Donnerstag, 24. Juni 2010

Vertraute Fremde

Reden wir mal Klartext. Der diesjährige Kinosommer ist Mist! Bisher zumindest dümpelte das Ganze mit altbackenen und halbgaren durch die wärmeren Tage in diesem Jahr. Natürlich ist es so, dass an lauen Abenden, die meisten potentiellen Kinogänger lieber im Biergarten sitzen, als sich im mäßig klimatisierten Kinosaal aufzuhalten, aber man muss diesen natürlichen Faktor nicht auch noch begünstigen, und nur Mistfilme in die Kinos bringen.
Wirft man einen Blick auf das aktuelle Kinoprogramm, möchte man am liebsten weinen und man wünscht sich, in die Zeit zurück reisen zu können, um noch einmal in die Vorpremiere von Terminator 4 gehen zu können. Nicht das wahre? Okay, dann eben "Harry Potter". Wo ist dessen neuestes Abenteuer? Kommt nächstes Jahr. "The Road"? Nächstes Jahr. "Der Hobbit" ? Kommt...irgendwann. Aber was läuft jetzt?
Zum Beispiel "Vertraute Fremde", ein Film dem ich sehr skeptisch gegenüber stand. Eine belgisch-ftanzösische Co-Produktion, die einen Manga verfilmt? Klingt merkwürdig. Ist es auch.

Thomas ist 40 Jahre alt, Comiczeichner und demonstrativ, aber irgendwie unerklärlich unglücklich. Er hat eine schöne Frau, zwei schöne Töchterchen und den coolsten Job überhaupt und trotzdem bläst er die ganze Zeit Trübsal.
Der Grund ist, sein Vater verließ die Familie an seinem vierzigsten Geburtstag, als Thomas gerade 14 Jahre alt war. Dieses Trauma hat er nie wirklich verarbeitet. Doch eines Tages landet er durch einen Zufall in seinem Heimatdorf. Als er den Friedhof besucht, fällt er plötzlich in Ohnmacht und erwacht, in der Zeit zurück gereist und wieder 14 Jahre alt. Zunächst hält er es noch für einen Traum, stellt aber bald fest, alles ist echt und er hat nun die Möglichkeit, seinen Vater am Weggehen zu hindern, und so sein Leben zu verändern.

Das Thema ist spannend, und die Mangavorlage machte daraus ein klischeebehaftetes, ziemlich schrilles, aber unterhaltsames Abenteuer. Regisseur Sam Gabarski hat sich nun entschieden, in seinem Film jede Lockerheit und Unterhaltung durch Langsamkeit und Schwermütigkeit zu ersetzen. Die Intention war die, dem japanischen Comic die Knalligkeit und übertriebene Dramatik zu nehmen, damit man dem Film seine schrille Herkunft nicht anmerkt. Das klappt so gut, dass dem Film sämtliche Dynamik und Energie fehlt, die im Comic vielleicht zu dick aufgetragen war. Die Idee mit den Zeitreisen ist schon nicht all zu originell, sie wurde hier nun auch bescheiden inszeniert. Technisch ist der Übergang zwischen Gegenwart und Vergangenheit mehr als dürftig gelöst, aber die Ausstattung von Kulisse und Garderobe ist zumindest überzeugend. Viele Szenen, in denen großes Potential gesteckt hätte, lässt Gabarski wirkungslos verpuffen und man gewinnt den Eindruck, für ihn sei das ganze nur eine lästige Pflichtübung, die er ganz schnell absolviert wissen wollte.
Dazu kommen noch die für Zeitreiseabenteuer üblichen logischen Fehlerchen, und mal wieder die Erkenntnis, dass nichts, aber auch gar nichts die Vergangenheit verändern kann.

Mehr will ich gar nicht dazu sagen. "Vertraute Fremde" ist unkreativ und einfallslos inszeniert, obwohl das Thema Zeitreisen bisher immer spannend in Filmen umgesetzt wurde, oder zumindest einen gewissen Unterhaltungswert bieten konnte. Aber hier ist es schlicht und einfach langweilig. Sam Gabarski, Das war nix.

