wird natürlich auf die Spitze getrieben. Uns erwarten epische Kämpfe, tragische Ereignisse und jede Menge Spaß, bei dem nicht nur Hardcore-Fans der Vorlage auf ihre Kosten kommen werden. Nach langem Hin und Her kommt "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" nun übrigens doch nicht im 3D-Modus in die Kinos. Offensichtlich würde diese Version nicht zum Kinostart fertig werden, Warner will aber dringend das Weihnachtsgeschäfft mitnehmen. Aber nicht traurig sein: Die Glubscher dürfen sich auf die DVD freuen, die sogar ausschließlich als 3D Version erscheinen soll - ebenso wie alle bisherigen Harry-Potter-Filme.

Apropos. Dreamworks schickt sein nächstes 3D Franchise ins Rennen. "Megamind" erzählt im Grunde die klassische Supermanstory, eben nur mit zwei Supermännern. Metro-Man und Megamind werfen sämtliche Klischees von Superhelden und -schurken in die Waagschale und wählen natürlich die Erde als Schauplatz ihres erbitterten Kampfes. Viel Tragik ist nciht zu erwarten. Es wird wohl eher ein sportlicher Ulkfilm, bei dem man merkt, wie sich die Macher in ihren Erinnerungen an ihre alte Comicsammlung austoben. Spaßig kann es aber trotzdem werden. Brad Pitt und Will Farell liehen den Beiden im Original ihre Stimmen und wir dürfen uns zumindest an den erstklassigen Synchronsprechern dieser Schauspieler erfreuen und müssen uns diesmal ausnahmsweise nicht mit semi-prominenten Comedians aus dem Fernsehen begnügen. Man will hoffen und wird sehen, beziehungsweise hören.

Pünktlich zu Weihnachten startet der dritte Teil der angeschlagenen Narnia Reihe. "Die Reise auf der Morgenröte" soll er heißen und bietet uns wieder einmal schöne Bilder, in denen schöne Menschen rumhüpfen und allerlei faszinierendes, computeranimiertes Viehzeugs. Natürlich in 3D! Man hat zusätzlich die Epicness-Schraube noch einmal enorm angezogen, nach dem der zahnlose zweite Teil um Prinz Kaspian hoffnungslos floppte. Diesmal dürfen wir aber auch nicht die Neuerfindung des Rades erwarten. Fans der Bücher werden es lieben, alle anderen werden sprechende Löwen und Ziegenböcke immer noch befremdlich finden. Ich persönlich freue mich auf die Musik von David Arnold, der auch schon den Soundtrack für Tarantinos "Death Proof" beisteuerte, womit wir wieder beim Thema wären...


Mittwoch, 13. Oktober 2010

Goethe!


Goethe! Die marmorne Allmacht der Weimarer Kultur. Man kann keinen Meter durch die Stadt gehen, ohne nicht sein Gesicht zu erblicken. Zahlreiche Besucher aus aller Herren Länder strömen in die Stadt und leiden unter Schnappatmigkeit, wenn sie vor dem Denkmal am Theaterplatz stehen, oder gar die heiligen Hallen des Theaters selbst betreten dürfen. "Goethe" seufzt es aus allen Ecken und niemand, aber auch niemand wagt es, seine Bedeutung und Position in Frage zu stellen. Wäre Goethe noch am Leben, er würde sich wie ein Gott fühlen, wenn er durch die Weimarer Innenstadt liefe. Dass Goethe kein Gott war, sondern ein ganz normaler, verträumter und etwas tollpatschiger junger Kerl gewesen sein könnte, kann man bald im Kino beobachten. Am 14. Oktober startet "Goethe" in den deutschen Kinos. Vergangenen Mittwoch fand die Weimarpremiere statt und ich habe den Film schon mal sehen dürfen.

Lustig geht's los. Der völlig übernächtigte Goethe stolpert ungeschickt in die Doktorenprüfung hinein. Ist die Prüfungskommission zunächst gar nicht begeistert und äußerst pikiert, wird Goethes Auftritt mit schallendem Gelächter belohnt. Unter Freudentränen und Prusten teilt man ihm das Nichtbestehen der Prüfung mit.
"Scheißich!" sprichts und verlässt fliegenden Fußes die Universität.
Der alte Herr Goethe ist davon gar nicht begeistert und verdonnert seinen Sohn, ins idyllische Wetzlar zu fahren und dort Jura zu studieren.
Goethe, der sich viel lieber mit Poesie beschäftigt, muss sich fügen und widmet sich zähneknirschend aber mit einiger Gewissenhaftigkeit dem unbequemen Studium.
Unter den strengen Augen des Oberrichtiers Kästner bleibt ihm aber auch nichts anderes übrig.
Dennoch schafft es Goethe hin und wieder vor die Tür. Bei einem feuchtfröhlichen Tanzabend trifft er auf die junge und hübsche Charlotte Buff. Natürlich ist es sofort um beide geschehen. Doch, wenn nur immer alles so einfach wäre...Charlotte ist natürlich schon jemand anderem versprochen und ihre familiären Verpflichtungen zwingen sie dazu, sich für die Hochzeit zu entscheiden, die ihren zahlreichen Geschwistern das Dach über den Kopf und das Essen im Mund sichert.
Klar, dass das dem sensiblen und impulsiven Johann Goethe gar nicht gut bekommt.