Quartier lointain (B/LU/F/D, 2010): R.: Sam Gabarski; D.:Alexandra Maria Lara, Jonathan Zaccai, Lou Legrand, u.a.; M.: Air; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Baaria - Eine italienische Familiengeschichte

Früher waren Filme irgendwie anders. Ich will jetzt ausnahmsweise mal nicht meckern und jammern und mich beschweren, früher sei alles besser gewesen. Viele neue Filme sind sehr gut, aber früher waren die Filme eben irgendwie anders. Das kann viele Gründe haben. Auf dem Gebiet der digitalen Technik hat sich unglaublich viel getan und die Möglichkeiten der Filmemacher sind schier unerschöpflich. Nichts desto trotz denkt man immer mal wieder an die Alte Schule. Spätestens dann, wenn ein Regisseur mit einem neuen Film auftaucht, obwohl man eigentlich dachte, er wäre schon längst fertig mit der Welt und vor allem dem Job des Filmemachers. Guiseppe Tornatore ist ein solcher Regisseur, der uns 1988 ins "Cinema Paradiso" entführte und uns nun in seinem neuen Film erneut nach Baaria einlädt.

Baaria ist ein kleines Städtchen in Mitten der rauen Landschaft Siziliens. Wir lernen Peppino kennen, der Sohn eines Bauern, der früh in seinem Leben lernt, dass man hart arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Gleichzeitig geht er zur Schule, um möglichst viel Wissen aufzusaugen. Ihm steht nämlich keine Karriere als Hirte bevor, sondern die eines engagierten Politikers. Wir begleiten Pepi bei seinem Schwur zum Eintritt in die kommunistische Partei, auf seinem Weg zum Altar und auf seiner Reise nach Moskau. Während all dieser Jahre sieht man den Ort Baaria, wie er sich verändert, ebenso, wie die Menschen, die hier lebten und leben. Sämtliche historische Ereignisse der letzten 60 Jahre hinterlassen ihre Spuren. Und obwohl Baaria sehr klein ist und unbedeutend scheint, bekommt man das Gefühl, die ganze Welt dreht sich um diese Stadt.

Sehr viel mehr kann man zur Handlung gar nicht sagen. Die Geschichte fließt regelrecht über die Leinwand, wie der Fluss der Zeit. Ohne, dass etwas prägnantes oder einschneidendes passiert, vergehen die zweieinhalb Stunden trotzdem, wie im Fluge. Es ist eben so, als ob ein Kamerateam die letzten 60 Jahre dokumentiert hat und jetzt eben die schönsten Stellen zusammen geschnitten hat. Wir sehen Menschen, die ihrem Tageswerk nachgehen und einfach leben. Tornatore legt dabei sehr viel Wert auf kleine Details und so gelingt ihm ein unglaublich authentisches Bild, und wenn man schon mal in Italien gewesen ist, hat man immer das Gefühl im Film, man habe das alles schon mal gesehen. Zusätzlich baut Tornatore ununterbrochen Zitate aus seinen früheren Filmen ein, und so wird aus "Baaria" eine Art Querschnitt durch das Gesamtwerk Tornatores. Das Feeling der alten Schule kommt bereits in den ersten Minuten des Films wieder auf. Der kleine Junge, den man am Anfang sieht, heißt nicht nur Toto, sondern sieht dem Helden aus "Cinema Paradiso" unglaublich ähnlich. Den letzten Rest und Schubbser zum vollkommenen Schwelgen in Nostalgiegefühlen gibt die wunderschöne Musik von Ennio Morricone. Das Jahrgangstreffen ist also nahezu perfekt.

"Baaria" ist wunderschön. Ganz großes Kino und doch irgendwie ganz simpel. Technisch angestaubt, aber ästhetisch hoch anspruchsvoll produziert. So dicht an Handlungssträngen, dass man das Gefühl hat, es gäbe gar keine richtige Geschichte. Es ist nicht das, was ich erwartet habe, aber irgendwie doch genau das Richtige. Ein neuer Film, aber irgendwie alt, weil anders. „Was redet der da eigentlich? Sollen wir uns den Fllm jetzt angucken, oder nicht?“ Ja! Unbedingt ansehen! „Baaria“ ist einfach toll. Man hat Schwierigkeiten, hinterher zu sagen warum, aber man ist verzaubert und begeistert. Vielleicht ist es ja das, was an den Filmen früher anders war.

Baaría (I / F, 2009): R.: Guiseppe Tornatore; D.: Francesco Scianna, Margareth Madè, Raoul Bova, u.a.; M.: Ennio Morricone; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

Freitag, 11. Juni 2010

Reel Bad Arabs

Kaum ist der Sommer endlich mal da, tritt auch schon das Phänomen des Sommerlochs in Erscheinung. Mir persönlich ist es diese Woche im Kino begegnet, als ich einen Film finden wollte, den ich hier besprechen kann. Doch leider stand hier nicht viel zur Auswahl. Entweder hatte ich den Film schon gesehen, oder hielt ihn für nicht sehenswert. Trotzdem bin ich nicht mit leeren Händen erschienen und habe statt dessen einen kleinen Film gesehen, der im Rahmen der arg zusammen gestauchten Arabischen Filmwoche im Lichthaus Kino gezeigt wurde. Der Film heißt „Reel Bad Arabs".

Der Medienwissenschaftler Dr. Jack Shaheen hat ein Buch geschrieben, in dem er die Darstellung von Arabern in Hollywoodfilmen thematisiert. Diesem Buch hat er einen etwa 50 Minuten andauernden Dokumentarfilm beigefügt. Es werden zahlreiche Beispiele aus allen möglichen Genres gezeigt. Ob Thriller, Actionfilm, oder Familienkomödie: All diese Filme ähneln sich in ihrer Darstellung von Arabern, die in vielen Fällen einer Dämonisierung gleich kommt. Diese Darstellung prägt natürlich die Meinung des Zuschauers und verunglimpft dabei ein ganzes Volk, ohne, dass es dem unbedarften Kinogänger auffällt. Oder haben Sie gewusst, dass ausgerechnet im Vorspann von „Disney's Aladin“ ein Lied mit rassistischem Inhalt gesungen wird? Oder sehen wir uns die ganzen Actionfilme mit Arnold Schwarzenegger oder Steven Seagal an. Klar! Da ist es ja ganz offensichtlich. Das sind „Department Of Defence“-Filme, die stattlich mit finanziert wurden. Völlig logisch, welches Bild hier vermittelt werden soll. Darauf falle ich als kritischer Zuschauer nicht herein. Oder doch? Mal ganz ehrlich. Woran denken wir denn als erstes, wenn wir das Wort Araber hören? Dunkle Haut, markante Gesichtszüge, schwerer Akzent, wenn er überhaupt unserer Sprache mächtig ist. Gehen wir noch weiter und wir sehen Turban, Palituch und Kalaschnikow im Anschlag. Ist dieses Bild wirklich durch die Filme geprägt, die wir sehen?

Ironischerweise basiert die visuelle Darstellung der Hollywood-Araber auf altertümlichen Gemälden und Fresken über den Orient und wird noch heute in aktuellen Filmen übernommen.
Shaheen findet aber auch einige wenige Ausnahmen, vor allem in Hollywoods jüngerer Geschichte. So lobt er die George-Clooney-Filme „Three Kings“ und „Syriana“, denen eine authentische Darstellung von arabischen Menschen und deren Heimatländern gelungen ist. Diese beiden Filme nähren sich in ihrer inhaltlichen und visuellen Darstellung der Realität am meisten an.
„Reel Bad Arabs“ ist sehr faszinierend, obwohl der Film das Thema natürlich nur oberflächlich ankratzt. Aber er regt dazu an, sich näher damit zu beschäftigen und vor allem, viele Filme zu sehen, oder noch einmal zu sehen und sie unter diesen neuen Gesichtspunkten zu bewerten. So kann man sich eine unabhängige Meinung bilden, was gerade in derart unruhigen Zeiten, die wir im Moment erleben, unglaublich wichtig ist.

„Reel Bad Arabs“ lief am vergangenen Montag und Dienstag im Lichthaus Kino und es steht leider nicht zu erwarten, den Film in nächster Zeit in einem Weimarer Kino sehen zu können. Allerdings ist „reel Bad Arabs“ auf DVD erhältlich und jedem ans Herz zu legen, der sich prinzipiell gerne mit Filmen beschäftigt, auch wenn das manchmal heißt, dass es unbequem werden könnte.

Reel Bad Arabs (USA, 2006): D.: Jeremy Earp, Sut Jhally; B.: Jack Shaheen; Offizielle Homepage

imdb, Trailer.

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 live auf Radio Lotte Weimar.