Die bereits angesprochene steinerne, oder eben marmorne Allgegenwärtigkeit Goethes im Weimarer Alltag sorgt mitunter dafür, dass man als Einheimischer irgendwann nur noch mit den Augen rollen kann, hört man diesen Namen. Das wiederum sorgt dafür, dass ich mir gesagt habe, "Wen interessiert denn bitte schön die x-te Verfilmung Goethes Lebens?" Aber aller Skepsis zum Trotz ist ein schöner Film entstanden, der zwar bestimmt nicht der große Überflieger im deutschen Kino werden wird, aber durchaus zu unterhalten weiß. Abgesehen von solider und bekannter Handwerkskunst bietet der Film vor allem eine große Stärke. Der Quasi-Halbgott und die unantastbare unglaublich weit entfernte historische Figur Goethe wird hier auf einen ganz normalen Menschen reduziert. Der Film bietet zwar zahlreiche Ungenauigkeiten und sehr freie Interpretationen der wahren Begebenheiten, was aber den Unterhaltungswert enorm steigert.
Insgesamt hält sich "Goethe!" nahezu perfekt die Waage zwischen Ulk und Spaß, einer deftigen Prise Dramatik und einer nicht unpassend wirkenden Ernsthaftigkeit beim Thema Selbstmord.
Die Darsteller bieten eine souveräne Performance. Besonders hervor zu heben sind Miriam Stein, die hier ihren ersten Kinoauftritt absolviert hat und Moritz Bleibtreu, der auf herrlich schlichte Art und Weise den pikierten und spießigen Richter Albert Kästner darstellt. Selten hat es so viel Spaß gemacht, jemanden beim Teetrinken zu beobachten.

"Goethe!" ist ein schöner, kleiner Kostümfilm, der ein relativ frisches und angenehmes Bild auf den Goethe wirft. Es gibt schöne Bilder, schöne Menschen, schöne Musik und obendrein noch eine schöne Geschichte. Und selbst als Einheimischer der tagtäglich dem Goethe-Overkill ausgesetzt ist, fühlt man sich genötigt, hinterher zu sagen: "Goethe fetzt vielleicht doch!"

Goethe! (D, 2010): R.: Philipp Stölzl; D.: Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu, u.a.; M.: Ingo Frenzel; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar, lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

Montag, 4. Oktober 2010

Mary & Max

Wir leben in einem über und über technisierten Alltag. Das schlägt sich auf alle möglichen Bereiche unseres Lebens nieder. Um mal zwei Beispiele zu nennen: Wir schreiben heutzutage kaum noch Briefe, sondern nur noch eMails und es kommen immer mehr computeranimierte Filme in die Kinos. Jetzt gibt es einen Film, der nicht nur die althergebrachte Puppenanimation wieder belebt, sondern auch das Phänomen der Brieffreundschaft. Bühne frei für "Mary & Max"

Mary ist ein kleines 8-jähriges Mädchen und lebt in Australien. Max ist ein alter Mann, der in einer kleinen Miniwohnung in New York lebt. Beide sind auf ihre ganz eigene Art Außernseiter in ihrer Gesellschaft und könnten trotzdem nicht unterschiedlicher sein. Durch Zufall findet Mary Max' Adresse in einem Telefonbuch und schreibt ihm einen Brief. Max muss nicht lange überlegen und schreibt ihr sofort zurück. Er beantwortet nicht nur ihre Fragen, sondern erzählt auch von sich und seinem Leben. Daraus entwickelt sich eine Brieffreundschaft über viele Jahre lang. Auch wenn sich Mary und Max nie persönlich getroffen haben, durchlaufen sie alle Hochs und Tiefs, die einer normalen Freundschaft auch eigen sind. So erleben wir die Lebensgeschichten zweier Menschen, die sogar teils epische Ausmaße annehmen.

Regiewunderling Adam Elliot hat es endlich geschafft, sein Außenseiter-Projekt fertig zu stellen. Nach zahlreichen Kurzfilmen und sonstigen Ankündigungen war es Ende 2009 soweit und der Film hatte Premiere. Dass es noch fast ein Jahr dauern sollte, bis "Mary & Max" auch in deutschen Kinos laufen würden, hätte wohl niemand gedacht. Aber nach der ganzen Warterei will man nun nicht weiter meckern, sondern endlich den viel gepriesenen Film sehen. Was einem als erstes auffällt: Mary und Max werden von ganz arg niedlichen und coolen Puppen dargestellt, die liebevoll animiert durch eine überzeugende Miniaturwelt wandeln. Voll gepackt mit lauter schrägen Nebenfiguren und skurrilen Situationen, könnte der Film eine Komödie mit Puppen sein, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil. Der Film ist insgesamt überaus dramatisch und trotz all der kleinen lustigen Szenen, schwingt ununterbrochen eine nicht zu übersehende Melancholie mit und am Ende des Filmes kämpft man mit einem dicken Kloß im Hals. Trotz, oder gerade wegen der niedlichen Puppen wirkt diese Dramatik und Melancholie total überzeugend Es heißt ja auch nicht umsonst, dass der Film auf einer wahren Geschichte basiere.

"Mary & Max" ist ein wunderschöner kleiner Film, der allerdings ganz anders ist, als man denkt, wenn man die Vorschau oder das Plakat gesehen hat. Vor allem ist er nicht geeignet für kleine Kinder, denn auch das könnte man beim Anblick der beiden Hauptfiguren denken.

Mary and Max (USA, 2009): R.: Adam Elliot; OVA: Toni Collette, Philip Seymour Hoffman, Eric Bana, u.a.; M.: Dale Cornelius; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Immer Donnerstags, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.