Prince Of Persia - Der Sand der Zeit

Seit 1983 schwingt er sich bereits über die Bildschirme. In einer, mittlerweile acht Teile umfassenden Serie, konnte man im Computerspiel „Prince Of Persia“ durch eine märchenhafte Welt aus 1000 und einer Nacht und durch riesige Paläste wandern, den bösen Wesir bekämpfen und die Prinzessin retten. Und weil gerade mal wieder so ziemlich alles verfilmt wird, was verfilmt werden kann (leider auch Dinge, die nicht verfilmt werden sollten), hat nun auch der persische Prinz den Sprung auf die große Leinwand vollzogen. Produziert von einem Menschen, der schon sehr erfolgreich das totgeglaubte Genre des Piratenfilms wieder belebt hat, in dem er eine Achterbahn als Vorlage für seinen Film genommen hat.

Wir sind in Persien, in einer wilden Zeit. Der persische König schickt sich an, zu erobern und zu besitzen. Mit Hilfe seiner drei Söhne, hat es ein riesiges Heer geschafft, bis vor die Tore der heiligen Stadt Alamuth zu marschieren. Hier werden geheime Waffenschmieden vermutet, die den Feind Persiens versorgen. Außerdem ist die Herrscherin der Stadt – Prinzessin Tamina – für ihre atemberaubende Schönheit bekannt. Im Getümmel findet der jüngste, der persischen Sprösslinge, Dastan, einen geheimnisvollen Dolch, der vor allem die Fähigkeit zu haben scheint, den Prinzen in Schwierigkeiten zu bringen. Man kann gar nicht so schnell gucken, wie Dastan vom gefeierten Helden zum geächteten Verräter avanciert. Zusammen mit der Prinzessin macht sich der Held jedenfalls auf den weiten und gefährlichen Weg, um den Dolch der Zeit zum Tempel der Wächter zu bringen. Nur so kann verhindert werden, dass der Sand der Zeit ausbricht und die gesamte Menschheit vernichtet wird.

Gleich zu Beginn: „Prince Of Persia“ ist kein zweites „Fluch der Karibik“ geworden – In keinerlei Hinsicht. Der Film geht nicht so geschickt mit der Vorlage um, wie das mit Jack Sparrow gelungen ist. Stichwort Hauptcharakter: Der Prinz entspricht dem stereotypen Heldenbild und zeigt kaum erkennbare Regungen beim Kampf gegen Monster oder im Gespräch mit der ach so atemberaubenden Prinzessin. Auch technisch hat sowohl die Spielevorlage, als auch der Trailer mehr vermuten lassen, als letztlich zu sehen war. Aber genug der Meckerei, denn im Großen und Ganzen hat mir der Film ganz gut gefallen. Die Story, die in den Spielen sehr verworren wurde und schwer nach zu vollziehen war, wurde im Film auf ein klassisches Wüstenabenteuer herunter gebrochen, so, wie es im ersten Teil der Spiele auch gewesen ist. Jake Gyllenhaals Auftritt ist nicht so peinlich, wie man es befürchtet hätte. Sein Milchbubi-Gesicht wurde mit stylischen Bartsoppeln aufgerauht. Es gibt eine lustig, trollige Räuberbande, die zuverlässig für ein paar Lacher sorgt, böse, übermächtige Meuchelmörder mit dressierten Giftschlangen und einen Bösewicht, wie er im Buche steht. Es ist klassischer Abenteuerfilm, ein bisschen, wie die alten Sonntagsschinken, nur eben schick gemacht. Am schönsten ist, dass der Geschichte nicht mit roher Gewalt ein Ende zusammen geschustert wurde, welches brennend eine Fortsetzung forciert. Auch, wenn man Jerry Bruckheimer kennt und genau weiß, dass es einen zweiten und auch einen dritten Teil geben wird, hat man zumindest im ersten Teil das Gefühl, eine fertig erzählte Geschichte zu haben, ohne offene Fragen und Handlungsstränge.

„Prince Of Persia – Der Sand der Zeit“ ist erstaunlich schlicht geraten. In Zeiten von „Größer, Weiter, Bäm!“ hätte ich das von Jerry „Awesome“ Bruckheimer nicht erwartet. Cool!

Prince Of Persia – The Sands Of Time (USA, 2010): R.: Mike Newell; D.: Jake Gyllenhaal, Gemma Arterton, Ben Kingsley, u.a.; M.: Harry Gregson-Williams; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr, live auf Radio Lotte Weimar.